Kommentar: Session-Border-Controller

Die Qual der Wahl des richtigen SBC

22. April 2015, 13:56 Uhr | Mathias Hein, freier Consultant in Neuburg an der Donau
Kolumnist: Mathias Hein
© funkschau

Die richtige Entscheidung bei der Auswahl eines SBCs ist nicht kompliziert, gleicht aber der Frage: "Wo verbringen Sie ihren nächsten Urlaub?"

Bei meinen Beratungsgesprächen in Sachen „VoIP und SIP“ bei kleinen und großen Unternehmen kommt es zwangsläufig immer zu einer Fragestellung: "Welchen SBC sollen wir beschaffen?

Ich liebe diese Frage aus einer Reihe von unterschiedlichen Gründen. Erstens ist es wunderbar, dass viele IT/ITK-Verantwortliche inzwischen die Bedeutung der SBCs erkennen. Zweitens öffnet dieses Thema mir die Tür über alle Arten von SIP-bezogenen (und anderen wichtigen) Themen sprechen zu können. Meist beginne ich bei der Sicherheit, gehe anschließend zum Reporting über, rede über das notwendige Disaster-Recovery, frage nach der Anzahl der notwendigen Verbindungen, streife das Thema Routing, diskutiere die Mobilität, erläutere Codecs, erkläre das Konzept der Network-Address-Translation (NAT) und schließlich mündet es meistens in eine Diskussion über die Dienstqualität (QoS).

Doch kommen wir auf die ursprüngliche Frage zurück: Welchen SBC sollte man für das Unternehmen beschaffen?

Diese Frage ist nicht leicht zu beantworten. Das wäre in etwa, wie wenn ich gefragt werden würde, "wo verbringen Sie ihren nächsten Urlaub? Meine Antwort würde lauten: Ich weiß es nicht! Es kommt darauf an, was für eine Art von Person Sie sind, welche Erfahrungen Sie bisher gemacht haben und was Sie glücklich macht. Sind Sie an Abenteuern interessiert, wollen Sie durch die Bergwelt wandern oder am Strand in der Sonne liegen? Möchten Sie zum Einkaufen in die Städte fahren, sich auf eine Fahrradtour begeben oder ihre Freizeit in der Einsamkeit verbringen?

Mit der Kaufentscheidung eines SBCs verhält es sich ähnlich. Jeder SBC unterstützt im wesentlichen die gleichen Basisfunktionen, aber die Unterschiede zwischen den Modellen können so groß sein wie Urlaub in der Sahara oder am Bodensee.

Damit Sie verstehen, was ich meine, wenn ich mit einem Unternehmen über die Beschaffung eines „optimalen“ SBCs diskutiere, habe ich nachfolgend eine entsprechende Liste an Funktionen, Attribute und möglichen Optionen zusammengestellt.

Die richtige Dimensionierung ist wichtig

Die Auswahl eines SBCs hängt von den jeweiligen Kapazitätsanforderungen ab. Jeder SBC unterstützt eine maximale Anzahl gleichzeitiger Sessions. Wird das Session-Limit erreicht, weist der SBC neue Verbindungen ab.

Stellen Sie sich die Frage, welche Anforderungen ihr Unternehmen heute hat und welche Anforderungen auf ihr Unternehmen in den kommenden zwei Jahren zukommen.

Es macht finanziell (und auch technisch) wenig Sinn, einen SBC für 96 Sessions zu kaufen, wenn Sie wissen, dass Sie heute nur 50 Sessions benötigen und die weiteren 46 Sessions eventuell im kommenden Jahr benötigt werden. In der Praxis ist es nicht unbedingt sinnvoll, sich ein Gerät zu kaufen, welches nur 96 Sessions bereitstellt. Ich laste ein Gerät nie bis zum theoretischen Maximum aus. Will man eine garantierte Leistung bereitstellen, dann ist es immer eine gute Idee, das betreffende Gerät nur bis zur Hälfte zu strapazieren.

Zum Glück stellen SBCs mehrere Tausend bis über 100.000 parallelen Sessions bereit. Heute gibt es Lösungen die allen Bedürfnissen der betreffenden Unternehmen gerecht werden.

