Das verlangt besondere Fähigkeiten von der Enterprise IT ab. Denn sie müssen sich in der Welt der proprietären Backend-Systeme ebenso gut auskennen wie in der Welt der leichtgewichtigen Cloud-Services. Hier ist spezielles Integrations-Know-how gefragt. Aber nicht nur das: Ebenso wichtig ist auch die Kenntnis ganz unterschiedlicher Cloud-Lösungen.
Denn jede einzelne Lösung hat ihre Stärken und Schwächen, die bekannt sein müssen. So verfügt Microsoft Azure beispielsweise über andere Vorteile als AWS. Hinzu kommen die Lockrufe der Hersteller zu den wirtschaftlichen Vorteilen wie Flexibilität, Skalierbarkeit sowie eine verbesserte Time-to-Market, die den Fokus auf die rein wirtschaftliche Betrachtung legen. Diese löst aber nur einen Teil der Aufgabe. Richtig eng wird es häufig erst, wenn es heißt: Wer kümmert sich darum, dass spezifische Daten aus dem SAP ERP-System für den neuen Workflow auf Sharepoint Online benötigt werden? Oder wenn schnell eine Schnittstelle zwischen Sharepoint-Listen und SAP-Tabellen her muss? Spätestens bei diesen Fragestellungen sind spezielle Datenbank-Kompetenzen gefragt. „Soll ein Transfer zwischen den Geschäftsdaten aus dem proprietären ERP-System und dem Projektteam, welches über Sharepoint Online arbeitet, hergestellt werden, wird es in jedem Fall erst einmal komplizierter,“ stellt Patrick Theobald, Gründer und Geschäftsführer der Stuttgarter Softwareschmiede Theobald Software fest. „Der Bedarf an Skills für die proprietären Systeme wird immer größer, da es immer schwieriger wird, ständig neue Lösungen mit den Silos im Backend in Verbindung zu bringen,“ so seine Beobachtung. Das heißt, man braucht Kenntnisse darüber, wo die Daten liegen, wie eine entsprechende Extraktion funktioniert und auch welchem Anwendungsfall der anschließende Datentransfer entsprechen muss. Simon Alborz vom Personaldienstleister Hays weiß, um welche Kompetenzen es sich dabei genau dreht: „Agiert man im Bereich Multicloud-Szenarien, braucht man vor allem tiefgreifende Kenntnisse im Datenmanagement beziehungsweise im Umfeld von Big Data. Fehlt es an diesem Know-how, kann es schnell zu unerwünschten Redundanzen oder Performance-Einbußen der datenverarbeitenden Systeme kommen.“
Architektonische Sackgassen vermeiden
Seitens der Cloud-Provider werden solche Umstände in ihrer Kommunikation allerdings gern unterschlagen. Für Patrick Theobald steht ein Grund dafür außer Frage: „Die Anbieter sprechen in diesem Zusammenhang lediglich von hybriden Brücken. Sie suggerieren ihren Kunden, man müsse die Applikation aus dem On-Premise-Umfeld einfach nur in die Cloud schieben. Unternehmen, die das glauben, landen dann allerdings schnell in einer architektonischen Sackgasse, denn jeder Cloud-Prozess ist im Grunde auch ein Design-Prozess.“ Und solange die prorietären Systeme noch das Rückgrat der Unternehmens-IT sind, wird umfassendes Integrations-Know-how erfolgskritisch bleiben. Vor allem ist man in den nächsten Jahren noch dringend auf das Fachwissen dieser Infrastruktur-Experten angewiesen, weil IT-Nachwuchskräfte nicht mehr vollumfänglich für den Umgang mit beiden Systemwelten ausgebildet werden. Ausbildungsgänge decken bestenfalls Teilbereiche an dieser Schnittstelle ab.
Aber damit nicht genug: „Kenntnisse im Projektmanagement sowie eine gute Kommunikationsfähigkeit bei der Koordination mit dem Business sind von Vorteil,“ so Simon Alborz. „Der Schnittstellen-Experte sollte stets den Workflow des Anwenders kennen, um sich immer den geschäftlichen Kontext für die unterschiedlich gehosteten Anwendungen vergegenwärtigen zu können. Denn genau dieses Know-how entscheidet am Ende über die Qualität der Integration,“ fasst Patrick Theobald zusammen.
Silvia Hänig, CEO/Communication Strategist/Gender Leadership, Ikom