Die beim Autobauer eingeführte Unterstrich-Schreibweise wird auch von der „Charta der Vielfalt“ verwendet, eine Initiative mit dem Ziel, „die Anerkennung, Wertschätzung und Einbeziehung von Vielfalt in der Arbeitswelt in Deutschland voranzubringen“. Mitgliedsunternehmen sind unter anderem die Deutsche Post, Siemens, BASF, Adidas – und auch Audi. „Wir empfehlen eine gendergerechte Sprache zu nutzen, aber wie das umgesetzt wird, ist jedem selber überlassen“, sagt der Sprecher der Initiative, Stephan Dirschl. Eine offizielle Empfehlung, ob Unternehmen in ihrer Kommunikation Unterstrich oder Sternchen verwenden, gibt die Charta nicht heraus. Audi selbst will sich zu der Klage nicht äußern. Sprecher Joachim Cordshagen verteidigt allerdings den Sprachleitfaden: „Gendersensible Sprache ist Ausdruck einer sichtbaren, positiven Haltung zu Vielfalt und Chancengleichheit.“
Finanziell unterstützt wird der Kläger von dem unter Experten umstrittenen Verein Deutsche Sprache in Dortmund, der vom „Gender-Unfug“ nichts hält. Der Vereinsvorsitzende Walter Krämer schreckt bei dem Kampf auch vor historischen Vergleichen nicht zurück: „Das Aufzwingen einer Sprache, die keine rechtliche Grundlage hat, erinnert doch stark an Unrechtssysteme wie das der DDR oder an Dystopien wie ‚1984‘ von Orwell.“
Die Gesellschaft für deutsche Sprache in Wiesbaden hingegen „unterstützt ausdrücklich die Bemühungen um eine sprachliche Gleichbehandlung aller Geschlechter“, wie es auf ihrer Webseite heißt. Zwar steht sie dem Gender-Sternchen oder anderen Gender-Formen, die etwa zu grammatikalisch oder orthografisch fehlerhaften Formen führen, kritisch gegenüber – „nicht aber dem Gendern an sich“. Der Rat für deutsche Rechtschreibung, die maßgebliche Instanz für Fragen der Orthografie, teilt die Sorgen. Die Verwendung von Sonderzeichen könne zu Folgeproblemen und grammatisch nicht korrekten Lösungen führen. Ende März entschieden die Experten, dass etwa Gender-Stern und Unterstrich bis auf weiteres zumindest offiziell keinen Einlass in die deutsche Sprache erhalten. Das Gremium will die Entwicklung des Schreibgebrauchs zunächst weiter beobachten.
Wie aus einer Umfrage des Münchner Ifo-Instituts und dem Personaldienstleister Randstad unter Personalleitern hervorgeht, nutzt knapp jedes dritte deutsche Unternehmen genderneutrale Sprache. Dabei nutzen Unternehmen der Umfrage von Anfang Juli zufolge sie vor allem in ihrer Kommunikation nach außen (35 Prozent). Innerhalb der eigenen Firmenwände nutzen sie lediglich 25 Prozent. Große Unternehmen verwenden demnach häufiger geschlechtergerechte Sprache als kleine.
Mit der Einführung von geschlechtergerechten Schreibweisen sei es allerdings auch nicht getan, sagt Charta-Sprecher Dirschl. Denn eigentlich gehe es um viel mehr als um eine Änderung der Sprache – nämlich um eine geschlechtergerechte Gesellschaft. „Wir glauben, dass Sprache das wirkungsvollste Mittel ist, um Bewusstseinsänderungen anzustoßen“, sagt Dirschl. Das müsse das Ziel sein. „Es geht nicht darum, vollumfänglich und hundertprozentig zu gendern. Sondern es geht darum, Akzente zu setzen, um zu zeigen, dass Vielfalt in allen Bereichen möglich ist.“
Wie lang es bis zu einem Urteil im Audi-Fall dauert, ist unklar. Einen Verhandlungstermin gibt es noch nicht, und gerade Zivilprozesse können sich in die Länge ziehen. Nach Angaben des Gerichts wird zunächst ein schriftliches Vorverfahren geführt.
Hintergrund zur ifo-Umfrage |
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Das ifo-Institut befragt im Auftrag von Randstad Deutschland regelmäßig etwa 1.000 Personalleiter in Deutschland. Die Sonderfragen im zweiten Quartal 2021 beschäftigten sich mit Diversität und der Wahrnehmung und Realität von Vielfalt und Gleichberechtigung in deutschen Unternehmen. |