Interview mit Prof. Gunther Olesch

»Wer heute über Fachkräftemangel spricht, verkennt die Lage«

5. Juli 2019, 10:31 Uhr | Corinne Schindlbeck

Fortsetzung des Artikels von Teil 2

Ab wann hat sich die Mühe gelohnt und man kann z.B. mehr Einstellungen verzeichnen?

Anbieter zum Thema

zu Matchmaker+
Prof. Gunther Olesch, Phoenix Contact »Die Passung zu Phoenix Contact, das ist wie bei Blutgruppen.«
Prof. Gunther Olesch, Phoenix Contact »Die Passung zu Phoenix Contact, das ist wie bei Blutgruppen.«
© Markt & Technik

»Fordern Sie Ihre Mitarbeitenden bitte nicht auf, Sie auf kununu zu bewerten«

Beurteilen Sie Ihre Führungskräfte auch anhand dieser Befragungen?

Ja, alle leitenden Angestellten, auch innerhalb der variablen Vergütung, die 33 Prozent bei uns ausmacht. Hier fließen der Unternehmenserfolg in Form von Umsatz- und EBIT-Steigerung und die Zufriedenheit der Mitarbeitenden mit ein, sprich: das Ergebnis der Befragungen bei „Great Place to Work“.

Einen Brand kann man nicht mal eben verändern. Das braucht Jahre und einen langen Atem. Unsere erste Mitarbeiterbefragung 1995 erfolgte noch in Eigenregie. Dann wechselten wir 1998 der Objektivität wegen zu Top Job. Das erste Ergebnis dort war zwar unter „ferner liefen“, aber wir erhielten ein Feedback mit 80 Seiten Umfang. Und haben es Seite für Seite durchgearbeitet und mit Verbesserungen begonnen. Zwei Jahre später war es noch nicht wesentlich besser, wieder arbeiteten wir an den Verbesserungsvorschlägen. Das dritte Mal gehörten wir schon zu den besten 100 Arbeitgebern. 2004 dann endlich erfolgte zum ersten Mal die Auszeichnung „Bester Arbeitgeber“. Ich sage, sechs bis acht Jahre sollte man schon rechnen. Auch Audi hat 15 Jahre gebraucht hat, um von seinem alten Image loszukommen.

Denen muss ich sagen: Tut mir leid. Dann hast du bislang zu wenig getan! Fange wenigstens jetzt an, denn 2030 wird es noch schlimmer, dann wirkt der „Pillenknick“ sich voll aus. Wer heute bereits über Fachkräftemangel spricht, verkennt die Lage. Meiner Prognose nach werden 2030 viele Unternehmen aufhören zu existieren, wenn sie nicht heute beginnen, langfristig an ihrer Arbeitgebermarke zu arbeiten. Weil sie keinen guten Ruf als Arbeitgeber aben und die besten Fachkräfte zu den Unternehmen gehen werden, die ein gutes Arbeitgeber-Image haben. Kurzfristig hilft es vielleicht, wenn man nicht genügend Leute hat, in Absprache mit dem Betriebsrat auf die 40-Stunden-Woche zu gehen bzw. sogar auf die freiwillige 45-Stunden-Woche, gegen Lohnausgleich.

Fordern Sie Ihre Mitarbeitenden bitte nicht auf, Sie auf kununu zu bewerten. Das kann nach hinten losgehen und Sie bekommen die Negativ-Bewertungen, in denen steht, dass Mitarbeitende aufgefordert werden, das Unternehmen gut zu bewerten und das werden Sie nicht mehr los.
Tun sie lieber etwas für die Bedürfnisse Ihrer Mitarbeitenden, dann bewerten diese Sie ganz von selbst positiv. Die Klicks auf unseren Arbeitgeberauftritt auf kununu sind für mich sehr wichtig, nicht etwa nur die Beurteilung. Wobei die mit 4,2 von 5 Sternen bei den Mitarbeitenden ganz hervorragend ist für ein Industrieunternehmen, in dem es nicht nur intrinsisch motivierende Arbeit gibt, sondern eben auch Arbeitende im Dreischichtbetrieb. Wir haben mehr Klicks als andere aus unserer Region, darunter bekannte Namen wie Miele oder Oetker. Microsoft hat 428.000, wir – Stand: Anfang Juni 2019 – über 526.000! Natürlich ist das für uns sehr zufriedenstellend. Auf negative Bewertungen reagieren wir unverzüglich und bieten in unserem Kommentar ein Gespräch an. Negativ heißt bei uns: unter drei Sternen. Bisher hat sich aber noch nie jemand gemeldet, was ich dann auch nicht ganz verstehe.


  1. »Wer heute über Fachkräftemangel spricht, verkennt die Lage«
  2. Vom Minderwertigkeitskomplex zur aktiven Steuerung
  3. Ab wann hat sich die Mühe gelohnt und man kann z.B. mehr Einstellungen verzeichnen?
  4. Mitarbeiter verlassen ihren Chef, nicht ihr Unternehmen

Lesen Sie mehr zum Thema


Jetzt kostenfreie Newsletter bestellen!

Weitere Artikel zu WEKA FACHMEDIEN GmbH

Weitere Artikel zu Branchenlösungen

Matchmaker+