Datendemokratisierung in Deutschland

Der Weg ist noch weit

3. August 2021, 14:08 Uhr | Interview: Diana Künstler
© solarseven, 123rf

Ob Onlinebanking oder Apps zur Bekämpfung der Pandemieausbreitung: Der Umgang mit Daten, privat oder beruflich, nimmt einen immer größeren Stellenwert in unserem Leben ein. Aber sind die Deutschen in Sachen Datenkompetenz schon bereit für die Zukunft? Ein Interview mit Mathias Golombek.

funkschau: Herr Golombek, wie ist es generell um die Kompetenz der Deutschen mit Blick auf ihren Umgang mit Daten bestellt?

Mathias Golombek: Auch wenn wir jetzt in Deutschland bei der Digitalen Transformation große Fortschritte machen, ist in Sachen Datenkompetenz noch deutlich Luft nach oben. Wir haben im Rahmen unserer Studie „Data connects people“ mit dem Marktforschungsinstitut YouGov entsprechende Umfragen gemacht: zum einen in den Unternehmen bei Management und Mitarbeitern, zum anderen im Privatbereich bei Konsumenten. Die Ergebnisse zeigen deutlich, dass viele im Umgang mit Daten noch unsicher sind. Auf Managementebene glauben die befragten Führungskräfte, dass lediglich 37 Prozent der Entscheidungsprozesse hauptsächlich auf Datenanalysen basieren. Mitarbeiter haben hingegen häufig (43 Prozent) überhaupt keine Vorstellung, welchen Anteil Datenanalysen bei Entscheidungsprozessen haben.

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Mathias Golombek, Exasol
Mathias Golombek, CTO des Datenbankanbieters Exasol: „Das Wissen um die Nutzung von Daten darf kein Herrschaftswissen von einigen Wenigen bleiben – im Gegenteil sollte es unser aller Ziel sein, die Datendemokratisierung voranzutreiben.“
© Exasol

funkschau: Und macht es einen großen Unterschied, ob es sich dabei um einen Umgang mit privaten oder beruflichen Daten handelt?

Golombek: Wir haben festgestellt, dass es in beiden Bereichen Nachholbedarf gibt. Die Unterschiede sind eher graduell. Bei den Verbrauchern etwa schätzen nur ein Drittel der Befragten ihr Wissen darüber, was Unternehmen oder Behörden mit ihren personenbezogenen Daten machen, als eher gut oder sehr gut ein.

funkschau: Können Sie Aussagen darüber treffen, wie sich die Deutschen im internationalen Vergleich schlagen?

Golombek: Wir haben nur den deutschsprachigen Bereich betrachtet. Es ist aber schon zu beobachten, beispielsweise durch unsere Zusammenarbeit mit den Kollegen aus den USA, dass man dort digitalen Technologien offener gegenübersteht und beispielsweise im Bereich Sportmarketing Datenanalysen bereits in wesentlich größerem Ausmaß zum Einsatz kommen. Wir machen uns hier ebenfalls langsam, aber sicher auf den Weg – und mehr „Data Literacy“ (Anm. d. Red.: siehe Infokasten unten dazu), also Fähigkeit, Daten zu lesen und zu verstehen, kann diesen Weg ebnen.

funkschau: Die aktuelle Studie bescheinigt den Deutschen ja Nachholbedarf in Sachen Datenkompetenz. Was meinen Sie, worauf dieser Rückstand zurückzuführen ist?

Golombek: Deutschland hat lange Zeit die Relevanz der Digitalisierung unterschätzt – und es fehlte auch an entsprechenden politischen Initiativen, um das Thema weiter voranzutreiben. Dazu kommt ein gewisses Misstrauen in Bezug auf Datenschutz: Ich glaube, dass die Menschen hierzulande ungern die Kontrolle über ihre Daten abgeben. Auch das bestätigt unsere Studie „Data connects people“: So haben mehr als die Hälfte der Verbraucher (59 Prozent) eher beziehungsweise große Bedenken, ihre personenbezogenen Daten anzugeben. Keine oder wenig Bedenken haben hingegen nur 36 Prozent. Am sorglosesten sind die Personen zwischen 18 und 24 Jahren. Hier haben gerade einmal neun Prozent der Befragten große Bedenken.

funkschau: Die jüngere Generation ist in der Regel online-affiner und vertrauter mit den modernen Technologien als die ältere – sollte man meinen. Sind die Jugendlichen damit auch besser auf eine mehr und mehr datengetriebene Arbeitswelt vorbereitet? Stichwort „Digital Natives oder Digital Naives“.

