Finanzkriminalität

Der Missbrauch von Kryptowährungen

11. August 2022, 7:00 Uhr | AutorInnen: Mary Hall und Charmian Simmons / Redaktion: Diana Künstler
© Alexander Kirch - 123RF

Immer mehr Geschäfte und Finanztransaktionen werden nicht mehr persönlich sondern nur noch online abgewickelt. Auf die Kriminalität im Finanzsektor hat dies gravierende Auswirkungen. Über den Stand der Dinge.

  • Wie haben sich Kryptowährungen zuletzt am Markt entwickelt?
  • Wie können Kryptowährungen missbraucht werden?
  • Inwiefern nimmt die Regulierung von Kryptowährungen zu?
  • Welche Maßnahmen hat die EU im Kampf gegen Finanzkriminalität ins Leben gerufen?
  • Wie kann Kryptowährung für einen guten Zweck eingesetzt werden?

Laut einer Studie der Plattform CoinMarketCap erreichte die gesamte Marktkapitalisierung von Kryptowährungen1, also der Wert aller existierenden Kryptowährungen, im Oktober 2021 einen Höchststand von etwa 2,56 Billionen US-Dollar. Das entspricht einem Anstieg um das Zehnfache im Vergleich zum Jahr 2019. Und dieses Wachstum erstreckt sich über alle Marktsegmente – von Verbrauchern und Finanzinstituten bis hin zu Kryptobörsen, institutionellen Anlegern und Zahlungsabwicklern. Als Folge des Wachstums und des damit einhergehenden höheren Transaktionsvolumens ist der Bedarf an einer effizienten Überprüfung von Zahlungstransaktionen und Regelungen zur Einhaltung von Sanktionsbestimmungen gestiegen, ebenso wie der Bedarf eines effizienten Fraud Managements bei den Kryptowährungen, um Betrug in diesem Bereich erfolgreich zu unterbinden und aufzuklären. Hinzu kommt: Die sogenannten DeFi-Hacks, also Angriffe auf dezentralisierte Finanzplattformen, beliefen sich dem US-amerikanischen Analyseunternehmen CipherTrace zufolge2 bis Mitte des Jahres auf 361 Millionen US-Dollar, ein 2,7-facher Anstieg gegenüber 2020. Das auf die dezentralisierten Finanzplattformen entfallende Betrugsvolumen machte 54 Prozent des gesamten Krypto-Betrugsvolumens aus, was einen signifikanten Anstieg gegenüber den drei Prozent des Vorjahres darstellt.

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Aufgrund ihrer Transaktionsgeschwindigkeit, Übertragbarkeit und globalen Reichweite sind Kryptowährungen zu einem neuen Instrument für Steuervermeidung, Geldwäsche und Bestechung geworden. Finanzinstitute sind angehalten, die gesamte Krypto-Verwahrungskette während des gesamten Transaktionszyklus genau zu überwachen.

Die Regulierung nimmt zu

Defi-bezogene Hacks 2021
Während Kryptowährungskriminalität insgesamt in den letzten Jahren zurückgegangen ist, haben DeFi-Hacks in den ersten sieben Monaten des Jahres 2021 an die 270 Prozent mehr Schaden angerichtet als im gesamten Jahr 2020. Die meisten Angriffe dieser Art verwenden Flash-Darlehen.
© CipherTrace Cryptocurrency Intelligence

Die Vereinigten Staaten haben die Führung bei der Diskussion über die Regulierung von Kryptowährungen übernommen, insbesondere nach dem Ransomware-Angriff auf Colonial Pipeline, dem Anstieg der börsengehandelten Kryptofonds und dem harten Vorgehen gegen nicht registrierte Kryptowährungen. Die Financial Action Task Force, die internationale Institution, die Standards zur Bekämpfung von Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und Finanzierung von Massenvernichtungswaffen setzt und ihre Einhaltung durch die Mitgliedsstaaten prüft, hat ihre zweite zwölfmonatige Überprüfung der Umsetzung ihrer überarbeiteten Standards für virtuelle Vermögenswerte und Anbieter von Dienstleistungen für virtuelle Vermögenswerte abgeschlossen. Sie ist zu dem Schluss gekommen, dass zwar Fortschritte erzielt wurden, aber noch erhebliche Anstrengungen erforderlich sind. Sowohl die britische Regierung als auch die Europäische Kommission haben vorgeschlagen, Kryptowährungen in das Regelwerk für Geldtransfers aufzunehmen (siehe auch Infokasten anbei). Finanzinstitute haben erkannt, dass sie ihre Exponierung gegenüber Krypto-Risiken besser verstehen müssen, um ihre Regeln, Szenarien und Datensätze auf den aktuellen Stand bringen zu können.

Die Popularität von Kryptowährungen hat in führenden Volkswirtschaften auf der ganzen Welt ein wachsendes Interesse an Projekten mit digitalen Währungen geweckt. Der Gesatmanteil der Länder, die derzeit digitale Zentralbankwährungen erproben, macht bereits 90 Prozent der Weltwirtschaft aus. Drei führende Zentralbanken – die EZB, die Bank of Japan und die Bank of England – arbeiten an digitalen Währungsprojekten, ebenso wie verschiedene Finanzinstitute wie Citi Bank, J.P. Morgan (JPM Coin), Goldman Sachs, Mastercard sowie Wells Fargo.

