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10-Gigabit-Ethernet

Gütesiegel als Kundenschutz

Autor:Redaktion connect-professional • 7.10.2007 • ca. 4:40 Min

Bildungsnotstand

»An einer höheren Planungs- und Ausführungsqualität wird für alle Beteiligten mit 10 Gigabit kein Weg vorbeiführen«, konstatiert Hüsch. Andererseits registriert er, dass heute die Bereitschaft der Unternehmen, für Messtechnik mehr Geld auszugeben, schwindend gering sei. »Man erwartet von den Herstellern und Dienstleistern, dass das Netzwerk fehlerfrei läuft.« Dass die Hersteller ihrerseits in Messgeräte, Materialeinsatz und Zeitaufwand investieren müssten, kümmere die Auftraggeber wenig. »Für die Planer und Installateure wird es hart werden, wenn 10-Gigabit-Applikationen die Schwachstellen ihrer Arbeit entblößen werden«, prophezeit Klotzbücher. Er empfiehlt beiden Gruppen, näher an die Hersteller zu rücken, um sich helfen zu lassen.

Bei der Einführung des Industrial-Ethernet im Bereich der »Industriegebäude und Automatisierungsvernetzung« werde den Automobilisten bereits Angst und Bange, wenn sie über die Qualität ihrer Netzwerk-Infrastruktur nachdenken, registriert Gerlach. Hier wachse die Sensibilität für eine professionellere Planung und Installation. Für die meisten anderen Branchen und speziell den Mittelstand sieht er dagegen schwarz. „Sub-Sub-Sub-Verhältnisse bei der Auftragsvergabe, Geiz-ist-Geil-Mentalität bei den Entscheidern und Bildungsnotstand unter den Planern und Installateuren schaukeln einander hoch.« Fehlende gesetzliche Regelungen förderten diese Entwicklung zu Lasten der Qualität des Verkabelungssystems. Um solchen im ausbildungsfreien Raum entgegenzuwirken, mache sich die BdNI für ein Gütesiegel stark.

Co-Moderator Stiel schaut auf den globalen Markt und wundert sich: »Wie soll ein solches Gütesiegel in China bei einer Sub-Sub-Sub-Vergabe in Geiz-ist-Geil-Mentalität greifen? Gerlach plädiert für kleine Schritte. »Es wäre schon viel gewonnen, wenn wir das BdNI-Gütesiegel in Deutschland hätten. Denn wir haben hier mit Blick auf geschirmte Systeme und Anlagen einen technologisch sehr anspruchsvollen Markt.«

Klotzbücher verweist darauf, dass alle Schulungsinhalte in Form adäquater Mess-Tools und Methoden präsent seien, einschließlich einer qualifizierten Abnahme des Verkabelungssystems. Er blickt in die USA: »Dort schreibt das Bildungsprogramm der BICI das Level der Qualifizierung vor. Nicht nur das: Dieses Niveau muss Jahr für Jahr von den Planern und Installateuren nachgewiesen werden.« Ein solches Bildungsprogramm oder Gütesiegel wünscht er sich auch für Deutschland.

„Wo ist die Schulungssensibilität am geringsten?«, fragt Stiel in die Runde. »Bei den Planern, Installateuren oder in den Unternehmen?«

»Dieses Manko geht vom Kunden aus und durchzieht die gesamte Ausführungskette«, moniert Niethammer. Tyco Electronics behelfe sich in dieser Situation durch eigene Schulungen für Planer und Installateure, schon um über zertifizierte Kräfte eine Performance-Garantie von 25 Jahren einräumen zu können. Doch selbst diese Langzeitgarantie werde auf dem deutschen Markt kaum angenommen, stellt er enttäuscht fest. Das liege auch daran, dass man nur die Techniker anspreche.

»Genau das ist das Problem«, stimmt Klotzbücher zu. »Wir sprechen unsere Kunden in der Hierarchie ziemlich weit unten an. Das Unternehmensmanagement erreichen wir nicht.« Schleider wundert sich ob des mangelnden Schadensbewusstseins in den Unternehmen, wenn das Netzwerk plötzlich steht. »Erst wenn solche Schadensszenerien das Management wachrütteln werden, wird sich am Status quo der Ansprache etwas ändern.«

Adamski von SMC Networks spricht in diesem Zusammenhang von »Learning bei Schmerzen«. „Bis dahin werden Gespräche um die Qualität der passiven und aktiven Netzwerk-Infrastruktur von den Kunden mit Blick auf die Zusatzkosten weiterhin abgewiegelt werden.« Auch die fortschreitende Standardisierung habe diese Haltung gefördert: rein stellen, anstellen, geht. Nur genau das, so der SMC-Networks-Director, werde mit 10G nicht mehr funktionieren. Für ihn stellt sich die Frage, wer die Power hat, den Unternehmen auf dem Spartrip das klarzumachen.

