Ein Kult(ur)objekt der deutschen Telekommunikation wird ausgemustert: Die Telekom demontiert die letzten 30.000 Telefonzellen und verkauft sie ab 450 Euro. Einige Nostalgiker, Künstler und Bastler schenken den Boxen ein zweites Leben als Dusche, Bibliothek oder Tonstudio.
Die Telefonzelle, die seit 1927 offiziell eigentlich »Fernsprechhäuschen« heißt, prägte die Stadtbilder in Deutschland einst ähnlich markant wie die meist auch in ihrer Nähe stehenden Briefkästen. Deshalb verbinden viele Vertreter der etwas älteren Generationen die gelben Boxen noch fest mit ganz speziellen Erinnerungen wie dem ersten Kuss, heimlichen Telefonaten mit der Freundin, Telefonstreichen beim Mathe-Lehrer oder Schutz bei einem Sommergewitter auf dem Land. In Zeiten des allgegenwärtig verfügbaren Mobilfunks sind die Häuschen allerdings nur noch ein aus der Zeit gefallenes Auslaufmodell. Der Generation Smartphone erschließt sich meist schon gar nicht mehr, wozu diese Kästen überhaupt in der Gegend herumstehen – außer vielleicht, um sie mit Graffitis vollzuschmieren. Manch einer von ihnen fragt sich bei ihrem Anblick wohl, wie man bei einem Telefon ohne Touch-Display eine Nummer wählen soll und ob dieser komische große Plastikknochen an der Schnur wohl eine Art Tschako zur Abwehr von Angreifern ist. Dass Telefonzellen auch Vorreiter bei Neuerungen wie Prepaid-Tarifen, Flatrates, Videotelefonie und der Einführung des Hashtags waren, wissen hingegen auch manch eingefleischte Fernsprech-Fans nicht mehr.
Dabei waren die Häuschen einst ein enorm wichtiger Teil der gesetzlich vorgeschriebenen Telekommunikations-Grundversorgung. So wie heute an einigen Standorten über fehlende oder zu langsame Internet- und Mobilfunkverbindungen geschimpft wird, war es dereinst noch ein gesellschaftliches Ereignis, wenn eine Gemeinde endlich einen eigenen Fernsprecher bekam. Nachdem Telefone bis dahin ein absolut seltenes Luxus- und Statusgut waren, begann das Zeitalter der öffentlichen Telefonie in Deutschland 1881 mit dem Aufstellen des ersten »Fernsprechkiosk« im Hauptpostamt in Berlin. Bezahlt wurde per vorab zu kaufenden »Telephon-Billets« für jeweils bis zu fünf Minuten. Damals mussten die Gespräche noch von Hand vermittelt werden, wobei vor allem Frauen zum Zug kamen, da der höhere Frequenzbereich ihrer Stimmen besser zu verstehen war. Und genau wie heute gab es auch damals schon zahlreiche Kritiker, die in der neuen Technologie den Anfang des kulturellen Untergangs sahen sowie zahlreiche wüste Patentstreitigkeiten zwischen Erfindern wie Alexander Graham Bell und Thomas Alva Edison.
Dennoch war der Siegeszug des Telefons nicht mehr aufzuhalten. Durch Weiterentwicklungen wie Münzfernsprecher und die automatische Vermittlung konnten die telefonlose Mehrheit der Bevölkerung ab dem Anfang des 20. Jahrhunderts dann auch in immer mehr Hotels und Gaststätten zum Hörer greifen. Und auch öffentliche Telefonhäuschen im Freien gehörten in den 20er Jahren schon fest zur Grundausstattung jeder Stadt und größeren Gemeinde. Aus dem einstigen »Teufelszeug« war – insbesondere dank dieser rasanten Verbreitung – schnell ein gerne genutztes »radikaldemokratisches Medium« geworden, wie es die Kulturhistorikerin Lioba Nägele vom Museum für Kommunikation in Frankfurt formuliert. Immerhin war es damals noch problemlos möglich, über die Leitungen in den öffentlichen Telefonzellen selbst Politiker oder Stars wie Greta Garbo direkt an die Strippe zu bekommen.