Messtechnik in VoIP-Umgebungen

VoIP- und Netzwerkfehlern auf der Spur

29. März 2010, 12:51 Uhr | Ralf Ladner

Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Netz– und Systemparameter bei VoIP

Bei der Übermittlung von Sprachanwendungen über IP-Netze beeinflussen unterschiedliche Faktoren die Dienstqualität. Zu den wichtigsten Faktoren gehören:

Jitter: VoIP-Pakete müssen zu einer bestimmten Zeit und im Idealfall immer in gleichen Abständen beim Empfänger ankommen. Diese Abstände (Zwischenankunftszeiten) sind durch den Sprachcodec festgelegt. In einem IP-Netzwerk kann es jedoch zu Laufzeitschwankungen kommen beziehungsweise verschiedene Pakete benötigen für die Übermittlung über das Netz unterschiedliche Übertragungszeiten.

Als Jitter bezeichnet man die Zeit zwischen der Soll-Ankunftszeit und der Ist-Ankunftszeit. Diese Zeitdifferenz sollte im Idealfall 0 ms betragen. In den normalen IP-Netzwerken ist immer ein durch die Übertragungskomponenten bedingter Jitter vorhanden. Zur Kompensierung des Jitters nutzen VoIP-Geräte einen Jitterpuffer. Dieser gleicht die Laufzeitschwankungen durch eine Zwischenpufferung einer bestimmten Anzahl an Paketen aus. Der Jitterpuffer kann diese jedoch nur innerhalb de?nierter Grenzen ausgleichen. Überschreitet der Jitter diese Grenzen, kommt es zu Aussetzern im Sprachsignal.

Verzögerung: Bei der Übertragung von VoIP über ein IP-Netzwerk kommt es zu einer Ende-zu-Ende-Verzögerung der Signale. Die Verzögerung (Delay), auch als Latenzzeit oder Latenz bezeichnet wird in Millisekunden gemessen. Sie ist das Zeitintervall zwischen dem Auftreten eines Ereignisses und dem Auftreten eines erwarteten Folgeereignisses, um das dieses verzögert wird. Beim Dienst VoIP bezeichnet die Verzögerungszeit den Zeitraum zwischen dem Sprechen und dem entfernten Hören der gesprochenen Nachricht. In Netzwerken wird die Verzögerung oft mit dem Begriff Round-Trip-Time (RTT) beschrieben. Der Round-Trip-Delay beschreibt die Gesamtverzögerung, also Hin- und Rückweg zwischen zwei IP-Endpunkten.

Bei VoIP-Anwendungen ist der so genannte One-Way-Delay, also die Verzögerung in einer Richtung von Endpunkt zu Endpunkt, von Bedeutung. Der One-Way-Delay ist relativ schwer zu berechnen, da der Empfänger keine Information über den Beginn der Paketübertragung hat. In den für die Übermittlung der Sprachdaten zuständigen RTP-Paketen befindet sich ein Zeitstempel. Dieser bezieht sich jedoch nur auf die interne Uhr des Senders. Zur Ermittlung der exakten Verzögerung müssten Sender und Empfänger über exakt gleich eingestellte Uhren verfügen. Ein solches Verfahren wurde bisher nicht in die Endgeräte implementiert.

In der Praxis werden daher mit speziellen Messgeräten die Verzögerung von Übertragungsstrecken bestimmt. Die Verzögerung ist dadurch gekennzeichnet, dass in einem Gespräch ungewollte Sprachpausen oder Überschneidungen von Sender und Empfänger entstehen (Echoeffekte). Gemäß der ITU-Empfehlung G.114 sollte, die Ende-zu-Ende-Verzögerung nicht Länger als 150 ms andauern. Bei VoIP-Anwendungen wirkt sich in der Praxis eine zu hohe Verzögerung durch eine Verminderung des Quality of Service (QoS) aus.

Paketverluste: Mit Hilfe einer VoIP-Anwendung werden unzählige Pakete vom Sender zum Empfänger über das Netzwerk übermittelt. Bei der Übertragung der Pakete kann es passieren, dass einige Pakete zerstört werden beziehungsweise verloren gehen. Da VoIP-Gespräch auf Basis des ungesicherten User-Datagram-Protokolls (UDP) übermittelt werden, besteht keine Möglichkeit die aufgetretenen Paketverluste zu kompensieren. Paketverluste können durch Netzüberlastungen oder defekte Koppelkomponenten verursacht werden. Ein gut funktionierendes Netzwerk sollte möglichst keine oder nur geringe Paketverluste aufweisen. Die Paketverlustrate ist somit ein Maß für die Übertragungsqualität einer Datenverbindung. Sie definiert, wie viele Pakete eines Datenstroms zwischen einem Sender und einem oder mehreren Empfängern während der Übertragung verloren gegangen sind.

