Lars, but not Least

Das Ende der Telefonzelle

15. Juli 2016, 14:51 Uhr | Lars Bube

Fortsetzung des Artikels von Teil 3

Von der Telefonzelle zur Gartendusche

Was die neuen Besitzer mit den alten Telefonhäuschen alles anstellen, ist teilweise sehr interessant. So gibt es beispielsweise einige Audiofanatiker, Musikproduzenten und Sounddesigner, die auf die besonders gute geräuschhemmende Wirkung der gelben Kisten schwören und sie als Mini-Tonstudio auf kleinstem Raum nutzen, in denen etwa Werbespots eingesprochen werden. An anderer Stelle wurden sie auch schon zur stylischen Gartendusche neben dem Pool umfunktioniert. Sogar eine Bibliothek in Karlsruhe hat sich eine der letzten Telefonzellen gesichert und bietet ihren Lesern darin nun eine wetterfeste und immer geöffnete Ausleihstation an. Mehrere Eventfirmen verleihen Telefonzellen zudem als Deko für besondere Anlässe oder haben sie zum Fotoautomaten umgebaut.

Manchmal wird aus den Telefonzellen sogar Kunst. Im österreichischen Linz haben drei Studenten im Rahmen ihres Anti-Rassismus-Projektes »Der Beweis für Dinge, die nicht gesagt wurden« etwa 2010 eines der Häuschen auf der Nibelungenbrücke aufgestellt. Wer sich vom Klingeln hineinlocken ließ und den Hörer darin abnahm, bekam darin Nachrichten über rassistische Zwischenfälle in verschiedenen Städten Österreichs zu hören. Ein anderer Künstler hat ein Telefonhäuschen zu einem Minigarten für gestresste Stadtmenschen auf der Suche nach einem ruhigen Plätzchen umgestaltet: dazu wurde das Häuschen mit moosbelegtem Boden, Klappstuhl, Gießkanne und Panoramabild an der Wand zu einem gerne genutzten Hort der Ruhe für Passanten ausgestattet.

Vielleicht werden solche Projekte und Museen dereinst die letzte Möglichkeit sein, unseren Kindern zu zeigen, was eigentlich eine Telefonzelle ist. Das könnte den Vorteil mit sich bringen, dass die adrett hergerichteten Häuschen in solchen Umgebungen auch unserem verklärten Bild der schönen Telefon-Vergangenheit entsprechen. Denn nur allzu gerne verdrängen wir in unseren Erinnerungen ihre weniger schönen Seiten wie beendete Gespräche durch durchfallende Münzen beim Nachwurf, die zu hektischem reiben (statische Aufladung) führten, Spinnennester in den Ecken, stickige Luft im Sommer oder auch den durchdringenden Urin- oder Schweißgeruch, der die Luft in meisten Telefonzellen prägte. Immerhin wird einem beim Gedanken an solche Unbill wieder bewusst, wie praktisch es doch ist, dass wir heute unser mobiles Telefonhäuschen überall dort aufschlagen und Gespräche führen können, wo es uns gefällt: vom Auto über den Baggersee bis hin zur saftig blühenden Alpenwiese.

Abgesang auf ein Kult(ur)objekt: Die Geschichte der Telefonzelle

Der Vorläufer der Prepaid-Karte: Die ersten Telefongespräche im Fernsprechkiosk des Postamtes mussten minutenweise per Telephon-Billet bezahlt werden (Foto: Bundesarchiv / Wikimedia Commons)
Die Technik im Inneren eines Fernsprechhäuschens aus dem Jahr 1932 würde so manchen Jugendlichen überfordern (Foto: Rosenzweig / Wikimedia Commons)
Telefonzellen auf dem Marktplatz in Wittenberg in den 50er Jahren (Foto: Bundesarchiv)

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  1. Das Ende der Telefonzelle
  2. Die Post wird gelb
  3. Das Aussterben der Telefonzellen
  4. Von der Telefonzelle zur Gartendusche

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