Ein Grundprinzip des Internets ist, dass alle Datenpakete auf ihrem Weg von A nach B gleich behandelt werden. Dieses Prinzip wollte auch das EU-Parlament mit dem Gesetz zur Netzneutralität untermauern, hat dabei aber Schlupflöcher gelassen, die – so befürchten Aktivisten – für eine Zwei-Klassen-Gesellschaft im Internet in Europa sorgen. Ihre Kritik konzentriert sich vor allem auf vier Punkte.
Dazu zählt die Reglung der »Spezialdienste«, die es den Internetprovidern erlaubt, gegen Bezahlung Überholspuren für bestimmte Angebote im Internet einzurichten. Unklarheit herrscht vor allem um die Definition dieser Spezialdienste. Digital-Kommissar Günther Oettinger zählt darunter datenintensive Leistungen wie Internetfernsehen, Gesundheitsleistungen oder Verkehrssicherheitssystemen. Durch die vage Formulierung könnte die Regelung aber auch auf weitere Dienste zutreffen. Die Kritiker befürchten, dass die Telekommunikationsanbieter solche Daten-Überholspuren höchstbietend verkaufen. Bereits einen Tag nach dem Votum hat Timotheus Höttges, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Telekom, diese Befürchtungen bestätigt, indem er eine Beteiligung am Umsatz von Start-ups für eine sichere Netzwerkverbindung ins Spiel brachte. »In Zukunft wird es eben auch die Möglichkeit geben, einen Dienst für ein paar Euro mehr in gesicherter Qualität zu buchen.«
Ein weiterer Kritikpunkt ist die Erlaubnis von sogenanntem »Zero-Rating«. Unter diesem versteht der Gesetzgeber, dass der Datenverbrauch von bestimmten Inhalten, beispielsweise von Streaming-Portalen, nicht auf das Datenvolumen der Nutzer angerechnet wird. Solche Vertragsabsprachen helfen aber in erster Linie den großen Anbietern in der Branche, da sie die finanziellen Mittel haben, um sich entsprechende Vorteile zu erkaufen.
Auch die Erlaubnis, Inhalte basierend auf so genannten Verkehrskategorien schneller oder langsamer zu übermitteln, steht in der Kritik. Die Gleichbehandlung der Daten wird auf diesem Wege ausgehebelt, selbst wenn diese nicht konkret zugeordnet werden können. Ein Beispiel sind Datenpakete, die verschlüsselt und somit nicht einsehbar sind. Darüber hinaus sind solche Kategorien Grundlage einer Wettbewerbsverzerrung, sollten Provider eigene Dienste bevorzugt behandeln.
Als letzten Punkten bemängeln Kritiker die Möglichkeit, dass Anbieter die Übertragungsgeschwindigkeit bei einer »drohenden« Netzüberlastung eigenständig herabsetzen dürfen. Auch hier herrscht Unklarheit darüber, wann dieses Szenario eintritt. Unter anderem zeigen sich die Verfasser des offenen Briefes besorgt darüber, dass die Netzbetreiber diese Drosselung auch jederzeit außerhalb von Engpässen einsetzen könnten.