Ein veritabler Touchscreen und das Betriebssystem Android machen das Auerswald COMfortel D-600 zu einem engen Verwandten von Smartphones und Smart-TVs. Trotz vieler Vorzüge kann und will es mit diesen Gerätekategorien allerdings nicht konkurrieren.
Mit seinem großen 7-Zoll-Touchscreen (Diagonale: 17,8 cm) positioniert sich das Auerswald COMfortel D-600 auf den ersten Blick im Top-Segment der Arbeitsplatz-Telefone. Auch sein Verkaufspreis von rund 480 Euro stützt diese Wahrnehmung. Im Telefon-Sortiment des in Cremlingen bei Braunschweig ansässigen Kommunikationsspezialisten nimmt das D-600 denn auch die Spitzenposition ein. Das Gerät läuft unter dem Smartphone-Betriebssystem Android. Auerswald setzt zu diesem Zweck allerdings auf die nicht mehr ganz junge Version 7.1.2 – auch wenn dieser Stand schon reichlich betagt ist, hält der Hersteller die eigenen Softwarekomponenten seines Telefons jedoch mit regelmäßigen Firmware-Updates aktuell.
Tabelle: Leistungsumfang und Bewertung Auerswald D-600Zum großen Touchscreen gesellt sich eine stattliche Anzahl physischer Tasten. Vier Cursor-Tasten plus zusätzlicher OK-Taste erlauben die Navigation in den Menüs des D-600 auch jenseits der Touch-Bedienung. Hinzu kommt eine „Zurück“-Taste, die aus allen Funktionsebenen und Apps schrittweise zurück ins Hauptmenü führt. Für wichtige Telefonfunktionen wie Wahlwiederholung, Weiterleiten, Freisprechen, Lautstärke, Stummschaltung oder die Umschaltung auf ein Headset gibt es weitere Hardware-Tasten, von denen einige ihren Status auch durch eine rote Signalbeleuchtung zurückmelden. Die Hartgummitasten sind mechanisch stabil ausgeführt, haben einen exakten Druckpunkt und sind ausreichend groß. So fällt die Haptik des D-600 uneingeschränkt überzeugend aus. Wo Texteingaben benötigt werden, steht dafür eine Display-Tastatur zur Verfügung, die sich dank der ordentlichen Touchscreen-Größe recht bequem und treffsicher bedienen lässt. Das Gesamtgerät und somit auch sein Display lassen sich allerdings nur in zwei Winkeln aufstellen – wahlweise 30 oder 45 Grad, je nachdem, in welcher Ausrichtung der mitgelieferte Aufstellbügel am Geräteboden eingesteckt wird.
Für alltägliche Bedienvorgänge, wie die Verwaltung von Telefonnummern oder Ruflisten, bringt das Telefon eine von Auerswald selbst entwickelte Software-Oberfläche mit, die in unseren praktischen Tests keine Rätsel aufgab. Hinzu kommt eine clevere Gestensteuerung, die bei entsprechender Konfiguration das Telefon aus dem Stromsparmodus aufweckt oder bei ankommenden Rufen den Klingelton stummschaltet.
Für die Erstkonfiguration oder jedwede Tipp-intensiveren Einstellungen und Eingaben empfiehlt es sich aber, über die ebenfalls übersichtliche Web-Oberfläche auf das Gerät zuzugreifen. Insgesamt sechs SIP-Accounts oder „Identitäten“ lassen sich in dem Gerät verwalten. Für unseren Test haben wir das Gerät erfolgreich an einer AVM Fritzbox angemeldet. Besonders komfortabel hat Auerswald darüber hinaus jedoch die Anmeldung an seiner hauseigenen Cloud-PBX „COMuniq ONE“ gelöst: Ist das Telefon über seine MAC-Adresse in dieser virtuellen Telefonanlage hinterlegt, erfolgt die Provisionierung beim Hochfahren des Geräts automatisch. Sofern das D-600 am Netzwerk angeschlossen ist und darüber Internet-Zugang hat, genügt ein Neustart, um dies in die Wege zu leiten. Grundsätzlich lässt sich das Gerät jedoch an beliebigen SIP-Accounts anmelden, die im Unternehmen intern oder im öffentlichen Internet bereitgestellt sein können.
