Komponenten-Disti Bell IT

»Wir sind konkurrenzlos im Markt«

20. Februar 2020, 16:39 Uhr | Martin Fryba
In Asien informieren sich Andreas Kürzinger (3.v.l) und Tim Bufé (4.v.l.) regelmäßig über neueste IT-Trends
© Bell IT

Hört, hört! Was ganz schön selbstbewusst klingt, ist auch so gemeint von Andreas Kürzinger und Tim Bufé. Vor allem mit »Recertified«-Festplatten hält Bell IT den Wettbewerb nicht nur auf Distanz, es gäbe ihn hier schlichtweg nicht. Nach Sterben im Komponentenhandel sieht das nicht aus.

An diesem Freitag ist es soweit. Komponenten-Distributor Bell IT hat das Projekt »Aying II« fertig gestellt und verfügt ab sofort über mehr Büro- und Lagerfläche im schönen oberbayerischen Aying. Dem weiteren Wachstum des rund 30 Mitarbeiter zählenden Grossisten steht nun nichts mehr im Wege. Über den Geschmack des gleichnamigen Biers, das hier, 25 Kilometer südöstlich von München, gebraut wird, kann man streiten. Über den Erfolg der Familienbrauerei, die es seit 142 Jahren gibt, eher nicht: Über 1.500 Brauereier gab es 1960 in Bayern, knapp 650 sind es heute, und die Zahlen steigen wieder leicht dank dem Trend zur Craft-Brauerei.

 

Die Nische wird leicht übersehen, wenn Analysten-Auguren mit ihrer Verhaftung in der Economy of Scale-Denke immer nur von ganz oben auf ein Marktsegment blicken und ihr Standardrepertoire abspulen, wonach die Großen die angeblich nicht überlebensfähigen Kleinen schlucken. Das soll gleichermaßen für das Bier-Business wie für die Broadline-Distribution gelten, doch keine Regel ohne Ausnahme.


Spezialität von Bell IT: Recertified
Andreas Kürzinger und Tim Bufé hatten es sich noch gut ein Jahr angeschaut, was da nach der Übernahme ihres Arbeitgebers, des Storage-Distributors Bell Microproducts,  2010 durch Avnet passierte. Nichts Gutes jedenfalls für jene, die nach solchen Marktbereinigungen wegrationalisiert werden oder freiwillig gehen. Kürzinger und Bufé beschlossen, auf eigene Rechnung  den Komponentenhandel aufzuziehen und gründeten im Sommer 2011 die Bell IT GmbH. Beide waren damals Anfang 30 und besaßen bereits beste Kontakte zu Herstellern wie LiteOne/Plextor und Western Digital. Doch einfach nur Festplatten handeln,  hätte nicht geklappt. Die beiden Jungunternehmer setzten von Anfang an auf eine Spezialität: Recertified.
Rückläufer also, die vom Hersteller repariert, getestet und mit Garantie versehen wieder in die Vermarktung gegeben werden. Es können aber auch Neuwaren aus Restbeständen oder Umverpackungen sein.


»Wir sind als Partner der Hersteller für diese Recertified-Produkte zertifiziert. In der Größenordnung, wie wir das Geschäft betreiben, gibt es keinen zweiten Distributor auf der Welt«, sagt Andreas Kürzinger selbstbewusst. 40 Millionen Euro erwirtschaftet der oberbayrische Grossist mit seinen mittlerweile rund 20 Herstellern. Das Einsparpotenzial läge bei 20 bis 30 Prozent gegenüber Neupreisen, jenachdem, ob Reseller Consumer- oder Enterprise-Produkte ordern. Das Portfolio ist stetig gewachsen, auch Netzwerkprodukte und Zubehör vertreibt Bell IT mittlerweile.


Konkurrenzlos? Wo kein Wettbewerb, da kein Markt!
500 Händler zählen zu den Kunden: Systemhäuser, Retail und Etail,  Fachhändler sowie Server- und PC-Hersteller. In Los Angeles und Singapur ist man mit jeweils einer Kontaktperson vertreten. Dort unterhält Bell IT auch Lager.


Conrad.de beispielsweise verkauft Synology-NAS im Bundle mit recertified Festplatten. Lose Produkte wie HDDs sind erkennbar am Kürzel »FR« für »Factory Recertified« am Ende der Hersteller-Teilenummer. »Die Platten werden nicht von irgendwelchen Drittbuden wiederaufbereitet, sondern vom Hersteller selbst«, korrigiert Kürzinger Vorbehalte, die es gegen Refurbished-Ware immer noch gibt. »Das ist Green IT und ein Beitrag zur Nachhaltigkeit von IT-Produkten«, ergänzt er um das sicher wichtiger werdende ökologische Verkaufsargument. Zudem gibt es Kunden, die exakt dieselben Produkte kaufen wollen, die es aber zwei oder drei Jahre nach Markteinführung nicht mehr gibt. Bell IT kann hier unter Umständen helfen.


Rund 100 Einzelsendungen und 20 Paletten verlassen täglich das Bell IT-Lager in Aying. Dass es mehr werden, dafür haben Andreas Kürzinger und Tim Bufé mit dem Ausbau von Büro- und Lagerfläche nun gesorgt. »Wir sind absolut profitabel. Wir müssen uns bei den Margen nicht die Köpfe einhauen, denn wir sind konkurrenzlos im Markt«, betont Kürzinger.


Ökonomen sagen bekanntlich: Wo es keinen Wettbewerb gibt, gibt es auch keinen Markt. Womöglich gibt es aber doch einen, nämlich in der Nische einer Nische des Komponentenhandels. Aber so genau blicken Analysten-Auguren dann doch nicht auf den Markt.

 


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