Über den Einfluss von Mixed-Reality-Technologien wie Augmented und Virtual Reality auf die Arbeit der Mannschaften und Wartungstechniker in industriellen Anlagen.
Heutige Spezialisten in industriellen Anlagen müssen ein breites Anforderungs- und Systemspektrum abdecken. Die Tage, in denen Feldtechniker dabei auf ihre Erfahrungen oder umfangreiches Training zur Erledigung ihrer Aufgaben bauen konnten, sind vorbei. Ihr Arbeitsumfang ist gewachsen und umfasst alte und moderne sowie mechanische und elektronische Systeme. Häufig enthalten diese Systeme spezifische Softwarelösungen, die zusätzliche Kenntnisse erfordern, und das, obwohl gleichzeitig die Aussichten auf Stillstände, Schulungen und Betreuungen abnehmen. Wie also mit den Themen Effizienz, Produktivität und Sicherheit im Feld umgehen, wenn die Spezialisten vor Ort möglicherweise mit dem Tempo, in dem detaillierte Expertisen über System, Prozess und Sicherheit gefordert sind, nicht Schritt halten können? Und wie soll die drohende Kompetenzlücke adressiert werden, wenn erfahrenes Personal in Ruhestand geht und jüngere Mitarbeiter noch nicht ausreichend geschult sind, um die gleichen anspruchsvollen und erweiterten Anforderungen zu erfüllen? Technische Hilfsmittel können hier helfen, nur sollte genau ausgewählt werden, welche davon auch tatsächliche Effekte mit sich bringen.
Das Lernen verändert sich
Während einiger detaillierter Betrachtungen neuer Wege zur Adressierung der Kompetenz im Feld sowie im Rahmen von Gesprächen mit Kunden und deren Mitarbeitern wurde deutlich, dass die Lernmethoden sich über die Jahre zwar wesentlich verändert haben, die Grundlagen in den Industrieanlagen aber weiterhin unverändert geblieben sind: Erstens, die Bedeutung des Lernens über das Vertrauen zu den Ausbildern, zu Fachexperten und Kollegen wird bei zunehmender Komplexität immer wichtiger. Während ein breiteres Spektrum durch den Feldtechniker zu bearbeiten ist und gleichzeitig weniger Zeit für persönliche Schulungen oder andere Interaktionen zur Verfügung steht, fördern die im Rahmen von Industrie 4.0 bereitgestellten Möglichkeiten der Zusammenarbeit eine Verbesserung des sozialen Umfelds und helfen bei der Bearbeitung der Probleme. Zweitens, der Bedarf an praktischen Schulungen wird nicht wegfallen. "Man kann nicht Auto fahren lernen, indem man ein Buch liest", ist ein treffendes Beispiel von Feldtechnikern, um herauszustellen, dass sie in ihrem Bereich mit ihren Händen lernen. Abschließend, die Redensart "wir haben keine Zeit für Schulung" wird immer noch verwendet. Dies galt vor 20 Jahren, und es gilt vermehrt heute, obwohl Qualifikationsdefizite bereits im Feld gesehen werden. Wir haben auch zur Kenntnis genommen, dass die Aussage von Millennials (die Generation nach der Jahrtausendwende) über die Notwendigkeit eines sofortigen Zugangs zu Informationen in allen Altersgruppen anzutreffen ist. Anstatt einer langfristigen Abspeicherung und dem Aufbau der Kompetenz über Jahre hinweg möchte man sofort zum Experten werden: Der Satz "Sag mir, wie ich es machen soll, damit ich weitermachen kann", wurde häufig während unserer Interviews vernommen.
Virtual Reality und Augmented Reality für mehr Lern- und Einsatzeffizienz
Unsere Erfahrungen mit Mitarbeitern in der Industrie haben klar zum Ausdruck gebracht, dass praktische Schulungen gegenüber alternativen Methoden wie dem passiven Beobachten von Ausbildungskräften oder von Lernvideos sowie dem Lesen eines Handbuchs bevorzugt werden. Außerdem besteht ein ausgeprägter Bedarf nach kürzeren, zielgerichteten Anweisungen, die je nach Bedarf abrufbar sind. Virtuelle und erweiterte Technologien sind ideal geeignet, diese speziellen Anforderungen zu erfüllen. Reale und virtuelle Welten verschmelzen miteinander und bilden eine neue Umgebung, in der physische (reale) und digitale (virtuelle) Objekte koexistieren und interagieren. Zusätzlich ermöglichen sie es, den Lernprozess flexibler und kürzer zu gestalten und schneller Ergebnissen zu erzielen. Ein Beispiel für diese Effizienzverbesserung gegenüber konventionellen papierbasierten Lern- und Ausbildungsmethoden liefert der Flugzeughersteller Boeing, der mit AR-basierten Schulungen die Produktivität und Qualität komplexer Fertigungsprozesse verbessert. In einem Versuchsprojekt wurden die Schulungsteilnehmer mit AR-Unterstützung durch die 50 Schritte geleitet, die für die Montage eines 30 Teile umfassenden Abschnitts einer Flugzeugtragfläche notwendig sind. Die Teilnehmer benötigten gegenüber einer Montage mit Hilfe von 2-D-Zeichnungen und schriftlicher Dokumentation 35 Prozent weniger Zeit. Darüber hinaus stieg bei den Mitarbeitern mit keiner oder wenig Erfahrung die Zahl derer, die die Aufgabe beim ersten Mal richtig erledigten, um 90 Prozent.
AR- und VR-Technologien halten zunehmend Einzug in alle Bereiche von Unternehmen, seien es Ingenieure in der Produktentwicklung, die von global verteilten Standorten aus am gleichen, in den Raum projizierten Modell eines Autos arbeiten, das Marketing und der Verkauf, die entsprechende Technologien für die Präsentation von Produkten in verschiedenen Konfigurationen nutzen oder Servicetechniker, die mit Hilfe von virtuellen Schritt-für-Schritt-Anleitungen Geräte und Maschinen im Feld warten und reparieren. Laut IDC könnten die Gesamtausgaben für AR/VR im Jahre 2021 bei etwa 215 Milliarden US-Dollar liegen. Vor allem der Servicebereich ist einer der hauptsächlichen Treiber der technologischen Entwicklung und Adaption, da sich dank der Anleitungen nicht mehr jeder Mitarbeiter detailliert mit den zu wartenden Maschinen auskennen muss und die dicken, zeitraubenden Handbücher und Bedienungsanleitungen entfallen – vor allem in Zeiten des zunehmenden Fachkräftemangels ein möglicher Heilsbringer für die Industrie. Neben dem Servicebereich ist der Bereich Ausbildung einer der weiteren Treiber für AR- und VR-Technologien. Hier ist es vor allem die praktische Interaktion, die den Benutzer in die Lage versetzt, Aufgaben besser zu üben und im Gedächtnis zu verankern als mit konventionellen, passiven Lernmethoden, ohne dabei Kompromisse bei der Sicherheit eingehen zu müssen. Das gilt vor allem für den späteren Einsatz in Bereichen mit einem hohen Gefährdungsgrad. Ebenfalls kann der Einsatz in weit entfernten oder schwer zugänglichen Arbeitsstätten wie Bohrinseln unter realistischen Bedingungen trainiert werden.