Über einen eingebauten Ethernet-Switch teilt das D-600 seine Gigabit-LAN-Anbindung mit einem nachgeschalteten Rechner. Hinzu kommen eine RJ-45-Buchse für schnurgebundene beziehungsweise via Adapter für schnurlose Headsets sowie drei USB-Buchsen. Über letztere kann man ebenfalls entsprechend ausgelegte Headsets anschließen – oder aber den mitgelieferten „D-Wireless-Stick EZC-5200BS“, der Bluetooth 4.2 für die Nutzung entsprechender Freisprechgarnituren nachrüstet. Von Haus aus unterstützt das D-600 überdies die professionelle Headset-Schnittstelle DHSG/EHS (drahtlose Hör- und Sprechgarnitur/ elektronischer Hakenschalter). Der beigelegte Wireless-Stick ergänzt zudem auch Wireless LAN, das dann nach dem Standard Wi-Fi 5 sowohl auf 2,4 GHz als auch auf 5 GHz unterstützt wird. Die Stromversorgung erfolgt über ein mitgeliertes Steckernetzteil, eine Speisung des Telefons per PoE ist uns im Test nicht gelungen.
Bis zu 40 Direktwahlziele lassen sich als virtuelle Tasten auf dem Touchscreen anzeigen. Zudem können die virtuellen Tasten auch Shortcuts zu Funktionen wie Rufumleitungen, Parken, Pickup, Anrufschutz und Ähnliches mehr bereitstellen. Wer physische Kurzwahltasten bevorzugt, kann bis zu drei Wahltasten-Module vom Typ D-XT20i (UVP je 149 Euro) andocken. Diese bieten pro Modul ein großes Display sowie links und rechts davon 20 Tasten, auf denen sich jeweils drei Funktionsebenen hinterlegen lassen.
Ins interne Telefonbuch passen bis zu 2.000 Einträge, die auch ein Porträtfoto des Kontakts beinhalten können. Es wird dann bei ankommenden Rufen angezeigt. Die Rufliste des D-600 fasst bis zu 100 Einträge. Dank V-Card-Transfer lässt sich das interne Kontaktverzeichnis komfortabel bestücken. Wird das Gerät an einer PBX betrieben, ist das dort hinterlegte zentrale Kontaktverzeichnis in der Theorie gar nicht limitiert. Eine interne Anrufbeantworterfunktion bietet das D-600 nicht, dafür aber über eine Voicemail-App komfortable Unterstützung bei der Bedienung netz- beziehungsweise PBX-basierter Sprachboxen.
Unsere Hörtests attestieren dem Gerät dank Wideband-Audio und hochwertiger Lautsprecher- und Mikrofon-Bestückung glasklare Verständlichkeit und sehr natürlichen Klang in beiden Richtungen.
Ein Blick ins Hauptmenü, dessen Icon-Darstellung allerdings wenig Gebrauch von Größe und Pixelzahl des D-600-Displays macht, zeigt eine ganze Reihe vorinstallierter Apps, die den Funktionsumfang des Geräts noch einmal massiv erweitern. Einige davon stellen Grundfunktionen des Telefons bereit, etwa „Anrufe“, „Kalender“, „Kontakte“ oder „Uhr“. Andere tragen Möglichkeiten bei, die man von einem Tischtelefon eigentlich nicht erwarten würde, beispielsweise eine „Galerie“ (Bildanzeige) oder „Musik“. Hinzu kommen eine umfangreiche Taschenrechner-App, der E-Mail-Client „K-9 Mail“ oder der Web-Browser „Firefox klar“.
Wie sinnvoll deren Einsatz mit einem Arbeitsplatztelefon ist, wo ein vollwertiger Computer in der Regel nicht weit sein dürfte, steht auf einem anderen Blatt und hängt letztlich vom individuellen Kommunikationsbedarf des Nutzers ab. Wie weit die Möglichkeiten gehen, zeigt exemplarisch die Anbindung von Türsprechstellen mit IP-Kamera über eine entsprechende App. Der App-Store „F-Droid“ dient zum einen dazu, die Paketquellen der vorinstallierten Apps zu aktuali-sieren. Allerdings ermöglicht er zum anderen auch, zusätzliche Open-Source-Apps zu installieren. Angesichts der nicht mehr ganz jungen Betriebssystemversion, für die Google schon seit Jahren keine Sicherheits-Patches mehr ausliefert, sollten sich Nutzer beziehungsweise Administratoren aber gut überlegen, in welchem Umfang sie von dieser Möglichkeit Gebrauch machen wollen.
Testurteil: 88 Punkte (sehr gut)