5G gilt als wichtiger Impulsgeber für die Digitalisierung. Aber was bedeutet der Mobilfunkstandard für die Umwelt? Kann die bevorstehende 5G-Ära eine nachhaltigere Zukunft gestalten oder erweist sich die Technologie als Stolperstein für das globale Streben nach einer nachhaltigen Zukunft?
Der neue Mobilfunkstandard der fünften Generation wird als eine der vielversprechendsten Technologien der Gegenwart gehandelt. 5G ist eine flexible, robuste und leicht skalierbare Vernetzungstechnologie mit vielfältigen Einsatzszenarien, die sie zum wichtigen Impulsgeber für die Digitalisierung macht. Aber wie wirkt sie sich auf unsere Umwelt aus?
Der Klimawandel ist ein weltweites soziales, wirtschaftliches und ökologisches Problem, das schnelles und gezieltes Handeln erfordert. Doch an der Frage, ob 5G die nachhaltige Entwicklung unserer Wirtschaftssysteme fördern kann, scheiden sich die Geister. Eine repräsentativen Umfrage des Digitalverbands Bitkom1 stützt die Annahme, dass die Digitalisierung der Industrie ein großes Potenzial zur Reduktion von CO2-Emissionen bietet. Demnach könnten im Jahr 2030 bei einem beschleunigten Einsatz digitaler Technologien allein in Deutschland bis zu 64 Millionen Tonnen CO2 eingespart werden. Das entspricht 17 Prozent der insgesamt geplanten CO2-Einsparungen im Rahmen der Klimaziele bis zum Jahr 2030. Im Kontext dieser hocheffizienten und automatisierten Arbeitsprozesse digitaler Technologien wirkt 5G als Enabler für die Transformation zur Industrie 4.0.
5G bietet nicht nur hohe Datenübertragungsraten, sondern ist auch wesentlich energieeffizienter als seine Vorgänger. Eine Untersuchung von STL Partners2 kommt zu dem Ergebnis, dass ein 5G-Mobilfunkstandort bei gleicher Datenmenge nur etwa 15 Prozent der Energie benötigt, die ein 4G-Mobilfunkstandort verbraucht. Aus diesem Grund könnte ein schnellerer Übergang zu 5G weltweit bis 2030 rund 0,5 Milliarden Tonnen CO2 einsparen. Die 5G-Technologie reduziert die Kohlenstoffemissionen damit um fast 80 Prozent und senkt die Betriebskosten um fast ein Drittel. Auch die Universität Zürich kommt im Rahmen einer Studie3 zu dem Ergebnis, dass mithilfe des 5G-Netzes im Jahr 2030 pro transportierter Einheit Daten rund 85 Prozent weniger Emissionen als das heutige Mobilfunknetz verursachen wird.
Bei inzwischen weitaus mehr als 100 weltweit gestarteten 5G-Netzen ergibt sich eine enorme Energieeinsparung. So kann es Mobilfunkbetreibern und Telekommunikationsunternehmen gelingen, den Stromverbrauch und damit CO2-Emissionen zu reduzieren, selbst wenn die Mengen an übertragenen Daten stark ansteigen werden. Dies bezieht sich allerdings nur auf das direkte Potenzial der Technologie. Deutlich relevanter sind indes die Möglichkeiten und Effekte, die sich aus dem Einsatz ergeben. Indirekt können diese sogar einen noch viel höheren Einfluss auf Aspekte der Nachhaltigkeit haben, was als „ICT for Green“ beschrieben wird.
5G-Technologie und deren Einsatz als Ökosystem haben das Potenzial, die Nachhaltigkeit von Geschäftsprozessen auf verschiedene Weise zu verbessern. Dabei sind die Einsatzgebiete vielfältig. Von der Entwicklung und der Produktion über die Logistik bis zum Vertrieb – Anwendungsmöglichkeiten gibt es fast in jedem Bereich.
Effizienzsteigerung durch Automatisierung
5G-Netze können dazu beitragen, die Arbeitsprozesse von Unternehmen effektiver und effizienter zu gestalten, indem sie durch geeignete Anwendungen zur Erhöhung des Automatisierungsgrades oder gesteigerter Transparenz auf dem Shopfloor führen. Dadurch können Unternehmen ihre Prozesse einfacher skalieren, schneller an sich verändernde Bedingungen anpassen und Betriebskosten reduzieren, unter anderem durch einen gesenkten Energieverbrauch. Zudem kann 5G eine Vielzahl von Anwendungsfällen und teilweise auch die Funktionen mehrerer vorheriger Systeme übernehmen. Das verringert sowohl direkt als auch indirekt CO2-Emissionen.
Realisierung von intelligenten Städten und smarten Gebäuden
40 Prozent der weltweit verbrauchten Energie werden für Heizung, Beleuchtung, Kühlung und andere Vorgänge in Gebäuden aufgewendet. 5G-Netzwerke ermöglichen die Vernetzung und Automatisierung von Stadtinfrastrukturen, einschließlich des Verkehrsmanagements, der Stromversorgung, dem Gebäudemanagement und der Abfallentsorgung. Dies kann dazu beitragen, Ressourcen effizienter zu nutzen und Emissionen zu reduzieren.
Intelligente Gebäude, die mit 5G-Netzen ausgestattet sind, sind ebenfalls in der Lage Energie zu sparen und damit den Kohlenstoffausstoß zu verringern. Ein praktisches Beispiel dafür ist das Empire State Building in New York City. Es hat Sensoren und Zähler implementiert, die den Energieverbrauch messen und optimieren können. Regelung aufgrund dieser automatisierten Zähler und Sensoren senken die Energiekosten um fast 40 Prozent und reduziert die Kohlendioxidemissionen des Gebäudes innerhalb eines Jahres um über 100.000 Tonnen.
Auch in Sachen Mobilität können 5G-Netze für ein Plus an Nachhaltigkeit sorgen. Durch die Vernetzung von Fahrzeugen mit ihrer Umgebung, etwa mit anderen Fahrzeugen, der Infrastruktur oder FußgängerInnen, können Schätzungen zufolge 15 bis 20 Prozent der Kohlenstoffemissionen eingespart werden, da zum Beispiel die Menge der Brems- und Beschleunigungsvorgänge sinkt.
Dies sind nur einige Beispiele dafür, wie Unternehmen durch den Einsatz von 5G nachhaltiger handeln können. Der neue Mobilfunkstandard bildet dabei die Grundlage für mehr Transparenz und höhere Automatisierung, um bestehende Prozesse effizienter zu gestalten und übernimmt dabei die Funktion mehrerer sonst parallel betriebener Systeme. Mit 5G können neue Anwendungsfälle außerdem schneller getestet und produktiv gebracht werden, um so frühzeitig von weiteren Einsparpotenzialen der Digitalisierung und datengetriebener Hyperkonnektivität zu profitieren.
Christian Maasem ist Partner bei Detecon International und Head of Hyperconnectivity. Dr. Shivam Gupta ist Berater bei Detecon International und Experte für Digitainability (Nachhaltige Digitalisierung).
1 https://www.bitkom.org/Klimaschutz
2 https://stlpartners.com/articles/sustainability/5g-and-sustainability/
3 https://plus.empa.ch/images/5G%20climate%20protection_University%20of%20Zurich_Empa.pdf
4 https://www.irena.org/-/media/Files/IRENA/Agency/Publication/2020/Apr/IRENA_GRO_2020_findings_DE.pdf?la=en&hash=513F1AF000BF702F8AE61C566501B3DC68208BEA
5 https://ellenmacarthurfoundation.org/completing-the-picture