Mit dem Aufkommen digitaler Währungsprojekte wird auch die Cyberkriminalität zunehmen. Viele Verbraucher wünschen sich den Zugang zu digitalen Währungen, weil sie einfach zu handhaben sind und in Echtzeit übertragen werden können. Sie wollen digitale Währungen, aber sie wollen auch, dass sie zu den bestehenden Bank- und Zahlungssystemen passen. Finanzinstitute müssen die Risikoüberwachung und -analyse für die digitalen Währungen entsprechend automatisieren, wenn sie diese erfolgreich in bestehende Bankensysteme und in Geschäftsprozesse integrieren wollen.

EU-Maßnahmen im Kampf gegen die Finanzkriminalität

Im Juli 2021 hat die Europäische Kommission ein ehrgeiziges Bündel von Gesetzgebungsvorschlägen vorgelegt3, mit denen die Vorschriften der EU zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung gestärkt werden sollen. Dazu zählt auch die Schaffung einer neuen EU-Behörde für die Geldwäschebekämpfung. Ziel ist es, die Aufdeckung verdächtiger Transaktionen und Aktivitäten zu erleichtern und die Schlupflöcher zu schließen, die Kriminelle dazu nutzen, Erträge aus Straftaten über das Finanzsystem zu waschen oder damit terroristische Aktivitäten zu finanzieren.

Mit den vorgeschlagenen Maßnahmen will man auch den neuen, mit technologischer Innovation zusammenhängenden Risiken Rechnung tragen und den bestehenden EU-Rahmen verbessern. Hierzu zählen virtuelle Währungen, stärker in den Binnenmarkt integrierte Finanzströme und der globale Charakter terroristischer Organisationen. So umfassen die Vorschläge unter anderem eine überarbeitete Fassung der Geldtransfer-Verordnung von 2015 (Verordnung 2015/847), die die Rückverfolgung von Krypto-Transfers ermöglichen soll. Zudem fallen derzeit nur bestimmte Kategorien von Krypto-Dienstleistungsanbietern unter die EU-Vorschriften zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung. Mit der vorgeschlagenen Reform sollen diese Vorschriften auf den gesamten Krypto-Sektor ausgeweitet und alle Dienste-anbieter der Sorgfaltspflicht bei der Feststellung der Kundenidentität unterworfen werden. Die Änderungen sollen sicherstellen, dass Transfers von Kryptowerten wie Bitcoin vollends nachverfolgt werden können. Auch sollen sie es ermöglichen, deren potenzielle Nutzung für Geldwäsche- oder Terrorismusfinanzierungszwecke zu verhindern und aufzudecken. Zudem werden anonyme Krypto-Geldbörsen untersagt und damit die EU-Vorschriften zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung vollumfänglich auf den Krypto-Sektor angewandt.

Die Gesetzgebungsvorschläge werden derzeit im Europäischen Parlament und im Rat erörtert. Die Kommission hofft auf ein zügiges Gesetzgebungsverfahren. Die künftige Geldwäschebekämpfungsbehörde dürfte 2024 operativ sein und kurz darauf – sobald die Richtlinie umgesetzt ist und der neue Rechtsrahmen wirksam wird – mit der direkten Beaufsichtigung beginnen. (DK)

Krypto-Belohnungen für gute Zwecke

Kryptowährungen wurden zu einer zugänglicheren, praktikableren Möglichkeit für diejenigen, die über kein Bankkonto verfügen – und zu einer Alternative zum sogenanntem Cashback-System bei Kreditkarten, bei denen es eine prozentuale Gutschrift für den Umsatz, Direkt-Rabatt beim Einkauf oder Bonuspunkte zum Einlösen gibt. Mehrere Anbieter bauen VIP-/Frequent-Flyer-ähnliche Programme auf, bei denen die Bonuspunkte für Einkäufe in einer Kryptowährung vergütet werden. Diese können dann an soziale Projekte für Wohltätigkeitsorganisationen gespendet oder für andere Dinge genutzt werden. Ein Beispiel hierfür ist ein landwirtschaftliches Konsortium, das es den Nutzern ermöglicht, Token an Bauernverbände zu spenden, um ihnen beim Wachstum zu helfen, ohne dass die Landwirte dafür Kredite aufnehmen müssen, wie es sonst üblich ist.

Aber diese Programme werden auch zum Ziel für kriminelle Aktivitäten und Veruntreuung von Geldern, wenn Hacker versuchen, in diese Netzwerke einzudringen, um Gelder oder Token auf ihre Konten zu transferieren. Ein weiteres Risiko besteht darin, dass die Spenden digitaler Vermögenswerte eine Möglichkeit zur Geldwäsche bieten. Aus diesem Grund wird es für Netzwerke, die für soziale Zwecke entwickelt werden, immer wichtiger, tiefgreifende analytische Verfahren zu entwickeln, um die Quelle der Gelder vom Absender bis zum Empfänger zu verfolgen.

Die Welt der Kryptowährungen ist einem rasanten Wandel unterworfen und es deutet wenig darauf hin, dass sich dies bald ändern wird. Auch wenn noch nicht genau einschätzbar ist, wie die Welt der Kryptowährungen künftig aussehen wird, ist schon jetzt klar, dass die sie eine Herausforderung im Kampf gegen Finanzkriminalität
darstellen.

Charmian Simmons ist Expertin für Finanzkriminalität und Compliance bei BAE Systems Digital Intelligence; Mary Hall ist Head of Marketing bei CipherTrace

1 https://coinmarketcap.com/de/charts/
2 https://ciphertrace.com/crypto-crime-combatting-hacks-thefts-and-fraud-in-the-decentralized-finance-ecosystem/

3 https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/ip_21_3690


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