Einsparungen, Skalierbarkeit, sichere Lieferketten – die Versprechen einer No-Code-Cloud sind viele. Eine solche PaaS-Lösung soll auch Nutzern ohne Programmierkenntnisse dazu befähigen, Anwendungen, Integrationen oder Websites zu erstellen.
Wenn Daten der Treibstoff für Unternehmen sind, ist für deren Erfolg nicht nur die Datenqualität ausschlaggebend, sondern auch die Qualität der Verarbeitung, also der Motor, um im Bilde zu bleiben. Die meisten Unternehmen betreiben und warten diesen Motor nicht mehr selbst, sondern nutzen ein Aggregat in der Cloud. Die Motoren, also die Cloud-Angebote, unterscheiden sich allerdings stark voneinander und können nicht selten die in sie gesetzten Hoffnungen nicht erfüllen. Kolbenfresser sind nicht ausgeschlossen.
Die Vorstellung, dass Cloud Computing Rechenleistung und Speicherkapazität wie Strom aus der Steckdose liefert, erscheint zunächst überzeugend. Sie ist jedoch irreführend. Während es sich für Privatpersonen zumeist recht einfach gestaltet, Cloud-Anwendungen wie E-Mail oder Storage-Plattformen zu nutzen, ist die Nutzung von Cloud-Anwendungen für Unternehmen meist eine Herausforderung. Denn der Einsatz der Cloud für geschäftliche Zwecke kann genauso komplex sein wie die Nutzung herkömmlicher Software im eigenen Rechenzentrum, es sei denn, das Unternehmen verfügt über das erforderliche interne Know-how. Anwendungen für das Lieferkettenmanagement, die Produktentwicklung oder den Kundenservice können zwar problemlos in der Cloud betrieben werden, müssen aber individuell an die spezifischen Anforderungen jedes Unternehmens angepasst werden. Diese Anpassungen sind ein kontinuierlicher Prozess, der viel Zeit und Expertise erfordert. Beide Ressourcen sind für Unternehmen derzeit ein knappes Gut, insbesondere aufgrund des Fachkräftemangels. Laut Statista hat fast ein Drittel der Personalverantwortlichen Schwierigkeiten, DevOps-Spezialisten zu rekrutieren, und 68 Prozent der Unternehmen sehen die Notwendigkeit, die Fähigkeiten ihrer IT-Mitarbeiter zu verbessern.
Ein Ansatz im Bereich Cloud Computing ist die sogenannte „No-Code Cloud“ (NCC), die ebenjene Herausforderungen adressiert. Die No-Code-Cloud ist eine Platform-as-a-Service (PaaS)-Lösung, die es den Nutzern ermöglicht, Anwendungen, Automatisierungen, Integrationen, Websites und Workflows ohne Programmierkenntnisse zu erstellen, bereitzustellen und zu verwalten. Eine solche Plattform verwendet in der Regel eine nutzerfreundliche Drag-and-Drop-Oberfläche und andere visuelle Tools, die es auch Personen mit begrenzten technischen Kenntnissen ermöglichen, maßgeschneiderte Anwendungen zu erstellen und Geschäftsprozesse im Do-it-yourself-Verfahren zu automatisieren.
Die No-Code-Entwicklung ist visuell gesteuert und ermöglicht es Unternehmen, maßgeschneiderte Anwendungen und mit wenig Ressourcen zu erstellen. Gartner prognostiziert, dass bis 2024 65 Prozent aller App-Aktivitäten auf No-Code-Entwicklung zurückzuführen sein werden.
Eine NCC soll die Applikationsentwicklung ohne spezielle Programmierkenntnisse mit der Flexibilität und Leistungsfähigkeit der Cloud kombinieren. Der No-Code-Ansatz ist eine Weiterentwicklung der Low-Code-Methode. Anders als bei der herkömmlichen Programmierung kommen bei Low-Code-Verfahren vorgefertigte Standard-Softwaremodule statt individuell erstellter Programmcodes zum Einsatz. Über Metadaten werden diese so verknüpft, dass das gewünschte Programmverhalten erreicht wird. Der No-Code-Ansatz führt diese Methodik konsequent weiter, und eine No-Code-Plattform abstrahiert die Softwareentwicklung komplett von einer Programmiersprache, inklusive Logik und Syntax. In der grafischen Benutzeroberfläche stellen verschiedene Objekte, Elemente und Komponenten jeweils bestimmte Aufgaben dar. Die Anwender kombinieren diese Objekte lediglich so, dass eine bestimmte Anwendung entsteht.