Golombek: Das Thema interessiert uns als Datenbankanbieter natürlich sehr, da wir hier auch von den potenziellen Data Scientists von morgen sprechen. Daher haben wir in einer weiteren Studie zum Thema „Digital Natives“ rund 1.000 Jugendliche im Alter von 16 bis 21 Jahren befragt. Die Ergebnisse zeigen, dass die jüngere Generation zwar versiert im Umgang mit Smartphones, Social Media et cetera ist, aber trotzdem nicht immer alle damit einhergehenden datentechnischen Konsequenzen überblickt. So sehen drei von fünf Befragten keinen Zusammenhang zwischen Werbung und ihrem Nutzungsverhalten – und das, obwohl dieser Zusammenhang häufig in der Öffentlichkeit diskutiert wird und eigentlich hinreichend bekannt sein sollte. Dem Nachwuchs ist allerdings die Bedeutung von Datenexpertise für ihre berufliche Zukunft durchaus bewusst – aber weniger als die Hälfte der Befragten geben an, während ihrer Ausbildung das für die Nutzung von Daten erforderliche Selbstvertrauen und die entsprechenden Kenntnisse erworben zu haben. Zusätzlich ist ein erheblicher Anteil der Befragten nicht mit den Begriffen Big Data (61 Prozent), Data Analytics (52 Prozent), Data Literacy (64 Prozent) und Data Science (59 Prozent) vertraut. Hier muss dringend in der Bildung nachgebessert werden, wollen wir als Wirtschaftsstandort langfristig konkurrenzfähig bleiben.

Data Literacy

Der Begriff setzt sich aus den englischen Wörtern „Data“ (Daten) und „Literacy“ (Alphabetisierung) zusammen ist mit Datenkompetenz gleichzusetzen. Data Literacy umfasst dabei die Fähigkeiten, Daten auf kritische Art und Weise zu sammeln, zu managen, zu bewerten und anzuwenden. Dazu gehören eine ganze Reihe von Einzelkompetenzen – vom Schaffen des grundlegenden Bewusstseins bis hin zu ethischen und rechtlichen Fragestellungen. Data Literacy gilt somit als eine zentrale Kompetenz für die Digitalisierung und die globale Wissensgesellschaft in allen Sektoren und Disziplinen. Angesichts der zunehmenden Menge und der Verfügbarkeit von Daten stellt sich die Herausforderung, mit den Daten Wissen zu generieren und fundiert Entscheidungen treffen zu können. Der Begriff selbst entwickelte sich in der Zeit der Jahrtausendwende und wurde jüngst durch Rahmenwerke der Europäischen Kommission und des Hochschulforums Digitalisierung in Zusammenarbeit mit dem Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft weiter verfestigt. Data Literacy wird dabei von Begriffen wie Informationskompetenz, Digital Literacy, Datenmanagement-Kompetenzen und Data Science Literacy abgegrenzt, auch wenn Inhalte und Beschreibungen sich je nach Autor teilweise überdecken. Mit dem im September 2019 veröffentlichten Framework „Future Skills Data Literacy“ soll ein Kompetenzrahmen für die Hochschulausbildung und die Voraussetzungen für die Messung von Qualität und Wirkung der Lehre vorbereitet werden. Data Literacy umfasst fünf Kompetenzbereiche und definiert für jede Kompetenz typische Aufgaben:

  1. Konzeptioneller Rahmen
  2. Datensammlung
  3. Datenmanagement
  4. Datenevaluation
  5. Datenanwendung

  1. Der Weg ist noch weit
  2. Daten als Pflichtunterrichtsthema

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