Process Mining ist eine wegweisende Technologie, mit der Unternehmen ihre Prozesse optimieren können. Bastian Nominacher, Mitgründer und Co-CEO von Celonis, erklärt im Interview, wie es dazu kam.
CRN: Was genau ist Process Mining?
Bastian Nominacher: Process Mining ist eine Big-Data-Analytics-Technologie, die Datenspuren aus IT-Systemen wie SAP, Salesforce und anderen verwendet, um den echten Geschäftsprozess zu rekonstruieren. Man sieht damit auf einen Blick und in Echtzeit, wie die Prozesse ablaufen. Process Mining ist für Unternehmen deshalb so attraktiv, weil es nicht nur zur Effizienzsteigerung, sondern auch im Bereich Compliance und neuerdings auch bei Sys-
temmigrationen und -transformationen eingesetzt werden kann, etwa wenn Firmen von SAP R3 auf S4/HANA umsteigen. Immer dann, wenn man wissen muss, wie ein Prozess in der Realität abläuft, ist Process Mining die beste Technologie. System-Modellierung-Tools wie Aris bilden den Soll-Prozess ab, Process Mining den Ist-Prozess.
CRN: Die Idee zu Celonis ist an der Technischen Universität München entstanden. Wie kann man sich das vorstellen?
Nominacher: Wir drei Gründer, Martin Klenk, Alexander Rinke und ich, haben uns bei Academy Consult, einer studentischen Unternehmensberatung kennengelernt. Wir hatten damals ein Projekt beim Bayrischen Rundfunk, wo es um die Verbesserung des IT-Service-Managements auf Basis von BMC Remedy ging. Wir haben mit BI, Statistik, Data Mining gearbeitet, aber schnell gemerkt, dass wir damit nicht auf die gewünschten Ergebnisse kamen. Ein erster Gedanke brachte uns damals schon auf die Idee zu Process Mining: Alles, was da passiert, wird im System gespeichert. Dann haben wir in der Literatur eine Veröffentlichung von Wil van der Aalst von der TU Eindhoven zum Thema Process Mining gefunden. Da es zu dem Zeitpunkt keine geeignete Software gab, dachten wir uns: Gut, dann müssen wir sie eben selbst programmieren.
CRN: Wil van der Aalst hat also den theoretischen Hintergrund geliefert?
Nominacher: Genau. Process Mining ist mittlerweile ein etabliertes wissenschaftliches Feld. Wir haben die Theorie in die Praxis umgesetzt und eine Unternehmenssoftware daraus entwickelt. Die war damals natürlich bei Weitem noch nicht so leistungsfähig wie heute. In der ersten Version mussten die Daten noch manuell aufbereitet werden, Visualisierungen waren statisch. Zum Kunden gingen wir dann mit 300 Ausdrucken. Aber die Kunden waren absolut aus dem Häuschen, und wir konnten richtig gute Ergebnisse erzielen. Das war eigentlich der Moment, an dem wir uns gesagt haben: Hey, da ist mehr dahinter. Celonis gründeten wir zu dritt in meiner Wohnung. Heute wissen wir, dass Process Mining eine Grundlagentechnologie ist. Wir haben heute schon über 350 Kunden in 15 Industrien, darunter viele große Unternehmen wie Siemens, Bayer, Nestlé, Dow Chemicals, Adobe und Cisco. Und wir kratzen erst an der Oberfläche.
CRN: Welche Rolle spielen Partner dabei?
Nominacher: Partner sind für uns sehr wichtig. Wir haben zwar eine leistungsfähige Engine, aber das kann man nicht alleine mit Leben füllen. Man kann nicht in 15 verschiedenen Industrien ein Experte sein. Wir sind die Experten dafür, die Prozessdaten zu visualisieren und aufzubereiten. Das andere machen die Partner oder die Kunden.
CRN: War es anfangs schwierig, über die Runden zu kommen?
Nominacher: Ja, am Anfang mussten wir schon sparsam sein. Aber wir konnten glücklicherweise relativ schnell die ersten Kunden gewinnen, sodass wir unser Geschäft mit den Kundenumsätzen weiter ausbauen konnten. Ein großer Vorteil der Innenfinanzierung, des Bootstrapping, wie es im Startup-Jargon heißt: Man muss sehr fokussiert sein.
CRN: Dann kamen zwei Investoren mit 27 Millionen US-Dollar.
Nominacher: Ja. Wir haben uns lange innenfinanziert, haben aber auch den Plan, bis 2020 auf über 1.000 Mitarbeiter zu wachsen, und gleichzeitig wollten wir auch in die USA gehen. Die Investoren hatten großes Interesse. Und mit Accel Partners und 83North haben wir ein Dream-Team gefunden mit viel Erfahrung in diesem Bereich. Mit solchen Ressourcen kann man mehr in die Zukunft investieren. Die größte Schwierigkeit war aber, leistungsfähige Algorithmen zu entwickeln.