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"Das Ziel muss sein, die Wärme zu nutzen."

18. Juni 2021, 6:00 Uhr | Interview: Lukas Steiglechner

Fortsetzung des Artikels von Teil 2

Verbrauchergetriebene Klimafreundlichkeit

Windcloud Wilfried Ritter
Wilfried Ritter, Geschäftsführer von Windcloud: "In der Schweröl-Industrie wird versucht, so lange wie möglich Bohrinseln zu betreiben. So wird es auch mit manchen Rechenzentren sein."
© Storyfischer / Windcloud

funkschau: Was ist Ihrer Meinung nach die größte Hürde für Rechenzentrumsbetreiber, um klimaneutral oder sogar klimapositiv zu agieren?

Ritter: Es hindert sie gar nichts daran. Und sie machen sich auch Gedanken darüber. Diversifizierung von IT-Infrastruktur ist derzeit ein riesiges Thema. Es gab ein paar Vorfälle, darunter auch der OVH-Brand, die hin zu einer Risiko-Management-Bewertung bewegen. Es ist ein Risiko, wenn sich alles an einem Standort befindet. Denn was passiert, wenn dieser mal seine Verbindung verliert? Doch es fehlt an adäquaten Standorten, die wir jetzt zum Teil mitetablieren. Gleichzeitig ist es so, dass Skandinavien sehr viel zu bieten hat. Wollen Unternehmen ihre IT-Infrastruktur nachhaltig und grün gestalten, ist es sehr einfach, nach Skandinavien zu gehen. Das hat vor allem Nachteile für die deutsche Wirtschaft, was einem großen deutschen Konzern bei Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit aber erstmal egal ist. Wir müssten hier also Bedingungen schaffen, die uns mit Dänemark und Skandinavien konkurrieren lassen.

funkschau: Wie würden denn solche Bedingungen aussehen?

Ritter: Ganz einfach: deutlich kürzere Genehmigungsprozesse innerhalb der deutschen Bürokratie. Dänemark braucht drei Monate, wir brauchen drei Jahre. Energiepolitisch müsste man dafür sorgen, dass Rechenzentren zu einer gewollten Industrie werden. Es gibt manche Industriezweige, die von bestimmten Umlagen befreit werden, weil sie hier sonst gar nicht wirtschaften könnten. Ich vergleiche das mit der sogenannten Abwrack-Prämie. Man kann Anreize schaffen, dass sich Verbraucher neue Autos holen und so müsste das auch bei Rechenzentren sein. Die Rahmenbedingungen müssten also konkurrenzfähig zum Umland werden.

funkschau: Sie haben zuvor dezentrale Strukturen angesprochen. Werden künftig viele kleine Rechenzentren überall verteilt sein, bei denen sich die Abwärme dann anders nutzen lässt?

Ritter: Die Abwärme ist da eher zweitrangig. Das macht die Evolution einfach mit. Wir wollen erstmal ein dezentrales Maschennetz von Rechenzentren aufbauen. Unser Ansatz ist, die Rechenzentren neben Umspannwerke und Post-EEG-Windkraftanlagen zu positionieren. Platzmäßig gibt es dort die Möglichkeit, so etwas wie Gewächshäuser hinzustellen. Wie zukunftsträchtig das wird, bestimmen die Anwendungsfälle. Denn diese dezentralen Konzepte werden über die Anwendung bestimmt. Unternehmen wie Facebook haben es aber gar nicht nötig, irgendwas dezentral aufzubauen. Die brauchen nur möglichst viele Server, auch wenn die irgendwo im Keller stehen. Vorerst. Bis der Verbraucher sagt: "Was? Instagram ist nicht grün? Ich emittiere damit aktiv CO2? Oh mein Gott, das will ich nicht."

funkschau: Also sind bei solchen Unternehmen nur die Verbraucherinnen und Verbraucher treibend für die Klimafreundlichkeit?

Ritter: Absolut. Deswegen wollen wir mit voranschreitender Evolution unseres Konzeptes sagen können, dass wir profitabler sind, eben weil wir es in einem Ökosystem gedacht haben und alles ineinander verzahnt ist. Dann werden Amazon und all die anderen das auch machen wollen. Die könnten das wahrscheinlich von heute auf morgen umstellen. Solange aber die Notwendigkeit nicht da ist, schöpfen sie das so lange wie möglich aus. Das ist ähnlich wie in der Schweröl-Industrie. Da wird auch versucht, so lange wie möglich Bohrinseln zu betreiben und überall nochmal einen Anwendungsfall zu finden. So wird es auch mit diesen Rechenzentren sein.

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