Zusätzliche Herausforderungen ergeben sich dabei durch die Anforderungen aus Politik und veröffentlichter Meinung, die Volkswirtschaft möge den Ausstoß vor allem von CO2 deutlich reduzieren und schließlich auf Null absenken. Auch im Bereich Green IT ist die Branche folglich auf Lösungssuche. Dabei hält der Markt schon heute zahlreiche Lösungen bereit, die entlang ihrer Kosten, Verfügbarkeit und Qualität zu bewerten sind. Bekanntermaßen lassen sich Rechenzentren auf der Grundlage von „Papierlösungen“, das heißt unter Einsatz von Herkunftsnachweisen oder Zertifikation, gewissermaßen über Nacht vergrünen. Es stellt sich dabei jedoch die Frage nach Qualität und Akzeptanz solcher Lösungen.
Faktisch arbeiten weite Teile der Branche schon heute mit solchen Instrumenten. Insbesondere im Bereich von RECs oder IRECs ist die Reputation allerdings schlechter, die regulatorische Anerkennung nicht gegeben. In der Folge der Anforderung aus Versorgungssicherheit und Green IT richtet sich der Blick folglich auf weitere Lösungen, die es erlauben, beide Ziele möglichst zu vereinen.
Der Weg hin zu CO2-neutralen Rechenzentren führt einerseits über Effizienzsteigerungen, also über die Vermeidung von Emissionen, und andererseits über die Vergrünung des Stromverbrauchs. Ein erster wichtiger Schritt in Richtung „Green IT“ ist die Nutzung der Abwärme, beispielsweise über die Einspeisung in Nah- oder Fernwärmenetze. Um in solche Netze einzuspeisen, muss das Temperaturniveau der Abwärme von rund 30 °C bis 35 °C mit Hilfe von Wärmepumpen angehoben werden. Ein weiterer Ansatz ist die Kühlung mit Wasser – insbesondere Heißwasserkühlung. Der Vorteil: Das Wasser hat am Server-Ausgang eine Temperatur von ungefähr 60 °C oder höher. Diese Form der Kühlung kommt zum Beispiel bei Supercomputern zum Einsatz, aber auch im Eurotheum in Frankfurt. Die Einführung von Wärmenetzen 4.0, die auf Temperaturniveau von etwa 20 °C bis 95 °C operieren, der „Masterplan 100 Prozent Klimaschutz“ der Stadt Frankfurt, wonach bis zum Jahr 2050 der Energiebedarf weitestgehend regional und aus erneuerbaren Energien gedeckt und die Treibhausgasemissionen drastisch gesenkt werden sollen, und die entstehende Wärmeversorgungslücke aus dem Wegfall von fossil befeuerten Kraftwerken könnten diese Entwicklung antreiben.
Eine weitere Möglichkeit zur Effizienzsteigerung von Rechenzentren ist die Nutzung von Gleichstromtechnik und somit die Reduzierung von Umspannverlusten. Die Umstellung ergibt aus technischen Gesichtspunkten Sinn, da Server, USV und beispielsweise auch PV-Anlagen mit Gleichstrom arbeiten. Erste Pilotprojekte, bei denen die Versorgung auf 400-V-Ebene stattfindet, gibt es schon. Die Umrüstung ist allerdings mit hohem Aufwand verbunden, insbesondere da es noch keine Gleichstromstandards und nur eine eingeschränkte Verfügbarkeit an DC-Equipment auf dem Markt gibt. Bei der Vergrünung des Stromverbrauchs sind Zertifikate auf absehbare Zeit keine Lösung mehr für Rechenzentren. Kurz- bis mittelfristig bieten sich hingegen Eigenversorgungslösungen an, die es erlauben würden, Green IT und Versorgungssicherheit gleichzeitig zu adressieren. Um ein Rechenzentrum „physisch“ und Viertelstunden-scharf mit Strom aus erneuerbaren Quellen zu versorgen, sind PV- und Windenergie aufgrund des nahezu konstanten Strombedarfs ungeeignet.
In diesem Kontext bieten hocheffiziente KWK-Anlagen heute eine Übergangslösung, da sich so der Carbon Footprint verglichen mit dem aktuellen Strommix senken lässt. Des Weiteren sind moderne Gasturbinen „H2-ready“ und somit für die in Zukunft proklamierte Versorgung mit Wasserstoff gerüstet. Ein mit „grünem Wasserstoff“ versorgtes Rechenzentrum könnte so bezogen auf den Strombezug und abhängig von der Systemgrenze „CO2-neutral“ operieren. Mittel- bis langfristig könnten sogar Brennstoffzellen genutzt werden.
Dominik Weyland ist geschäftsführender Gesellschafter bei Enexion, Joachim Bohn ist dort Consultant.