Kaum ein Thema stellt Unternehmen derzeit vor größere Herausforderungen als die Digitalisierung: Laut einer aktuellen Studie von Lünendonk verfügen etwa drei Viertel der Organisationen in Deutschland über eine Digitalisierungsstrategie, tatsächlich umgesetzt wird sie allerdings nur von der Hälfte.
Obwohl sie innovativ denken, schaffen es nur wenige Firmen, neue digitale Geschäftsmodelle oder Mehrwertdienste erfolgreich und nachhaltig am Markt zu etablieren. Sie verspielen damit Wettbewerbsvorteile gegenüber neuen, digitalen Anbietern, die ihnen in puncto Effizienz, Agilität und Geschwindigkeit meist voraus sind.
Startschwierigkeiten inklusive
Die Umsetzung der Digitalen Transformation kommt oft deshalb nicht ins Rollen, weil sie sich immer noch stark an klassischen Organisations- und Abwicklungsprozessen orientiert. Sie stehen häufig der notwendigen Agilität im Weg. Darüber hinaus sind Unternehmen gegenüber Partnerschaften mit Technologieanbietern, Beratungs- und IT-Dienstleistern sowie spezialisierten Start-ups noch sehr zurückhaltend. Weniger als 30 Prozent der Betriebe sehen sich einer weiteren Befragung von Capgemini Consulting zufolge als führend im Aufbau von Partnernetzwerken für Digitalisierungsprojekte. Vor allem bei den Themen Internet of Things (IoT), Künstliche Intelligenz (KI) und E-Commerce gehören Kooperationen mit anderen Organisationen jedoch zur Voraussetzung, um Lösungen umsetzen zu können. Unternehmen mangelt es außerdem an Risikobereitschaft, digitale Geschäftsmodelle aufzubauen. Sie befürchten oft eine Kannibalisierung des Bestandsgeschäfts. Selbst eigens ins Leben gerufene Innovationszentren wie Inkubatoren, Accelerator- oder Lab-Programme agieren nicht immer mit strategischer Weitsicht. Sie bieten ihren Start-ups entweder keine klare Perspektive für die Zeit nach dem Programmende oder sie agieren fern von der Konzernzentrale, ohne wirklichen Impact im Kerngeschäft zu erzielen.
Diese Aspekte machen deutlich, dass ein Umdenken nötig ist, um den Wandel in der Organisation nachhaltig umzusetzen. Gerade für etablierte Betriebe heißt das, bestehende Strukturen umfassend zu verändern – dazu zählen die Unternehmenskultur und die IT-Infrastruktur. Neue Wettbewerber aus der Digital Economy haben es hier deutlich einfacher. Ihre neu aufgebauten Strukturen mit ins Business integrierten State-of-the-Art-IT-Tools sind in der Regel frei von Altlasten. Sie sind den anderen meist in puncto Schnelligkeit voraus: Veröffentlicht ein digitaler Anbieter wie Netflix beispielsweise mehr als 1.000 neue Releases pro Monat, kommen etablierte Unternehmen über komplexe IT-Architekturen etwa auf zwei bis vier neue Releases pro Jahr.
Kannibalisierung alter Geschäftsmodelle? Warum nicht!
Die Digitalisierung ist zudem von ihrer Natur her funktionsübergreifend und kann damit nicht allein im Verantwortungsbereich eines CDO oder CIO liegen. Vielmehr steht der gesamte Vorstand in der Verantwortung und ist gerade beim Thema neue digitale Geschäftsmodelle gefordert. Möglicherweise kann es sogar sinnvoll sein, wenn neue Geschäftsmodelle die alten Strukturen kannibalisieren. Wer sich selbst nicht regelmäßig hinterfragt und nicht bereit ist, sich neu zu erfinden, muss damit rechnen, dass neue Wettbewerber in die eigenen angestammten Märkte eindringen.