Hannes Bauer, Technischer Leiter bei Microsens, kann die Haltung der Unternehmen nachvollziehen: »Als Telekommunikationsdienst können die Kosten der 10-Gigabit-Technologie (STM-64/OC-192) auf viele User umgelegt werden.« Beim LAN-Einsatz von 10 Gigabit sei das anders. »Er muss sich über deutlich weniger Nutzer amortisieren.« Außerdem sei der Leidensdruck in den Unternehmen gering, weil sie bereits Fast-Ethernet, teils 1 Gigabit, an den Endgeräten bereitstellten.

Timur Özcan, Leiter der technischen Abteilung für Managed-Services bei Brain Force, fühlt sich als Vertreter eines Systemhauses dennoch in der Informationspflicht. »Wir versuchen, unsere Kunden aufzuklären.« Aber auch er winkt ab: »Ihre Bereitschaft, für qualitativ höhere Leistungen zu zahlen, ist kaum vorhanden. Nicht einmal die Beratung hinsichtlich möglicher Folgen und Schäden vermag zu sensibilisieren.« Denn die meisten Unternehmen sehen mittlerweile die Herausbildung der Netzwerk-Infrastruktur wie den Neukauf eines Autos an: einsteigen und abfahren.

Ob nicht in der Produktion die Sensibilität für mehr Qualität größer sei, will Stiel wissen.

Klotzbücher erkennt das dort schon. »Hier ist man gewohnt, in Qualitätsmaßstäben zu denken. Entsprechend werden im Produktionsbereich höhere Preise für mehr Qualität bezahlt.« Außerdem fürchte man dort Ausfälle, weil die Schadenszahlen dafür auf dem Tisch lägen.

Für andere ablaufsensible Bereiche wie Rechenzentren beobachtet Schleider: »Die Kommunikation wird bald wortkarg, wenn wir auf mehr Qualität für eine höhere Ausfallsicherheit hinweisen.« Schließlich würden die günstigsten Verkabelungskomponenten genommen. »Die wiederum werden aus irgendwelchen Dokumentationen abgeleitet, unabhängig davon, wie alt sie sind und von wem sie stammen.« Das gehe in den Rechen- und Datenzentren zu Lasten der Qualität. Hüsch zeigt auf den Qualitätsstandard ISO 177990 für Rechen- und Datencenter, inklusive der Vorgabe von Qualitätsstufen. »Befolgt werden sie jedoch selten. Erst wenn es richtig wehgetan hat, ist plötzlich das Geld für eine Qualitätssicherung da, sogar über alle Protokollebenen bis hin zur Schicht 7.«

Entsprechend erschreckend fallen nach Schleider auf Grund des falsch verstandenen Sparkurses die Messtechnik und Permanent Link-Messungen aus. »Mess-Spitzen mit begrenzter Lebensdauer werden nicht ausgetauscht. Die Messgeräte werden nicht kalibriert. Software-Updates werden nicht aufgespielt.« Geprüft werde mit »ausgelutschten« Messstrippen. »Danach wundert sich das Unternehmen über die Messergebnisse und beruft unter anderem den Hersteller zum Rapport auf die Baustelle.« »Wir müssen unbedingt den Planern diese Zusammenhänge klarmachen«, betont Hüsch – »und zwar, bevor das Kind in den Brunnen gefallen ist.«

Zumal die Luft mit 10 Gigabit laut Gerlach immer dünner wird. Er sieht für die Unternehmen die Stunde der Wahrheit mit der Multimedia-Verkabelung, Triple- und Quadruple-Play sowie eine umfassende Konvergenz näher rücken. »Alle diese Ströme werden zunehmend flusskritischer, bis hin zur Synchronität zwischen der Bewegtbild-Ausgabe und simultaner Sprachausgabe.«

Niethammer signalisiert, dass man als Hersteller einerseits mit Real-Time-Monitoring des Verkabelungssystems gegenüber solchen Anforderungen Position bezogen habe. »Darüber wird ad hoc erkannt, welcher Switch an welchem Port des Patch-Pannels hängt, ebenso wenn Patch-Kabel neu gesteckt werden.« Andererseits sei der Erfolg solcher Lösungen in Deutschland bescheiden. »Security hat viel Geld abgeschöpft«, schätzt Klotzbücher ein. »Denn das Sicherheitsthema hat das Management gehörig sensibilisiert.« Jetzt fehle die Investitionsbereitschaft für die passive und aktive Infrastruktur, mutmaßt er.

BdNI-Sprecher Gerlach fordert die Teilnehmer auf, auf die Entwicklungen der LWL-Seite einschließlich der Messungen einzugehen.