Bei einer NCC befindet sich die gesamte No-Code-Entwicklungsumgebung in der Cloud. Auch die neuen Anwendungen laufen in dieser Cloud. So vermeiden Unternehmen sowohl eine Überdimensionierung der Systeme, die in der Praxis häufig die Kosten in die Höhe treibt, als auch eine suboptimale Performance der neuen Apps aufgrund unzureichender Ressourcen.
Gerade angesichts der Turbulenzen der letzten Jahre mit Engpässen und langen Wartezeiten hat sich gezeigt, wie wichtig ein zuverlässiges und flexibles Supply Chain Management ist. Diese Verwerfungen betrafen nahezu alle Branchen. Durch den Einsatz einer No-Code-Cloud können die komplexen Prozesse in der Lieferkette automatisiert und verwaltet werden, wodurch das Fehlerrisiko reduziert und die Gesamteffizienz gesteigert wird. Besonders bemerkenswert ist, dass auch technisch weniger versierte Mitarbeiter bei Bedarf Änderungen an den Steuerungssystemen vornehmen können.
No-Code-Plattformen ermöglichen es Teams, Anwendungen und Workflows zu erstellen, bereitzustellen und zu verwalten, wodurch der Zeit- und Ressourcenaufwand für die Einführung neuer Projekte reduziert wird. Dadurch können insbesondere Unternehmen aus dem Fertigungsumfeld ihre Produkte schneller auf den Markt bringen und sich einen Wettbewerbsvorteil gegenüber der Konkurrenz verschaffen.
Auch die Erstellung benutzerdefinierter Anwendungen zur Überwachung und Verwaltung von Qualitätskontrollprozessen ist mit Hilfe von No-Code-Plattformen möglich. So können sie sicherzustellen, dass ihre Produkte den höchsten Standards entsprechen. Speziell für Unternehmen, die regelmäßig neue Produkte entwickeln und auf den Markt bringen, ist die Anpassbarkeit der Qualitätskontrollmechanismen ein entscheidender Vorteil. Jedes Produkt erfordert spezifische Maßnahmen, damit dessen Qualität vom Unternehmen gewährleistet werden kann, und No-Code-Lösungen ermöglichen eine flexible Anpassung genau dieser Prozesse.
Der No-Code-Ansatz reduziert den Bedarf an technischen Spezialisten erheblich, da andere Teammitglieder Aufgaben übernehmen können, für die normalerweise Entwickler benötigt würden. Dies führt nicht nur zu Einsparungen bei den Arbeitskosten, sondern verringert auch den Bedarf an laufender Wartung und Support.
Unternehmen können problemlos neue Anwendungen, Integrationen, Websites und Workflows entwickeln und implementieren, ohne zusätzliches technisches Personal zu rekrutieren oder in eine neue Infrastruktur investieren zu müssen. So können sie bei Bedarf schnell und effizient skalieren, wenn das Unternehmen wächst.
Die Nutzung einer No-Code-Plattform ist nicht auf IT-Spezialisten beschränkt, sondern ermöglicht eine bessere Zusammenarbeit und Kommunikation innerhalb und zwischen Teams. Der Austausch von Daten in Echtzeit und die gemeinsame Arbeit an Projekten steigern die Effizienz und verbessern das Arbeitsklima. Es ist jedoch wichtig anzumerken, dass mit Hilfe einer No-Code-Plattform nicht alles ersetzt werden kann, was eine moderne IT bietet. Vielmehr harmonisiert sie die Art und Weise, wie zusammengearbeitet wird, um bessere Ergebnisse zu erzielen. Unternehmen werden dadurch widerstandsfähiger und unabhängiger.
Der Sicherheitsaspekt bei der Nutzung der No-Code-Cloud ist innerhalb der Branche umstritten. Kritiker befürchten, dass Fehler und Sicherheitslücken auftreten könnten, wenn Laien Anpassungen vornehmen dürfen. Es gilt allerdings zu beachten, dass manuell erstellter Code einer Anwendung oft ein größeres Sicherheitsrisiko für eine Organisation darstellt als eine No-Code-Anwendung, die von einer Plattform bereitgestellt wurde. Zweifelsohne ist es im Falle der No-Code-Cloud dennoch wichtig, dass Unternehmen einen etablierten Anbieter wählen, der seine Zuverlässigkeit und Know-how durch Referenzen belegen kann.
Obwohl die No-Code-Cloud für viele Unternehmen ein relativ neues Angebot ist, war es einigen Early Adopters bereits möglich, positive Effekte bei Skalierbarkeit und Flexibilität zu erzielen. Der einfache und direkte Ansatz der No-Code-Plattform hat das Potenzial, das ursprüngliche Versprechen der Cloud auf Vereinfachung zu erfüllen – und das ohne Kolbenfresser.
Orli Shahidi, Account Manager, Getronics Deutschland