Eine weitere zentrale Herausforderung stellen aus Sicht der Händler Refinanzierungen dar. Dies ist einerseits auf das aktuelle Zinsumfeld zurückzuführen, andererseits auf gestiegene Anforderungen der Finanzierer infolge des strukturellen Marktwandels. Entsprechend stoßen zwei Drittel der Händler (66 Prozent) auf große beziehungsweise sehr große Herausforderungen, während dies in der Industrie weniger als die Hälfte (45 Prozent) der befragten Unternehmen angeben. Dennoch kommuniziert die Hälfte (48 Prozent) der kurzfristig zu refinanzierenden Handelsunternehmen nicht verstärkt mit den jeweiligen Finanzierern.
Weitere Maßnahmen, die Händler in der Restrukturierung jetzt angehen wollen: Bereinigung des Portfolios (92 Prozent), verstärktes Liquiditätsmanagement (67 Prozent) und Rückstellung von Investitionen (jeweils 58 Prozent), Verringerung der Einkaufsmengen/Vorordervolumina (42 Prozent), verstärkte Abverkaufsmaßnahmen (50 Prozent). An Filialschließungen arbeiten zwar aktuell nur neun Prozent der Befragten, 17 Prozent wollen dies aber bei weiteren geplanten Maßnahmen angehen. 83 Prozent der Unternehmen mit Restrukturierungsplänen ziehen eine strategische Neuausrichtung in Betracht, 64 Prozent derjenigen, die sich bereits in der Restrukturierung befinden, arbeiten daran.
„Stabilisierung und konsequente Neuausrichtung müssen jetzt gleichzeitig stattfinden. Sonst verlieren die Unternehmen zu viel Zeit, die sie nicht mehr haben“, sagt Dorothée Fritsch. „Die Unternehmen müssen jetzt grundsätzlich erarbeiten, wie eine stabile Neuaufstellung aussehen kann. Dazu gehört nicht nur eine Portfolio-Bereinigung, sondern ein grundsätzliches Infragestellen von Strategie, Strukturen und aller Prozesse hinsichtlich ihres Wertbeitrags. Besonderes Augenmerk sollte dabei auch auf Portfolio und Kanäle gelegt werden.“
Immerhin: Jeder fünfte (20 Prozent) Händler prüft bereits eine mögliche Übernahme strauchelnder Wettbewerber beziehungsweise Lieferanten. 68 Prozent arbeiten an einem Ausbau der Kunden- und Partnerbasis außerhalb der bestehenden Märkte, 48 Prozent führen aufgrund der Marktlage jetzt intensiv ein Screening ihrer Lieferanten durch. Nur jeder zehnte Befragte untersucht auch seine Vermieter auf wirtschaftliche Gesundheit.
„Es wird stark erkennbar sein, wer für diesen Sturm gut gerüstet ist. Diese Händler haben bereits zuvor auf erfolgreiche und innovative Verkaufsformate, ein fokussiertes Sortiment, ein gutes Zusammenspiel von Fläche und profitablen digitalen Kanälen, die richtige Lage und ein positives Kundenerlebnis abgestellt“, sagt Dorothée Fritsch.
Fritsch ist überzeugt, dass es Erfolgsfaktoren im Markt gibt; zum Beipsiel würden mit den wichtigsten Lieferanten gemeinsam neue Belieferungsmodelle entwickelt. Wie in jeder Krise würde es darum auch hier Gewinner geben, allerdings deutlich weniger als Verlierer. Sie rät, einen kühlen Kopf zu bewahren, einen Plan zu entwickeln, genau zwischen kurz- und langfristigen Maßnahmen zu unterscheiden. Und endlich die Transformation in Angriff zu nehmen, die in zu vielen Fällen in den letzten Jahren zu kurz kam.
Über die Untersuchung von Verian:
Das Marktforschungsunternehmen Verian (früher: Kantar Public) hat im Auftrag der Unternehmensberatung FTI-Andersch im Rahmen der Studie „German Economic Pulse 2024“ 200 Unternehmen in Deutschland aus den Branchen Automobil, Maschinen- und Anlagenbau, Konsumgüter und Handel telefonisch zu aktuellen Themenstellungen um wirtschaftlichen Ausblick, Restrukturierung, Insolvenzen, Refinanzierungen und sonstigen strukturellen Herausforderungen befragt. Der Umsatz der Unternehmen beträgt mindestens 50 Millionen Euro. Rund ein Viertel der befragten Unternehmen erwirtschaften im Jahr mehr als 500 Millionen Euro.