funkschau: Und wie kann sich das in Zukunft ändern?
Oetjen: Manches, wie die Terminauswahl beim Amt, funktioniert bereits digital, die fehlende Identitätsprüfung ermöglicht aber Missbrauch und für die Einreichung von Unterlagen ist immer noch der für den Bürger aufwändige und für die Verwaltung teure Gang zur Behörde erforderlich. Hinzu kommen umständliche papiergebundene Prozesse. Mit De-Mail beziehungsweise dem europaübergreifenden eIDAS-Standard besteht jetzt die Grundlage, eine serviceorientierte digitale Verwaltung zu etablieren und die Prozesse für die Bürger zu vereinfachen. In einigen Bereichen wie bei der Deutschen Rentenversicherung sind bereits gute Ansätze zu sehen. Diesen Weg gilt es nun, koordiniert und beherzt umzusetzen. Dafür muss der Staat seine Behörden in die Pflicht nehmen und als starker Koordinator in der föderalen Verwaltungsorganisation agieren. Denn sonst entsteht ein regionaler IT-Flickenteppich, der eines Tages teuer zu konsolidieren sein wird.
funkschau: Wie schätzen Sie in diesem Zusammenhang die eIDAS-Verordnung ein, die dafür sorgen soll, dass europaweit rechtsverbindlich digital kommuniziert werden kann?
Oetjen: Die eIDAS-Verordnung bedeutet eine Neuordnung der digitalen Verkehrsregeln auf dem europäischen Briefmarkt. So wird es künftig beispielsweise möglich sein, rechtsverbindlich digitale Vertragsdaten innerhalb der EU auszutauschen. Durch die Standardi-sierung und technische Spezifikationen wird dabei ein europaweit einheitliches Sicherheitsniveau für elektronische Transaktionen geschaffen und die nationalen Unterschiede aufgehoben, was vor allem für international agierende Firmen ein wichtiger Faktor ist.
funkschau: Trotz des E-Mail-Booms: Nur jedes fünfte deutsche Unternehmen überprüft seinen Erfolg durch den digitalen Kommunikationskanal über die erfolgreiche Zustellung hinaus. Was können Unternehmen besser machen?
Oetjen: Entscheidend ist, die Kundenschnittstelle als Interaktion zu verstehen und bei jedem Schritt zu versuchen, die Wirkung zu messen. Eine individuelle Kundenansprache entlang der kompletten Customer Journey ist der zentrale Erfolgsfaktor. Dabei spielt die Personalisierung statt der üblichen Massen-Mailings eine wichtige Rolle. Ein guter E-Commerce-Anbieter verschickt heute keine Standard-Newsletter, sondern bezieht die Bestellhistorie mit ein. Dies ist ein simples, aber wirksames Marketing-Tool, das nicht nur bei den großen E-Commerce-Anbietern, sondern auch verstärkt bei mittelständischen Spezialversendern zum Einsatz kommt.
funkschau: Wird sich die E-Mail auch in den kommenden Jahren weiterentwickeln?
Oetjen: Wer die Nutzer im Digitaldialog erreichen möchte, hat im Wesentlichen zwei Möglichkeiten: über den Newsfeed sozialer Netzwerke oder per E-Mail. Wer den Weg über die Newsfeeds geht, macht sich von den sozialen Netzwerken abhängig, da diese Netzwerke geschlossene Ökosysteme sind, bei denen der Betreiber entscheidet, was für welchen Preis angezeigt wird. Außerdem muss Marketing-Budget aufgewendet werden, damit die Zielgruppe überhaupt sicher erreicht werden kann. Die E-Mail hingegen ist ein offener Standard, die Zustellung ist garantiert, und sie ist kostenlos. Daher setzen die Social-Kanäle ja so stark auf E-Mail zur Aktivierung und Reaktivierung. Ein großer Treiber für die E-Mail wird die Digitalisierung der Briefpost und der Behördenkommunikation sein.