Beim ERP-Anbieter aus Germering bei München klopfte 2019 vor drei Jahren die Berliner Elvaston Capital Management an. Dieser VC schloss Step Ahead mit der Mainzer Godesys und der Schweizer Informing zu einer Holding zusammen. Wettbewerbsfähigkeit im stark fragmentierten Markt für ERP-Software erhöhen, ist das Ziel. Die geschäftsführenden Gründer-Gesellschafter blieben allerdings nicht an Bord. Wer sollte es ihnen verübeln, wenn sie für sich ihr Lebenswerk vollendet sehen? Die einen sind sofort ausgeschieden, die beiden Step Ahead-Gründer sollten an Bord bleiben – und, was bei diesem und vielen anderen Deals nicht gesagt wird, wenig später das Unternehmen verlassen.
Die Dramaturgie der Kommunikation einer geplanten Nachfolgeregelung wird immer nach den gleichen Grundprinzipien inszeniert: Kunden und Mitarbeitern die Vorteile aufzeigen und ihnen Ängste nehmen, Kontinuität betonen, Innovationen und Expansion ankündigen und eine Vision aufzeigen. Wenn sich in ein paar Monaten nach einem Deal erst einmal die Gemüter abgekühlt haben: wer fragt da schon, was gestern noch galt?
Ich bin dann mal weg
Gestern, das war für die Security-Softwareschmiede Mateso „Made in Germany“. Sollte es das immer noch sein, fragen viele Kunden Systemhäuser, die ihnen Passwortsafe der Augsburger schmackhaft gemacht hatten? Nun hat nämlich US-Hersteller Netwrix seit Ende September das Sagen, der Mateso übernommen hat (ICT CHANNEL berichtete). Die Verunsicherung bei Bekanntgabe des Deals kann man als maximal bezeichnen. Und sie bleibt es auch sechs Wochen nach dem Deal noch.
Bleibt Gründer Thomas Malchar an Bord? Dazu kein Wort in der Pressemitteilung, was als unausgesprochene Botschaft bedeutet: nein. Und so kommt es auch.
Alle Kunden und auch die Mitarbeiter werden zeitgleich über die Akquisition morgens um 9 Uhr informiert. Nicht einmal die Distributoren sind vorab kontaktiert. Systemhäuser, mit denen ICT CHANNEL spricht, erfahren, dass Malchar noch am Tag der Übernahme das Unternehmen verlassen haben soll. Gerne hätte ICT CHANNEL mit dem 47-Jährigen Softwareunternehmer gesprochen und ihn gefragt, ob er womöglich die Weichen für eine Zukunft mit ihm gestellt habe. Übrigens: Es hätte auch dann eine Kontaktaufnahme mit einer Fachzeitschrift im Sinne der Kunden geben können, sollte Malchar ein Stillschweigevereinbarung unterzeichnet haben.
Was Malchar hätte sagen können: 'Made in Germany hin oder her: was soll ein mittelständischer Softwareunternehmer machen, wenn er Mittel für die technologische Weiter- und Neuentwicklungen braucht, sie bei vorsichtigen Banken hierzulande aber nicht bekommt?' Leider scheiterte die Kontaktaufnahme mit Thomas Malchar. In die Rolle des Abgetauchten schlüpfte derweil der VAD-Chef des größten Mateso-Distributors. Thomas Hruby von Sysob hat freilich großes Interesse, dass seine Partner bestmöglichst und schnell informiert werden, wie die Roadmap von Mateso unter Netwrix aussehen soll. Das Geschäft laufe weiter gut, sagt Hruby, aber die Partner wollten so schnell wie möglich wissen, wie es weitergehe.
Fußnote im Konzernbericht
Man muss freilich mit den neuen Herren im Hause können. Zumal, wenn ein strategischer Investor aus den USA ganz andere Vorstellungen allein vom Vertrieb mitbringt. Pioniere der Value Added Distribution wie Hermann Ramacher von ADN kennen die bisweilen forschen Konzernmanager, die in ihrem Headquarter Strategien für den DACH-Markt austüfteln. Dass viele von ihnen nicht funktionieren können, hat Ramacher schon oft deutschen Channel-Direktoren von US-Herstellern auf den Kopf zugesagt.
Überhaupt Konzerninvestor und Mittelstand: Das verträgt sich in vielen Fällen auch heute noch nicht. Lange Jahre hatte die von Jost Stollmann gegründete Compunet (heute Computacenter) darunter gelitten, nur in einer Fußnote im Geschäftsbericht von Eigentümer General Electric erwähnt zu werden. Besser Fußnote wie ganz getilgt, werden sich manche Mitarbeiter sagen, die als junge Musketiere unter einem Banner für die MSP-Branche gekämpft hatten und sich heute in einer Business Unit ihrer stolzen Historie beraubt fühlen.
„Nicht konzernfähig“
Es liegt nicht jedem Unternehmer, sich nach dem Verkauf „seines“ Unternehmens in der einstmals ihm gehörenden Firma anstellen zu lassen. Manager statt Macher muss sich zwar nicht ausschließen, und oft erkennt der frische und ungetrübte Blick von außen Schwächen, die ein Gründer aus jahrelanger Betriebsblindheit (oder übersteigertem Ego) nicht sehen kann oder will. Jürgen Jakob, Gründer des VADs Jakobsoftware, kennt Grenzen der Anpassung recht genau. „Man sagt mir nach, dass ich nicht konzernfähig bin“, erläutert er ICT CHANNEL. Und das stimmt wohl auch. Dass Investoren heiß auf Software-Distributoren sind, ist Jakob nicht entgangen. Dass alle viel versprechen und einige dann doch wenig halten, freilich auch nicht. Bei einigen Ventures vermisst Jakob grundlegende Prinzipien, die selbst einem Nicht-BWLer einleuchten: nämlich dass sein Unternehmen seine Mitarbeiter ernähren muss. „Die operativen Einnahmen sind wichtig. Wenn klar ist, dass ein Investor diese Sicht teilt, kann ich ja wieder neu nachdenken“, spielt er den Ball zurück an das Kapital.
Geld allein ist kein Motiv für Jakob, auch seinen VAD ins Monopoly der Unternehmensbeteiligungen zu werfen. Ihm geht es auch um die Freiheit, als Unternehmer frei handeln zu können und keine Entscheidungen Dritter hinnehmen zu müssen. Mit dieser Haltung steht der Unternehmer nicht alleine da, auch wenn der aktuelle M&A-Boom in der Software- und Systemhaus-Branche das Gegenteil nahe legt.