Komponentenknappheit

Chip-Gold und weiße Schwäne

3. August 2021, 15:17 Uhr | Stefan Adelmann

Fortsetzung des Artikels von Teil 2

Kurzfristige Reaktionen kaum möglich

Wolf Stertkamp, PR-Manager bei MSI Deutschland
„Die relativ niedrige Verfügbarkeit von Grafikkarten reduzierte das PC-Angebot und hat unter anderem direkte Auswirkungen auf den PC-Absatz über die Systemintegration. Auch hatte der Upgrade-Markt im Verlauf des Jahres 2021 an Schwung verloren, vor allem durch die Grafikkarten- und CPU-Knappheit.“ Wolf Stertkamp, PR-Manager bei MSI Deutschland
© MSI Deutschland

Eine schnelle Reaktion auf die Krise ist kaum möglich. Weltweit gibt es nur noch wenige Chip-Fertiger, gleichzeitig ist die Produktion der Halbleiter mittlerweile so komplex, entsprechende Maschinen kostspielig und schwer zu beschaffen, dass der Bau neuer Fabriken teuer und langwierig ist. Hier sind gerade bei modernen Verfahren Milliardeninvestitionen gefragt. Auf heutige Markteffekte können die Hersteller in Hinblick auf die Fertigung also allenfalls mit deutlicher Verzögerung reagieren. Untätig bleiben die Anbieter jedoch nicht – im Gegenteil. Aufgrund der Chip-Krise ist Bewegung in den Markt gekommen, sein Gefüge könnte sich langfristig deutlich verändern. Vor allem die Lieferwege sollen sich wieder verkürzen. So hat Intel angekündigt, eine Fabrik in Europa bauen zu wollen, CEO Pat Gelsinger brachte in einem Interview mit dem „Handelsblatt“ bereits Deutschland als Standort ins Spiel, stellte allerdings auch Bedingungen: Er macht das Projekt von einer staatlichen Förderung abhängig, denn beispielsweise Südkorea oder Taiwan würden rund 40 Prozent der Baukosten tragen. „Um wettbewerbsfähig zu sein, brauchen wir dieses Niveau“, sagte der Intel-Chef. „Eine neue Fabrik kostet mindestens zehn Milliarden Dollar, und an einem Standort braucht es zwei davon, um Größenvorteile zu nutzen.“

Bosch hatte wiederum in Dresden bereits Nägel mit Köpfen gemacht – allerdings mit etwas mehr Vorlaufzeit. Im vergangenen Juni eröffnete der Konzern eine der modernsten Chip-Fabriken der Welt, die sich mittlerweile drei Jahre im Aufbau befand. Hier fertigt der Anbieter künftig Chips auf 300-Millimeter-Wafern vor allem für den Einsatz in der Automobilindustrie sowie in Lösungen für das Internet of Things. Es zeichnet sich also ab, dass sich zukünftig wieder mehr Produktionskapazitäten in Europa ansiedeln könnten und somit die zuletzt wohl allzu empfindlichen globalen Lieferketten wieder belastbarer und dezentraler gestaltet werden. Pläne, die auch die EU begrüßt. Bis 2030 will sie die lokale Produktion verdoppeln, ein Fünftel der Mikrochips weltweit soll dann aus Europa kommen, um die Abhängigkeit von Asien und den USA zu reduzieren.

Nachfragehoch und Lieferengpässe
Auf die aktuelle Krise werden diese ambitionierten Ziele hingegen kaum mehr einen bedeutenden Einfluss haben – im Gegensatz zu anderen Entwicklungen. So wird das kürzlich angekündigte Windows 11 auf vielen betagteren PCs nicht mehr laufen, viele Rechner müssen ausgetauscht werden. Einerseits ist das ein beträchtliches Geschäftspotenzial für den Handel. Erscheint das Betriebssystem aber wie angekündigt Ende 2021, könnte der plötzliche, für den Channel grundsätzlich positive Nachfrageschub die aktuell erstmals erkennbare leichte Entspannung im Komponenten-Markt andererseits durchkreuzen.

Die IT-Branche wird sich also noch länger zwischen den Stühlen befinden. Zwischen der auf der einen Seite weiterhin hohen Nachfrage in vielen Produktbereichen und entsprechend glänzenden Geschäften. So berichten zahlreiche Hersteller und Distributoren von den außergewöhnlich hohen Absätzen in 2020 und nicht weniger erfreulichen Aussichten für 2021. Und andererseits stehen sie und ihre Partner vor der Herausforderung, diese gewaltige Nachfrage vor dem Hintergrund der Lieferengpässe bei vielen Produkten und steigenden Preisen überhaupt bedienen zu können. Halbleiter und die von ihnen abhängigen Produkte, sie bleiben vorerst wohl das wertvolle, aber ebenso seltene Gold der Digitalisierung.


  1. Chip-Gold und weiße Schwäne
  2. Engpässe bis 2022
  3. Kurzfristige Reaktionen kaum möglich

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