Der erste operierende 3D-Doktor war sogar der Bildzeitung eine Schlagzeile wert. Warum Ingram Micro dringend und schnell innovative ISVs an sich binden muss, die noch im Schatten von Microsoft & Co agieren.
Noch ist ApoQlar nur einem kleinen Spezialistenkreis bekannt, doch CEO Sirko Pelzl ist schon auf großer Bühne unterwegs. Unter 119 Bewerbern des Digitalen Gesundheitspreises, gestiftet von Novartis und Sandoz Deutschland/Hexal, konnten sich die Hamburger durchsetzen. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hatte Ende Oktober diesen »Pionier der Holomedizin« in der Hautklinik des Universitätsklinikums Essen kennengelernt. Und nun wissen auch Ingram Micro-Deutschland-CEO Alexander Maier und sein Software- und Cloud-Chef Eric Gitter, wie der Chirurg der Zukunft operiert: Das Röntgenbild direkt vor Augen, muss er den Blick in den Körper des Patienten nicht mehr abwenden - 3D-Brille und Holomedizin sei Dank. Die Virtual-Surgery-Intelligence-Software der Hanseaten hat das Potential, als Weltneuheit die Operationssäle von Kliniken zu erobern.
ApoQlar-CEO Pelzl holte sich am vergangenen Freitag den 100.000 US-Dollar-Scheck in Augsburg höchstpersönlich ab, den ihm Maier am Abend als Sieger der Comet Competition in der Kälberhalle überreichte. Noch am Nachmittag pitchte Pelzl gegen 14 weiteren Start-ups um die Gunst der Jury. Sie alle kamen in den engeren Kreis, wurden aus 150 jungen ISVs für diese Endrunde in Augsburg ausgewählt.
Ingram Micro hatte in Deutschland, Österreich und der Schweiz zur Comet Competition aufgerufen und mit insgesamt 250.000 US-Dollar Go-to-Market-Funds geworben. 100.000 Dollar geht nun an ApoQlar, jeweils 50.000 Dollar Marketing- und Veriebsunterstützung konnten die drei »zweiten Sieger«, so Maier, für sich verbuchen: G2K, Presono und Dox42. Doch das ist erst der Anfang dieser globalen Challenge des Broadliners.
Im kommenden Frühjahr wird es richtig ernst für den Holomedizin-Newcomer: Vom 12. bis 14. Mai 2020 treten im Miami auf dem globalen Cloud Summit von Ingram Micro die besten 16 ISVs gegeneinander an, die sich als Sieger der regionalen Comet Competition durchsetzen konnten. Dann gibt es eine Million Dollar – und zwar in bar. ApoQlar aus Hamburg ist dabei.
Wichtiger als das Preisgeld ist ohnehin etwas anderes bei diesem Start-up-Wettbewerb von Ingram Micro. Im Bereich Cloud hat der Distributionsriese in den vergangenen zehn Jahren rund eine Milliarde Dollar in den Aufbau einer Cloud-Plattform investiert und mit Marketplaces in seinen Regionen eine Art »iTunes für professional Business-Applications« aufgebaut, zieht Maier diesen Vergleich zum anfangs belächelten Einstieg von Apple in die Unterhaltungsindustrie.
Rasante Plattform-Ökonomie
Doch seine Analogie ist durchaus treffend. Der Treiber für jetziges und erst recht künftiges IT-Wachstum ist Software, die auf Cloud-Infrastrukturen aufsetzt und im Prinzip überall verfügbar ist. Tausende von ISVs wie ApoQlar haben innovative Lösungen und Branchenspezialitäten, die es verdient haben, weit über lokale Märkte hinaus genutzt zu werden. Was diesen Start-ups fehlt, ist eine Aggregationsplattform, die ihre Lösungen channelfreundlich und, wo nötig, mit Support theoretisch in den weltweiten Vertrieb für Systemhäuser bringt.
Genau diesen Ansatz verfolgt Ingram Micro. 44.000 Reseller kaufen derzeit über die Marketplaces ihres Broadliners ein und verwalten dort zentral die Applikationen, die ihre Kunden im Einsatz haben. Noch dominieren Lösungen bekannter IT-Hersteller wie Microsoft, IBM, Netapp oder Acronis. Doch erklärtes Ziel von Ingram Micro ist es, diese Basis erheblich zu verbreitern, neue, noch unbekannte ISVs an sich zu binden. Ein Wettbewerb wie die Comet Competition kommt da zur rechten Zeit.
Denn es geht in einer solchen Plattform-Ökonomie immer auch um Geschwindigkeit. Ähnlich wie bei Versteigerungs-, Hotel-, oder Taxiplattformen gewinnt derjenige Anbieter, der schnell das breiteste Portfolio aufbauen kann. Bereits der Zweit- oder Drittplatzierte hat es gegen den Marktführer schwer. Dieser Trend zur Monopolisierung mag im Consumer-Business am augenfälligsten sein.
Ob er so auch in der Plattform-Ökonomie für teils hochkomplexe Business-Software gilt, darf mit gutem Recht bezweifelt werden. Ausruhen, auf Nischen setzen und auf ungebrochene Loyalität der bisweilen so treuen Channel-Klientel aus dem Fachhandel und der Systemhaus-Branche zu hoffen, sollten Distributoren besser nicht, deren Cloud-Strategien erst noch reifen.