Dass zahlreiche Sci-Fi-Klassiker mit einem dystopischen Weltbild einhergehen, kommt nicht von ungefähr und ist mitunter gar nicht einmal so weit von der Realität entfernt. Sie spielen oft in der Zukunft und versuchen ein Bild davon zu zeichnen, was passieren kann, wenn Überbevölkerung, Machthunger und Umweltverschmutzung Überhand nehmen. Man denke nur an die Maschinenherrschaft in der „Matrix“-Reihe. Oder an die düstere, überbevölkerte Welt, wie sie sich in „Blade Runner“ darstellt: Tiere sind fast ausgestorben, weshalb es günstiger ist, eine künstliche Kopie zu erwerben. Ein besseres Leben auf fernen Planeten wird versprochen. Hinzu kommt, dass die Menschen allgegenwärtiger Werbung ausgesetzt sind. Diese ständige „Beschallung“ durch Werbung macht sich auch Steven Spielberg in „Minority Report“ (2002) zu Eigen. Neben autonomem Fahren und intuitiven Touchscreens finden sich hier zudem interaktive Digital-Signage-Werbeformen. Es bleibt abzuwarten, inwiefern die Werbeindustrie sich davon inspirieren lässt. Spielberg seinerseits griff bei der Vorbereitung zum Film auf Expertenwissen zurück. Er ließ eine Gruppe von Zukunftsforschern eine Reihe von Szenarien für das Jahr 2054 ausarbeiteten. Die im Film dargestellten Requisiten können daher durchaus als Trendprognosen für künftige Entwicklungen in der IT, dem Automobilbau, der Stadtplanung oder der Robotik interpretiert werden.
Nicht unerwähnt bleiben soll auch die Hauptprämisse des Tom-Cruise-Streifens – nämlich die Verbrechensvorhersage: Die Polizei verhaftet Menschen für Verbrechen, die sie erst noch begehen werden. Reine Fiktion? Mitnichten: Heutzutage entwickelt das Unternehmen Hitachi ein System, das vorhersagen will, dass innerhalb von 200 Quadratmetern ein ganz bestimmtes Verbrechen geschehen wird. Ganz allein auf den Gedanken gekommen ist Spielberg allerdings nicht. Das Drehbuch basiert auf der gleichnamigen Kurzgeschichte des amerikanischen Autors Philip K. Dick aus dem Jahr 1956.
Wenn Sci-Fi zur Realität wirdDie ausführliche Auflistung von Inspirationsquellen aus dem Sci-Fi-Universum für moderne Erfindungen finden Interessierte im Folgenden als Excel-Datei hinterlegt – ohne Anspruch auf Vollständigkeit.
Exkurs: Science-Fiction-Prototyping im Trend
Welche Auswirkungen Science-Fiction auf die reale Wissenschaft hat, lässt sich (leider) nur schwer beziffern. Allen Quantifizierungs-Hindernissen zum Trotz unternahmen Philipp Jordan und seine Kollegen von der University of Hawaii in den USA dennoch einen Versuch – allerdings vorerst mit Fokus auf die Mensch-Computer-Aktion. Das berichtete das Magazin „Technology Review“ unlängst online. Demnach werteten die Forscher Fachvorträge aus, die bei einer der weltweit wichtigsten Konferenzen für das Thema, der ACM Conference on Human Factors in Computing Systems, gehalten wurden, und durchsuchten die seit 1982 veröffentlichten Aufsätze nach Ausdrücken mit Science-Fiction-Bezug. Ergebnis: Forscher nutzen Science-Fiction für unterschiedliche Zwecke. Einer davon ist die theoretische Design-Forschung, ein anderer das Erkunden von neuen Formen der Interaktion zwischen Mensch und Maschine, die nach Ansicht der Forscher zunehmend von fiktiven Stoffen beeinflusst wird. Ebenfalls genutzt werden sie für die Beschäftigung mit Körper-Modifikationen. Die wichtigste Erkenntnis des Teams aber lautet, dass sich die Rolle von Science-Fiction zu verändern scheint. Eindeutig wird das Thema von Forschern heute häufiger erwähnt als jemals zuvor. Und die analysierten Daten scheinen nur die Spitze des Eisbergs zu sein: „Wir spekulieren, dass die explizite Erwähnung von Science-Fiction in Forschungsarbeiten zu Mensch-Computer-Interaktion nur einen Bruchteil der wirklichen Inspiration und Bedeutung erkennen lässt“, heißt es im Forschungsaufsatz. Immerhin ist dem Team ein kleiner Schritt auf dem Weg zum Ziel gelungen, die komplexe Beziehung zu verstehen, welche Auswirkungen Menschen von Technologie erwarten und was in der Realität wirklich geschieht. Tatsächlich beschäftigen Technologie-Unternehmen zunehmend Futuristen, die Science-Fiction als Medium nutzen, um potenzielle neue Technologien und ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft zu erkunden. Dies wird als Science-Fiction-Prototyping bezeichnet.