Zuverlässigkeit

Bei der unternehmenskritischen Kommunikation sollten alle „Single Points of Failure“ vermieden werden. Viele SBCs lassen sich heute in Hochverfügbarkeits-Konfigurationen betreiben. Dadurch lassen sich zwei SBCs logisch als eine Einheit zusammenschalten. Ein SBC verarbeitet aktiv die aktuellen SIP-Sessions während der andere SBC im Standby-Modus wartet. Fällt der aktive SBC aus, übernimmt der Standby-SBC sofort die Verbindungen. Die aktiven Anrufe bleiben während des Umschaltvorgangs erhalten und die Anrufer bemerken den Umschaltvorgang nicht.

Neben der Hochverfügbarkeit, achte ich auch auf die Flexibilität der jeweiligen Plattform. Damit meine ich, zwei Netzteile und mehrere Lüfter und auch, ob die jeweiligen Einbaumodule „hot swappable“ sind.

Es gibt Fälle, bei denen eine hohe Verfügbarkeit und eine Ausfallsicherheit nicht unbedingt erforderlich sind. Trotzdem frage ich diese Themen immer ab und stelle sicher, dass meine Kunden verstehen, welche Risiken diese mit ihren Entscheidungen eingehen.

Transcoding

Beim Transcoding wandelt ein Codec den Sprachstrom in ein anderes Format um. Für die Mitarbeiter im Call-Center kann beispielsweise die Nutzung eines G.729-Codecs vollkommen ausreichen, aber für die Ablage in einem Voicemail-System können beispielsweise G.711-Sprachströme erfordert werden. In diesem Fall wandelt ein SBC die Sprachströme in das jeweilige gewünschte Format um.

Einige Hersteller implementieren das Transcodierung in Software, während andere Hersteller die Nutzung einer speziellen Hardware erfordern. In einigen SBCs reduziert das Transcoding die Anzahl der aktiven SIP-Sitzungen.

Virtualisierung

Die Echtzeit-Kommunikation hat einige Zeit benötigt bis diese sich in den virtuellen Welten wiedergefunden hat. Inzwischen verfügt jeder SBC-Hersteller über eine virtuelle Version seines Produkts. Bei den virtuellen SBC-Versionen ist es besonders wichtig zu wissen, ob gegenüber der Appliance-basierten Lösung eventuelle Einschränkungen (beispielsweise Transcoding) zu erwarten sind oder ob sich die Performance wesentlich unterscheidet. In viele Situationen fallen diese Unterschiede marginal aus und sind daher für den Betrieb unwichtig.

Lizenzen

Als technischer Berater finde ich das gesamte Thema der Lizenzierung ziemlich langweilig. Aber in den Lizenzen findet man den Großteil der Kosten eines SBCs wieder. Die verschiedenen Anbieter lizensieren die verschiedenen Aspekte ihrer Produkte sehr unterschiedlich. Fakt ist, dass der Kunde für jede SIP-Session bezahlt. Für alle Extras, die die rudimentären SBC-Funktionalitäten überschreiten, hält jeder Hersteller seine spezielle Preisliste bereit. Beispielweise unterstützen manche SBCs die DTMF- und RFC 2833/4733- (RTP Payload for DTMF Digits, Telephony Tones, and Telephony Signals) -Funktionen kostenlos, aber verlangen einen Aufschlag für die Bereitstellung von Recording-Features (SIPREC).

Zum Glück bieten einige Anbieter inzwischen auch sehr kluge Lizenzierungsvarianten an. Diese bieten das Konzept eines Netzwerklizenzpools und es lassen sich die Funktionen/Lizenzen bei Bedarf von SBC zu SBC bewegen. Einige Anbieter stellen auch Disaster-Recovery-Lizenzen bereit, welche nur in einem Notfall aktiviert werden.

Reporting

Man kann den Wert eines Dings beziehungsweise eines Geräts oder einer Funktion nicht bestimmen, wenn man diesen nicht messen kann. Für einige Unternehmen stellt das Reporting den entscheidenden Faktor für die Beschaffung eines Systems dar.

Die von den SBCs generierten Reports werden in unterschiedlichsten Formen, Farben und Darstellungsweisen geliefert. Diese können neben den allgemeinen Themen auch in die Aspekte der Gebührenerfassung, der QoS-Messungen oder der Sicherheitsrisiken vertiefen. SBCs liefern genügend Daten um jeden Tabellenkalkulation-Manager glücklich zu machen. Selbstverständlich sind die Unterschiede zwischen den einzelnen Anbietern und auch innerhalb eines Produktangebots eines Herstellers beträchtlich. Der Netzbetreiber muss daher wissen, was er für den Praxisbetrieb benötigt und sicherstellen, dass der ins Auge gefasste SBC diese Erfordernisse erfüllt.

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