Interview mit Toshiba

Die Vorteile von Heliumfestplatten

21. Februar 2019, 16:14 Uhr | Autor: Axel Pomper
© Tatiana Kalashnikova – 123RF

HDDs und SSDs konkurrieren um die Gunst der Nutzer – Toshiba ist sich jedoch sicher, dass im Speichermarkt beide Technologien weiterhin koexistieren werden. Die Entwicklung schreitet dabei dynamisch fort. Neuestes Beispiel sind Helium-gefüllte HDDs mit 14 TByte.

funkschau: Welche Besonderheit weist die neue MG07-Serie von Toshiba auf?

Rainer W. Käse: Die MG07-Serie ist die weltweit erste 14-TByte-HDD mit neun Platten und 18 Köpfen, die als normale Server-Platte verwendet werden kann, weil das Modell auf „Conventional Magnetic Recording“ (CMR) beruht. Das heißt, die Datenspuren werden wie gehabt nebeneinander geschrieben, sodass jeder Block unabhängig gelesen und vor allen Dingen auch geschrieben werden kann. Im Gegensatz dazu basieren HDDs höchster Dichte oft auf der „Shingled Magnetic Recording“ (SMR)-Technologie, in denen die Spuren überlappend geschrieben werden. Dadurch erreicht man eine höhere Datendichte und Kapazität, erkauft sich den Vorteil aber durch den Nachteil, dass eine aufwendige Zwischenspeicherung der Daten notwendig ist, was im Regelfall lediglich für Archivierungsaufgaben praktikabel ist. Die MG07-Serie besitzt diese Einschränkung nicht, die Platte ist wie gewohnt in jedem System und für jeden Zweck verwendbar. Sie bietet für jeden Anwendungsfall eine hohe Performance und Speicherkapazität. Darüber hinaus ist die Platte durch die hermetisch dichte Versiegelung der Heliumfüllung sehr zuverlässig. Die Mean Time To Failure (MTTF) beträgt 2,5 Millionen Stunden, was praktisch eine Ausfallrate von lediglich drei bis vier Platten pro 1.000 Stück im Jahr innerhalb der Gewährleistungszeitspanne bedeutet. Außerdem ist Helium ein sehr leichtes Gas, sodass weniger Reibung entsteht und der Spindelmotor mit viel weniger Strom auskommt. Während vergleichbare Platten mit Luftfüllung im Durchschnitt nicht unter zehn bis elf Watt verbrauchen, liegt der Verbrauch der MG07-Serie bei fünf bis sechs Watt.

funkschau: Gibt es abgesehen von Helium noch weitere Gase, die sich als HDD-­Füllung eignen?

Käse: Wasserstoff wäre theoretisch sogar besser geeignet, ist aber kaum zu verarbeiten, und aufgrund seiner minimalen Molekülgröße schon gar nicht über Jahre hermetisch dicht zu versiegeln.

funkschau: Wie wird das Entweichen von Helium verhindert, auch hinsichtlich einer langjährigen HDD-Nutzung?

Käse: Toshiba verwendet dazu neben einem absolut gasdichten Gehäuse eine spezielle, eigenentwickelte Laser-Schweißtechnologie. Für den unwahrscheinlichen – aber theoretisch denkbaren – Fall, dass Helium ganz langsam in der Betriebszeit durch einen Mikroriss entweicht, hat die HDD einen Heliumfüllstand-Sensor implementiert, der eine Warnung abgibt, lange bevor die Platte nicht mehr funktioniert, sodass ein rechtzeitiger Austausch ohne Datenverlust möglich ist.

funkschau: Sind neun Scheiben in einem 3,5-Zoll-Gehäuse die maximal mögliche Ausbaustufe?

Käse: Mit der derzeitigen Technologie eindeutig ja, aber Toshiba forscht und entwickelt weiter.

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Rainer W. Käse, Senior Manager Business Development, Storage Products Division bei Toshiba
Rainer W. Käse, Senior Manager Business Development, Storage Products Division bei Toshiba
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funkschau: Wenn Helium so viele Vorteile bietet, warum wurde es dann nicht viel früher genutzt?