Das Werk | Inspiration für... | Anmerkung |
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Die Reise zum Mond/Le Voyage dans la Lune (Film), Georges Méliès, 1902 | Mondfahrt | |
Metropolis (Stummfilm), Fritz Lang, 1927 | Android, Videotelefonate | Eines der frühsten Beispiele in der Filmgeschichte, in dem ein Roboter nahezu menschlich dargestellt wird. Man spricht in diesem Fall von einem "Androiden". Die Version von Fritz Lang nahm nicht nur vorweg, wie emsig Forscher einmal an zunehmend künstlich intelligenten Robotern arbeiten würden - sie diente auch als Vorlage für zahlreiche weitere Filmroboter, beispielsweise C-3PO in "Star Wars". |
Frau im Mond, Fritz Lang, 1929 | bemannte Raumfahrt mit Raketen | Ein weiteres Mal schuf Regisseur Fritz Lang eine realistische Darstellung von etwas, was erst 40 Jahre später in die Tat umgesetzt wurde. In dem Stummfilm "Frau im Mond" fliegt eine Crew mit einer Rakete zu unserem Trabanten, fast genau so wie Neil Armstrong und Buzz Aldrin es mit Apollo 11 im Jahr 1969 machten. |
Die phatastische Reise (Film), Regie Richard Fleischer, 1966 | Molekularbiologie | Der Film entstand nach einer Storyvorlage von Otto Klement und Jerome Bixby. Basierend auf dem Drehbuch des Filmes schrieb der Science-Fiction Autor Isaac Asimov ein Buch, das sechs Monate vor dem Film erschien. Viele glauben deshalb, der Film basiere auf einer Geschichte Asimovs. |
2001: Odyssee im Weltraum (Film), Stanley Kubrick, 1968 | KI, digitale Assistenten, Tablets | Der Computer HAL 9000 wird zum Mörder, als seine Benutzer erwägen, ihn abzuschalten. Zum Glück sind heutige Assistenten wie Siri und Cortana den Menschen freundlicher gesinnt. |
Star Wars (Film), George Lucas, 1977ff | Jetpack, Laserwaffen zum Abschuss von Drohnen, Kommunikation über 3D-Hologramme, Medi-Droiden, gedankengesteuerte Prothesentechnik, Körperpanzerung, Hoverbike | Auch in der Realität wird die Prothesentechnik immer besser. Die künstlichen Gliedmaßen werden teilweise bereits im 3D-Druckverfahren hergestellt und wirken durch vielfältige Bewegungsmuster auch in ihren Bewegungen immer realistischer. Gerade die menschliche Hand ist in dieser Hinsicht eine sehr komplexe Angelegenheit. Sogenannte myoelektrische Prothesen sind heute bereits gängig. Ihre Steuerung funktioniert über die Muskeln des nach der Amputation verbliebenen Stumpfes, der in Silikon eingebettet wird. Es wurden sogar erste Versuche mit der Steuerung von Prothesen durch Gedanken durchgeführt. Hier gibt es bereits Prototypen – derartig komplexe Prothesen werden allerdings wohl erst in Zukunft in Serie gefertigt werden können. |
Blade Runner (Film), Ridley Scott, 1982 | Videotelefonie, Mensch-Maschine/Android, Bioethik | 2003 wurde Skype eingeführt und Menschen merkten, dass es bei Telefonaten doch viel schöner ist, sich auch zu sehen, als nur zu hören. 1982 dachte sich Ridley Scott bereits dasselbe, als er in “Blade Runner” Videoanrufe darstellte. Der Film basiert auf Philip K. Dicks Roman "Träumen Androiden von elektrischen Schafen?". |
Terminator (Film), James Cameron, 1984 | Drohnen | Bereits 1984 zeigt James Cameron im ersten "Terminator"-Film ein Szenario, das heute zumindest teilweise Realität geworden ist: Denn Kriege im 21. Jahrhundert werden nicht nur von Menschen ausgetragen, sondern auch von unbemannten Flugobjekten, sogenannten Drohnen. |
Nummer 5 lebt (Film), John Badham, 1986 | militärische Kampfroboter | Der Film zeigt, wie das US-Militär mit Kampfrobotern experimentiert. In der Realität werden bereits seit den 2000ern auf Ketten fahrende, bewaffnete Maschinen, beispielsweise der "TALON" der US-Firma Foster-Miller, im Krieg eingesetzt. Allerdings wurde noch keiner dieser vom Blitz getroffen und hat damit Gefühle erlangt wie in der beliebten US-Komödie. |
Zurück in die Zukunft II (Film), Robert Zemeckis, 1989 | Hoverboard, VR-Brillen | In der die Jugendlichen Virtual-Reality-Brillen tragen und auf Hoverboards durch die Stadt fahren. Auf Hoverboards warten Fans des Films bis heute - Google Glass und Co. ließen andere Technologien allerdings Wirklichkeit werden. |
Total Recall (Film), Paul Verhoeven, 1990 | selbsfahrende Autos | Zwar haben wir, anders als im Arnold-Schwarzenegger-Klassiker "Total Recall" dargestellt, noch nicht den Mars kolonisiert, aber zumindest werden gerade selbstfahrende Autos beispielsweise von Google oder Tesla entwickelt. Es bleibt also abzuwarten, ob und wann Roboter-Taxifahrer Fahrgäste ans Ziel bringen. |
Minority Report (Film), Steven Spielberg, 2002 | intuitive Toucscreens, autonomes Fahren, interaktive Digital-Signage-Werbeformen, Air-Touch-Technologie | Während die Prämisse des Tom-Cruise-Films - nämlich, dass die Polizei Menschen für Verbrechen verhaftet, die sie erst noch begehen werden - reine Fiktion ist, sagte der Film doch zumindest korrekt voraus, dass nahezu jede Gerätschaft in naher Zukunft von intuitiven Touchscreens bedient wird. |