Vom Saulus zum Klimapaulus
Entdeckt am Ende noch die Börse einen neuen »grünen« Markt? Hat sie schon längst – wie einem bemerkenswerten Brandbrief von Larry Fink Anfang dieses Jahres zu entnehmen ist. Der Chef von Blackrock, mit sagenhaften 7,5 Billionen Dollar größter Vermögensverwalter der Welt, schreibt darin seinen Topmanagern, sich doch bitte aus Invests mit hohen Umwelt- und Klimarisiken zurückzuziehen und fordert sie auf, Pläne vorzulegen, wie sie zu mehr Nachhaltigkeit kommen wollen. Der CEO, dessen Gelder bis heute große Öl-, Kohle-, Gas-Projekte und Fracking weltweit finanzieren, klinge »plötzlich wie ein Sprecher von Greenpeace«, so Marie-Luise Wollf in ihrem kritischen Buch über Digitalisierung. Vom Treiber der Klimakrise zum Retter der Umwelt? Jedem Saulus seinen Paulus.
Während manche Politiker indes weiter ungeniert die Ergebnisse der Wissenschaft zum Klimawandel öffentlich ignorieren und alles tun, um die umweltschädigenden Geschäftsmodelle ihrer Klientel aus dem fossilen Energiezeitalter so lange wie möglich zu konservieren, haben viele CEOs und ihre »Sustainability / Social Responsibility Officer« längst Pläne für eine Energiewende ihres Konzerns in der Tasche. Die konkreten Ziele spiegeln sich in ihren Nachhaltigkeitsberichten wider. Der darin beschriebene Status Quo soll nicht nur die Einhaltung gesetzlich auferlegter Umweltschutzpflichten dokumentieren, sondern der Politik auch signalisieren, man tue mehr als verlangt werde und brauche keine weitere Regulierung.
Genug ist nicht genug für Microsoft
Klimaneutral arbeiten bis 2030, so machen Apple, Google oder Microsoft Schlagzeilen. SAP will fünf Jahre früher die vollständige Dekarbonisierung erreicht haben, auch Hoster OVH will seine 400.000 Server in 31 Ländern vollständig mit erneuerbarer Energie betreiben und bis 2030 schließlich Netto-Null-Emissionen erreichen. Amazon will erst 2040 CO2-frei werden. Einig sind sich alle CEOs, dass der grüne Weg vor allem ein schwerer sein wird, weil zum Teil neue Technologien notwendig sind, die erst noch erfunden werden müssen. »Netto-Null«, so Microsoft, »ist ein ambitioniertes, ja sogar kühnes Ziel, aber eines, das laut Wissenschaft für uns und die nachfolgenden Generationen überlebenswichtig ist«. Doch genug ist nicht genug für Klassenprimus Microsoft.
Kühne grüne Visionen reicht den Redmondern nicht, man will auch bei der Rettung der Erde den Wettbewerb deklassieren. Microsoft will bis 2030 CO2-negativ erreichen, »also mehr Kohlendioxid aus der Atmosphäre entfernen, als wir verursachen« und bis 2050 »werden wir den gesamten Kohlenstoff aus der Atmosphäre entfernen, den Microsoft seit seiner Gründung im Jahr 1975 entweder direkt oder durch seinen Stromverbrauch emittiert hat«, so das offizielle Ziel.
Außerdem will Microsoft seine Technologie-Lieferanten und Kunden auf dem Weg zur Senkung ihres CO2-Fußabdrucks unterstützen. In einen neuen Klima-Innovationsfonds bringt Microsoft einer Milliarde Dollar ein, um Technologien zur Reduzierung, Bindung und Beseitigung von Kohlenstoffdioxid zu fördern. Ökologie ist Energiewende, wird ein riesiger Markt, auf dem alte und neue Player weltweit Hundertausende neue Jobs schaffen können.
Nur wer beide Augen fest verschließt vor den jetzt noch möglichen Optionen und Chancen, die der grundlegende Umbau des Energiesektors eröffnet, wird weiter von Alternativlosigkeiten reden.