Die Paketverlustrate berechnet sich aus dem Verhältnis der Anzahl verloren gegangener zur Anzahl gesendeter Datenpakete. Um eine gute Verbindung zu erreichen muss dieser Fehlerwert so klein wie möglich sein. Optimal ausgelegte und gut administrierte IP-Backbones weisen heute in der Regel eine Paketverlustrate von < 0,5 Prozent auf.

Für die Übermittlung von VoIP-Datenströmen gilt gemäß der ITU G.114 Spezifikation eine Paketverlustrate bis zu 5 Prozent noch als akzeptable Qualität. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass Paketverluste in unterschiedlicher Form auftreten können. Folgende zwei Arten der Paketverluste sind zu unterscheiden:

-- Der Paketverlust einzelner Datenpakete über einen bestimmten Zeitraum.

-- Der Paketverlust mehrerer aufeinander folgender Datenpakete über einen bestimmten Zeitraum.

Der Verlust von mehreren aufeinander folgenden Datenpaketen (Daten-Burst) ist vom Empfänger nicht mehr kompensierbar und wirkt sich als Übertragungsstörung aus. Vereinzelte Paketverluste werden vom Gehör/Gehirn interpoliert und fallen dem Zuhörer nicht auf. Paketverluste wirken sich umso stärker aus, je länger der so genannte Payload (Sprach/Videoanteil im Paket) ist. Codecs weisen eine gewisse Toleranz gegenüber Paketverlusten auf. In Abhängigkeit vom genutzten Codec der Anwendung bemerkt der Nutzer die aufgetretenen Paketverluste nicht.

Bandbreite: Als effektive Bandbreite bezeichnet man die Bandbreite, die über den gesamten Netzwerkpfad (Ende-zu-Ende) zu einem bestimmten Zeitpunkt für die betreffende Anwendung beziehungsweise dem jeweiligen Datenfluss zur Verfügung steht. In einem Netzwerk oder bei Netzwerkverbindungen verändert sich die effektive Bandbreite permanent. Sie ist von der Anzahl gleichzeitiger Datenströme abhängig. In den meisten Fällen wird diese durch einige wenige überlastete Netzverbindungen oder Koppelelemente bestimmt. Die verfügbare Bandbreite wird in Bit/s gemessen und muss ausreichend sein, um die Daten erfolgreich vom Sender zum Empfänger zu transportieren. Steht nicht genügend Bandbreite zur Verfügung, kann es zu Jitter und Paketverlusten führen. Die benötigte Bandbreite ist abhängig von dem gewählten Sprachcodec.

Ein Sprachcodec kodiert die Sprache und verpackt sie in kleine Sprachpakete. Beim Verpacken der Sprachpakete werden zusätzliche Header mit Adressinformationen in das Paket eingefügt, so dass die für die Übermittlung benötigte Bandbreite ansteigt. Bei der Nutzung eines typischen G.711-Codec steigt die Nettobandbreite durch die Paketierung auf eine Bruttobandbreite von 85,6 kBit/s an. Die Bruttobandbreite zur Übermittlung von codierten Sprachinformationen lässt sich wie folgt berechnen:

-- Payload bei typsicher Codeceinstellung 20 ms: 160 Bytes

-- Größe eines Sprachpaketes: (Ethernet-Header) + (IP/UDP/RTP-Header) + Payload = 214 Bytes

-- Nettorate des Codecs = 50 Pakete/s

-- Kapazität einer Verbindung (Mediaströme): Größe des Sprachpakets x Sprachpakete pro Sekunde x 8 = 85,6 kBit/s

Die Sprachcodecs weisen differierte Eigenschaften auf. Der G.711-Codec ist der bekannteste Sprachcodec und wird im ISDN verwendet. Durch die Wahl des Sprachcodecs wird automatisch eine Wahl der Sprachqualität getroffen, da die Einsparung der notwendigen Bandbreite meist auch eine Verringerung der Sprachqualität zur Folge hat. In der Praxis sind jedoch VoIP-Systeme auf Grund von Bandbreitenengpässen auf der Übertragungsstrecke dazu gezwungen, einen schlechteren Sprachcodec zu wählen, um eine VoIP-Verbindung überhaupt realisieren zu können.


  1. VoIP- und Netzwerkfehlern auf der Spur
  2. Netz– und Systemparameter bei VoIP
  3. Messmodelle zur Ermittlung des QoS bei VoIP
  4. Bewertung der Sprachqualität
  5. E-Modell
  6. Perceptual Evaluation of Speach Quality
  7. Wieso ist eine Ende-zu-Ende-Betrachtung des QoS wichtig?
  8. Fazit

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