Nichts ist schwerer als Teamarbeit und Kundenorientierung zu einem gelebten Wert zu machen. Systemhaus-Patriarchen würden Philip Semmelroths ungewöhnliche Methoden für das Werk eines Außerirdischen halten.
Begegnung der vierten Art müsste man ein Unternehmer-Treffen nennen, wenn Philip Semmelroth mit Inhabern alten Systemhaus-Schlags zusammenprallen würde. Letztere sind zwar alters- oder schlicht insolvenzbedingt nicht mehr so häufig in der mittelständischen IT-Branche anzutreffen. Doch es gibt sie durchaus noch und – fast folgenreicher: Ihr furchteinflößender Geist weht auch dann noch durch manche Büroflure, wenn die jüngere Generation längst das Ruder übernommen hat. Was der 35-jährige Semmelroth über Hierarchien und Firmenkultur sagt und in seinem IT-Unternehmen vorlebt, könnte bestenfalls auf einem fremden Planeten funktionieren, würden Patriarchen sagen, die seit vielen Jahrzehnten straffe Regimenter in ihren Systemhäusern führen.
Führungsstile. Da fühlen sich viele zum Mitreden berufen, wenn es um Struktur und Kultur einer Organisation geht: Unternehmensberater, Ökonomen, Psychologen, Esoteriker und eben solche, die das alles für Quatsch und Beutelschneiderei halten. Wer hat hier das Kommando? So der Titel des Vortrags von Systemhaus-Chef Semmelroth, den er zuletzt vor Kollegen auf der Partnerkonferenz von Acmeo in Fulda gehalten hat.
Nach einer guten halben Stunde eines rhetorisch eindrucksvollen, Dieter Thomas Hecks Sprechgeschwindigkeit nahe kommenden Vortrags, wissen die zuhörenden Systemhaus-Chefs und Entscheider, dass auf der Brücke von Semmelroths Firma C&S Computer und Service in Leverkusen nicht ein einziger Chef steht, sondern hunderte. Und sie wissen vor allem, warum das so ist.
Es sind nämlich die Kunden, die den Takt vorgeben, um sie dreht sich das tägliche Geschäft. Ihnen gerecht zu werden und nicht Semmelroth, ist das Anliegen aller zwölf Mitarbeiter dieses kleinen Systemhauses. Die klassische Führungspyramide steht auf dem Kopf. Oben sind die Kunden, der Geschäftsführer bildet die Basis, schafft die Grundlagen, damit ein operatives Geschäft überhaupt möglich ist. Führen durch Prinzipien, nicht aber Regeln, transparente und faire Entscheidungen herbeiführen, Eigeninitiative und Verantwortung wecken, erklären statt brüllen und eine Kultur schaffen, die Fehler zulässt, um daraus zu lernen. Semmelroth setzt klare Werte und er lebt diese Firmenkultur selber vor.
Die Methoden, derer sich Semmelroth bedient, muten im ersten Augenblick abstrus an: Ein neuer, überforderte Mitarbeiter macht bei der Kalkulation einen Fehler, der Preis für ein Notebook deckt nicht einmal die Einkaufskosten. Semmelroth holt Kleber, Geschenkpapier, Schleife und bittet diesen Mitarbeiter die Ware für den Kunden fertig zu machen. »Wenn ich schon nichts verdiene, dann soll es wenigstens ein hübsch verpacktes Geschenk für den Kunden sein«. Man könnte dies als die Lektion eines Zynikers ansehen, doch Spott ist diesem Mann fremd. Der Chef will nicht das Bemühen um den Kunden bestrafen, sondern die Einsicht wecken, solche unprofitablen Geschäfte kein zweites Mal abzuschließen.