Die Richtlinien und Regeln spielen eine gewichtige Rolle bei dynamischen QoS-Anwendungen. Stellen wir uns vor, dass eine Remote-Site (oder ein Teil des Netzwerks) 1 MBit/s an Bandbreite für die Übermittlung von Sprach- und Videoanrufe benötigt. Aufgrund dieses den VoIP- und Videoanwendungen zugeteilten Bandbreitenvolumen werden alle Echtzeitströme problemlos übermittelt und es steht zur Übertragung anderer Anwendungen noch genügend Bandbreite zur Verfügung. Nach einigen Monaten des erfolgreichen Betriebs steigt der Bandbreitenbedarf für die Echtzeitanwendungen auf mehr als die vereinbarten 1 MBit/s.
In einem traditionellen Netzwerk kann die Call-Admission-Control (CAC) zur Beschränkung der Anrufe eingesetzt werden. In einem SDN-gesteuerten Netzwerk sollte dagegen ein dynamisches QoS zusätzliche Anrufe zulassen, wenn andere Anwendungen dadurch nicht negativ beeinflusst werden.
In einem SDN-kontrollierten Netzwerk erhält die Automated-Network-Service-QoS-Anwendung vom UC&C-Controller über das Automated-Network-Service-QoS-API eine Anfrage für eine weitere Bandbreitenzuweisung. Die hinterlegten Regeln überprüfen, ob der zusätzliche Anruf ermöglicht werden kann. Eine der Richtlinien kann so festgelegt sein, dass beispielsweise keine Anrufe aufgebaut werden können, wenn der entsprechende Schwellenwert überschritten ist. Dies entspricht der bisherigen CAC-Lösung. Eine andere Richtlinie könnte zusätzliche Anrufe zulassen, vorausgesetzt es steht trotz Schwellenwert aktuell noch genügend verfügbare Bandbreite bereit. Eine dritte Richtlinie könnte die Verbindung zulassen, wenn diese wichtiger ist als andere Anwendungen.
Bestehen bereits mehrere Videoverbindungen (Videokonferenzen) und ist bereits die gesamte für die Echtzeitübermittlung bereitgestellte Bandbreite aufgebraucht, dann kommt es zwangsläufig zu einem Konflikt, wenn eine Sprachverbindung aufgebaut werden soll. Die Sprache wird in der Regel von einer Express-Forwarding- (EF-)Warteschlange weitervermittelt. Dadurch erhält VoIP automatisch einen Vorrang gegenüber dem Video. Wie soll die Anwendung beziehungsweise das Regelwerk diesen Konflikt lösen? Wird die Videoverbindung in Verbindung mit einer geschäftskritischen Anwendung geführt, dann muss der Anruf verweigert werden. Unter Umständen wird auch der Voice- oder ein Videostream auf eine niedrigere QoS-Einstellung umkonfiguriert. Auch könnten für einige Endpunkte entsprechende Richtlinien hinterlegt sein, die festlegen, dass bestimmte Endpunkte eine höhere Priorität als andere Endpunkte besitzen. Ein dynamischer QoS bietet in der Praxis viel mehr Möglichkeiten als herkömmliche statische QoS-Konfigurationen.
Die automatisierte Network-Service-QoS-Anwendung kann darüber hinaus auch eine Rückmeldung an die oberen Anwendungsebenen bereitstellen und bei einer Auslastung der Übertragungskanäle eine Anfrage nach zusätzlicher Bandbreite für eine neue Verbindung verweigern. Die oberen Anwendungsebenen ist ihrerseits in der Lage, Maßnahmen zum Freischaufeln von Bandbreite einzuleiten, um so die gewünschte Verbindung trotzdem aufbauen zu können. Wird beispielsweise die für eine Bereitstellung eines weiteren VoIP-Gesprächs notwendige Bandbreite vom Netzwerk verweigert, kann der UC&C-Controller die aktuellen Gespräche zur Nutzung eines Codecs mit geringerer Bandbreite (G.711 -> G.729) zwingen und somit die notwendige Bandbreite für neue VoIP-Gespräche frei machen. Ebenso können bei knapper Bandbreite die Videoverbindungen in reine Sprachverbindungen umgewandelt werden. Nach der Umwandlung einer Videoverbindung in eine reine Sprachverbindung, kann diese bei genügend frei gewordener Bandbreite wieder als Videostrom fortgesetzt werden.
Die Definition der entsprechenden Richtlinien ist bei dieser Automatisierung die wichtigste Funktion. Ich erwarte, dass von den Herstellern eine entsprechende QoS-Richtlinienbibliothek entwickelt wird und die Netzwerkadministratoren die jeweiligen Funktionen aus diesem Fundus auswählen können. Dies wird zu einer erheblichen Vereinfachung der Definition der QoS-Richtlinien führen. Natürlich müssen die einzelnen Regeln in ein Gesamtkonzept eingebunden sein und eventuell auftretende Konflikte gelöst werden. Ein solcher Fall tritt ein, wenn zwei Anwendungen eine Überzeichnung von Bandbreite signalisieren.
Bevor jedoch dieses Konzept in die Praxis umgesetzt werden kann, müssen die Netzwerke auf die QoS-Verarbeitung hochgerüstet werden. Ein SDN-Controller ist nicht in der Lage, die QoS-Merkmale auf allen Geräten entlang der Kommunikationspfade zu konfigurieren. Die primäre Funktion eines SDN-Controllers besteht in der die Einstufung und Kennzeichnung der Datenströme. Nach der Markierung der Verkehrsströme ist es Aufgabe der Netzkomponenten diese effizient weiterzuleiten.
Fazit
Die dynamische Natur von QoS in einer SDN-Umgebung wird die Netze verändern. Diese Veränderungen werden mittel- bis langfristig in den Netzwerken umgesetzt werden. Es werden dazu neue Mechanismen benötigt, um die QoS-Anwendungen im Netzwerk einrichten, überwachen und mit den entsprechenden Richtlinien zu versehen. Im Ergebnis werden anpassungsfähigere Netzwerke entstehen, die sich vollständig an die Abforderungen der Anwendungen anpassen und die optimale Performance für Anwendungen bereitstellen.