Käse: Die gasdichte Versiegelung der Platte, um ein Entweichen von Helium zu verhindern, ist ein nicht zu unterschätzender Kostenfaktor. Deshalb lag der Fokus zunächst auf der Weiterentwicklung von HDDs mit Luftfüllung, zumindest bis zehn TByte. An diesem Punkt entschieden wir dann aber, ebenso wie andere Festplattenhersteller, eine HDD mit Heliumfüllung zu entwickeln, da 14 TByte mit Luftfüllung nur schwer zu erreichen sind.

funkschau: Ist es schwierig, eine heliumgefüllte HDD zu produzieren?

Käse: Ja, vor allem wenn man neun Platten integriert. Tatsache ist, dass Helium-Atome sehr klein sind, sodass keine Schwachstellen in der Abdichtung tolerierbar sind. Bei der Entwicklung kamen uns dabei die Erfahrungen der Toshiba Group zugute, etwa bei der Produktion von Lithium-Ionen-Akkus. Die dort genutzte Laser-Schweißtechnologie haben wir auch bei der Konzeption der HDD-Gehäuse eingesetzt.

funkschau: Ist eine Heliumfüllung auch bei SSHDs eine Option?

Käse: Man sagt zwar „sag niemals nie“, aber aus heutiger Sicht ist es unwahrscheinlich. Die Heliumfüllung macht Sinn, um die Kapazität zu erhöhen. Sie wird somit für die Festplatten mit den höchsten Kapazitätsanforderungen verwendet, also 3,5-Zoll-Laufwerke mit 7.200 rpm. Bei SSHDs implementiert man den Flashspeicher zur Geschwindigkeitssteigerung, was aber nicht das (primäre) Ziel bei den Platten mit höchster Kapazität ist.

funkschau: Werden SSDs künftig HDDs überflüssig machen?

Käse: Hier könnte man zunächst eine Gegenfrage stellen: Werden SSDs irgendwann pro Kapazitäseinheit so günstig wie Festplatten sein? Im Moment sehen wir einen Preisunterschied mit einem Faktor von rund zehn, wenn man vergleichbare Technologien betrachtet, etwa Client-SSDs und Client-HDDs oder Enterprise-SSDs und Enterprise-HDDs. Klar ist, dass die Flash-Preise fallen. Gleiches gilt aber auch für die HDD-Preise. Es wird folglich noch einige Zeit dauern, bis die Preise pro Kapazität auch nur annäherungsweise vergleichbar sind. Aber auch dann stellt sich immer noch die Frage nach der Gesamtkapazität der generierten Daten und der Menge der dafür notwendigen Speichermedien. Auch aktuell werden noch über 90 Prozent aller Daten auf Festplatten und sogar Tapes gespeichert, der Anteil von SSDs liegt also bei unter zehn Prozent. Die SSD-Industrie müsste also die Produktionskapazitäten verzehnfachen, um den Festplattenmarkt zu ersetzen. Bei den Investitionskosten für Halbleiterfabriken heute und in naher Zukunft ist dies unmöglich.

funkschau: Wie sieht aus Ihrer Sicht die Zukunft der Speichermedien aus?

Käse: Tapes, Festplatten und SSDs werden auf absehbare Zeit koexistieren. Die Preisentwicklung und die explodierende Datenmenge erfordern alle drei Technologien für die verschiedenen Arten zu speichernder Daten. Wie lange SSDs auch in Zukunft noch auf NAND-Flash-Memory-Halbleitern basieren, kann aus heutiger Sicht nicht vorhergesagt werden. Es gibt Alternativtechnologien im Forschungs- und Produktentwicklungsstadium, aber sie werden auch bei erfolgreicher Markteinführung nicht sofort die NAND-Flash-Memory-basierten SSDs ersetzen können. Wie auch bei SSDs und Festplatten wird eine Koexistenz verschiedener Technologien vorhanden sein.


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