Nachspiel HP-Übernahme von Autonomy

Bühnenspektakel war offenbar fauler Zauber

31. Januar 2022, 8:45 Uhr | Martin Fryba
Februar 2012: Schon damals hatte HP-Chefin Meg Whitman in Richtung Autonomy-Gründer Mike Lynch gesagt, viel zu viel für dessen Softwarefirma gezahlt zu haben. Von Betrug war damals noch keine Rede
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Der britische Tech-Milliardär Mike Lynch wird wohl in die USA ausgeliefert. Ihm droht eine langjährige Haftstrafe wegen Bilanzbetrug. Sein Auftritt auf der Partnerkonferenz 2012 in Las Vegas hinterließ damals schon ratlose HP-Reseller.

15. Februar 2012, globale Partnerkonferenz von HP in Las Vegas. Mike Lynch betritt die Bühne. Er wird große Bilder  in die Höhe halten: Mona Lisa sowie Filmplakate von Harry Potter und dem Animationsfilm Despictable Me. Eine Dame mit brünetten Haaren wird die Plakate mit einem iPad abfotografieren. „Die Software von Autonomy erkennt die Motive, blendet Informationen dazu ein, und wenn ein Nutzer die Jacke von Harry Potter kaufen will, klickt er sie an und kann sie direkt aus der Anwendung heraus in einem Online-Shop bestellen“. 30 Minuten spricht Lynch, der kurz zuvor sein Softwareunternehmen für über zehn Milliarden US-Dollar an HP verkauft hatte. Dann tritt er ab und viele Reseller rätselten damals, was der Technologiekonzern mit Fokus auf B2B-Kunden mit Autonomy anfangen will.

Diese Frage mag sich auch die gerade neu ernannte HP-Chefin Meg Whitman, die nach der trostlosen kurzen Ära Leo Apotheker den verunsicherten HP-Channel wieder aufrichten musste, ebenfalls gefragt haben. „Eine viel zu teure Übernahme“, sagte sie gequält lächelnd. Lynch wurde schnell entsorgt, mit ihm einige Vorstände, und die HP-Bilanz ein Jahr danach schließlich um fast den kompletten Kaufpreis abgeschrieben.

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Autonomy-Gründer Mike Lynch zeigt auf der HP-Partnerkonferenz 2012, was seine Software kann
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Lynch wie sein Finanzvorstand Soshovan Hussain hatten ihren Schnitt gemacht, nicht aber mit dem langen Arm der Justiz gerechnet. HPE reichte in Großbritannien Zivilklage ein. 2018 bereits wurde CFO Hussain wegen Betrugs von einem US-Gericht zu fünf Jahren Haft verurteilt. Bilanzen seien aufgebäht, Umsätze erfunden worden.

Nun droht auch Lynch eine Haftstrafe. Freitag vergangener Woche hat der ehemalige CEO von Autonomy am High Court in London in dem von HPE angestrengten Zivilprozess eine Niederlage erlitten. Die britische Innenministerin Priti Paterl signalisierte, dem amerikanischen Auslieferungsgesuch stattzugeben. Lynch bestreitet nach wie vor alle Vorwürfe. HP fordert vom britischen Tech-Milliardär fünf Milliarden Dollar zurück, rund die Hälfte des damaligen Kaufpreises.

Anmerkung
Die Klage hat HPE eingereicht. Als die Übernahme von Autonomy 2011 erfolgte, war Hewlett-Packard noch nicht in die beiden Konzernteile HP ind HPE aufgeteilt.


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