Whistleblower sollen künftig EU-weit einheitlich besser geschützt werden. Den Mitgliedstaaten bleibt noch bis Ende des Jahres Zeit, die entsprechende Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Das ist in vielerlei Hinsicht kein leichtes Unterfangen.
Der Diesel-Skandal, die Panama Papers, der Fipronil-Vorfall oder der Skandal um Cambridge Analytica stehen exemplarisch für die Fälle, in denen Fehlverhalten in Unternehmen oder Organisationen offengelegt worden sind. Der verursachte Schaden für die Umwelt, für die öffentliche Gesundheit und Sicherheit oder für die öffentlichen Finanzen der betroffenen Staaten kam dabei oft nur dank der Initiative von Einzelpersonen ans Tageslicht. Personenen, die Fehlverhalten gemeldet haben, ungeachtet etwaiger Konsequenzen. Das erfordert viel Mut, denn nicht immer werden diese sogenannten Hinweisgeber von allen Seiten mit Wohlwollen betrachtet. Der Grat zwischen Helden- und vermeintlichem Denunziantentum ist ein schmaler und Whistleblower laufen nicht selten Gefahr, Karriere und Auskommen aufs Spiel zu setzen, wenn sie Missstände offenlegen wollen. Sie und ihre Courage sind jedoch "in unseren Gesellschaften äußerst wichtig", unterstreicht die Vizepräsidentin und EU-Kommissarin für Werte und Transparenz, Věra Jourová. "Es sind mutige Menschen, die dazu bereit sind, illegale Aktivitäten ans Licht zu bringen, um die Öffentlichkeit vor Fehlverhalten zu schützen – oft unter großer Gefahr für ihre Karriere und ihren Lebensunterhalt."
Damit Hinweisgeber künftig besser vor potenziellen Repressalien geschützt sind, hat die EU die Whistleblowing-Richtlinie ins Leben gerufen. Sie schreibt einheitliche Standards vor und ist seit Mitte Dezember 2019 in Kraft. Die Mitgliedstaaten haben zwei Jahre Zeit, also bis Ende 2021, um die Vorschriften in nationales Recht umzusetzen. Die Richtlinie stellt jedoch Unternehmen unter anderem auch vor die Herausforderung, entsprechende Hinweisgebersysteme aufzusetzen. Was diese können sollten und warum sie weit entfernt davon sind, Denunziantentum zu unterstützen, erläutert Kai Leisering von Business Keeper im Interview mit funkschau.
funkschau: Wenn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Missstände in ihren Unternehmen öffentlich machen wollten, bewegten sie sich lange Zeit in einer rechtlichen Grauzone. Seit Dezember 2019 ist die sogenannte Whistleblowing-Richtlinie der EU in Kraft, wodurch Hinweisgeber künftig EU-weit einheitlich besser geschützt sein sollen. Wie bewerten Sie die Einführung dieser Richtlinie für den deutschen Rechtsraum?
Kai Leisering: Für die Einführung einer Whistleblowing-Richtlinie ist es höchste Zeit. Derzeit gibt es keine klare Rechtslage, was den Schutz von Hinweisgebenden angeht. Bisher müssen sich WhistleblowerInnen ausgiebig über die Rechtslage informieren und sind nicht vor Repressalien seitens der Arbeitgebenden geschützt. Wer auf Missstände in einem Unternehmen oder in einer Organisation aufmerksam macht, dem können nach der derzeitigen Rechtslage Nachteile entstehen – das soll mit dem neuen Gesetz unterbunden werden.
Prominente Whistleblowingfällefunkschau: Welche Fragen beziehungsweise Herausforderungen ergeben sich daraus bei der Umsetzung in deutsches Recht?
Leisering: Der derzeitige Gesetzentwurf sieht vor, dass das Gesetz nicht nur Verstöße gegen das EU-Recht, sondern auch gegen deutsches Recht einbezieht (Anm.d.Red.: siehe dazu auch Infokasten auf Folgeseite zum Hinweisgeberschutzgesetz). Das wird vor allem von der Wirtschaft kritisch gesehen, wäre aber die richtige Herangehensweise: Sonst müssten sich WhistleblowerInnen vor der Meldeabgabe zuerst rechtlich beraten lassen und abklären, ob der zu meldende Verstoß vom EU-Recht oder nur vom deutschen Recht abgedeckt ist. Die Aufdeckung von Korruption und Schmiergeldzahlungen beispielsweise wäre nur vom deutschen Recht abgesichert und würde die WhistleblowerInnen in eine schwierige Rechtslage bringen.
funkschau: Oft heißt es Held oder Verräter: Was glauben Sie, warum das Thema Whistleblowing derart polarisiert?
Leisering: Als Business Keeper 2001 gegründet wurde, standen Hinweisgebersysteme vor allem für Denunziantentum. Auch heute noch bezeichnen es kritische Stimmen als ein solches. Allerdings steckt mehr dahinter: Ein Whistleblowing-System stellt keine Bedrohung für Unternehmen dar und wird nicht dazu verwendet, bestimmte Personen an den Pranger zu stellen. Vielmehr geht es um die Förderung von Transparenz und Vertrauen im Unternehmen: Denn wenn die Mitarbeitenden um ein solches System wissen und dass mit den Meldungen vertrauensvoll umgegangen wird, fördert dies das Image sowie das Vertrauen ins Unternehmen.
Die Richtlinie in zehn Punkten |
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