Trübe Prognose

Jeder dritte Händler rechnet bis Jahresende mit Restrukturierung

2. Dezember 2024, 12:30 Uhr | Andrea Fellmeth
© Dmitrieva Lidiya – shutterstock.com

Richtig rosig sind die Aussichten für Händler in Deutschland nicht, wie eine aktuelle Studie von Verian zeigt. Nach einer Selbsteinschätzung sieht sich jeder dritte Händler bis Jahresende in einer Restrukturierung. Viele fürchten, dass Arbeitsplätze abgebaut und Filialen geschlossen werden.

Die Ergebnisse der Verian-Studie zeigen, dass mehr als jeder dritte Händler (36 Prozent) eine Restrukturierung noch bis Ende 2024 umgesetzt oder begonnen haben will. Vier von fünf Einzelhändlern (83 Prozent), die eine Restrukturierung planen, ziehen auch eine strategische Neuausrichtung ihres Unternehmens in Betracht.

Die Hälfte der Befragten berücksichtigt in der Planung gezielt Arbeitsplatzabbau als wichtige Maßnahme, um Kosten zu senken. Zum Vergleich: In der Industrie will jedes vierte Unternehmen (26 Prozent) Jobs streichen.

Insgesamt schätzt der Non-Food-Einzelhandel in Deutschland die wirtschaftliche Lage sogar noch negativer ein als die Industrie. Fast die Hälfte (48 Prozent) der Händler rechnet mit einer schlechteren Geschäftsentwicklung als im Vorjahr (vgl. Industrie: 34 Prozent), 60 Prozent erwarten eine Zunahme von Insolvenzen im Handel (vgl. Industrie: 42 Prozent), jeder dritte Händler (34 Prozent) erwartet eine „Insolvenzwelle“ (vgl. Industrie: 21 Prozent) unter Händlern und Lieferanten. Ein Viertel der Befragten (24 Prozent) sieht sich selbst „existenziell bedroht“, wenn branchenweite Insolvenzen im erwarteten Umfang eintreten (vgl. Industrie: 9 Prozent).

Domino-Effekt durch Insolvenzen

„Insolvenzen können schnell zu einem Domino-Effekt führen: Kunden und Lieferanten brechen weg, Rabattschlachten nehmen zu, Finanzierer werden immer skeptischer und die Attraktivität von Innenstädten sinkt weiter“, sagt Dorothée Fritsch. Sie ist Managing Director und Handelsexpertin bei FTI-Andersch, einer auf Restrukturierung, Business Transformation und Transaktionen spezialisierten Beratungseinheit von FTI Consulting in Deutschland.

„Die ersten prominenten Insolvenzen haben wir bereits gesehen. Jetzt treffen strukturelle Herausforderungen auf die wohl schlechteste wirtschaftliche Lage seit der Wirtschafts- und Finanzkrise. Und das gepaart mit einer anhaltend schlechten Konsumstimmung. Zuletzt sind neben den so genannten Vertikalisten und Plattformbetreibern zusätzlich noch weitere internationale Anbieter aggressiv auf den deutschen Markt gedrängt. Das Ergebnis: An einer Marktbereinigung wird kein Weg vorbeiführen“, sagt Fritsch.

„Netto werden Jobs im Handel wegfallen“

Ein Drittel (36 Prozent) der Handelsunternehmen, die sich bereits in der Restrukturierung befinden, baut bereits aktiv Arbeitsplätze ab. Die Hälfte (50 Prozent) der Befragten, die aktuell eine Restrukturierung ins Auge fassen, plant eine Personalreduktion. Die größte Hürde für eine erfolgreiche Neuausrichtung ist gleichzeitig: das Halten und Rekrutieren von Arbeitskräften – das haben 84 Prozent der Handelsunternehmen angegeben, die aktuell eine Restrukturierung durchführen oder planen. Dabei stößt vor allem der Handel im Vergleich zur Industrie auf größere Herausforderungen. Denn bei denjenigen, die bereits in der Restrukturierung sind, haben dies sogar 91 Prozent angegeben. In der Industrie sehen das Problem des Haltens und Neu-Rekrutierens mit zwei Drittel (66 Prozent) der Befragten deutlich weniger.

„Am Point of Sale benötigt der Handel Verkäuferinnen und Verkäufer mit einer höheren Qualifikation, um den gestiegenen Kundenansprüchen gerecht zu werden. Um diese Top-Leute werben alle, und der Personalmangel wurde im Zuge der Corona-Pandemie nachhaltig verschärft“, sagt Analystin Fritsch. „Zudem fehlen Experten und Expertinnen für Digitalisierung, Supply Chain Management und Innovation.“

 


  1. Jeder dritte Händler rechnet bis Jahresende mit Restrukturierung
  2. Und noch eine Herausforderung: Refinanzierung

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