Die schnellsten Digitalisierungsfortschritte erwartet gut die Hälfte der Befragten in der genannten Umfrage beim Zugang zu digitalen Angeboten (53,4 Prozent) zum Beispiel im Bereich der Bildung. Ebenfalls rund jeder Zweite (52,5 Prozent) geht von Fortschritten bei der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft aus, jeder Dritte (33,9 Prozent) von mehr Effizienz durch Automatisierung.
Doch nicht nur für die Wahrung des liebgewonnenen Wohlstandsniveaus ist digitale Unterstütuzng ein wichtiger Hebel: Jutta Gräfensteiner betonte, „dass Digitalisierung auch maßgeblich zur Emissionseinsparung beitragen kann“. Sie berief sich auf eine Accenture-Studie im Auftrag des Branchenverbandes Bitkom, vorgestellt im März 2021, wonach sich durch forcierte Digitalisierung ein großer Teil der bis 2030 erforderlichen Emissionseinsparungen realisieren ließen: „Unter Berücksichtigung des durch digitale Geräte oder Infrastrukturen erzeugten CO2-Ausstoßes beträgt die durch Digitalisierung erreichbare CO2-Einsparung 126 Megatonnen netto“, ließ der Bitkom damals verlauten. Als Beispiel führte Gräfensteiner die CO2-Bilanz des hauseigenen „Webex Desk Pro“-Videosystem für den Betrieb im Home-Office an: Bereits durch das Wegfallen eines einzigen Flugs amortisiere sich die Kamera inklusive deren Herstellung in puncto CO2-Emissionen.
Uwe Peter ergänzte, die Digitalisierung müsse mit Blick auf Nachhaltigkeit „neu gedacht werden“. Zum Beispiel erzeuge eine einzige Bitcoin-Transaktion (unter Berücksichtigung des Bitcoin-Minings) über 600 kg Kohlendioxid-Ausstoß: „Dafür können herkömmliche Kreditkartenbetreiber über eine Million Buchungen machen“, so Peter. „Da sieht man, was für ein Energiewahnsinn in dieser neuen Technologie drinsteckt.“
Als positives Beispiel nannte Peter das HD-Videoconferencing – ein weiteres Geschäftsfeld des US-Anbieters. Eine Stunde HD-Videokonferenz erzeuge ungefähr 600 Gramm Kohlendioxid, ohne HD seien es nur 100 bis 200 Gramm. Ein Hin- und Rückflug von Berlin nach München hingegen schlage mit 300 kg CO2 zu Buche. Man könnte also für das CO2-Budget eines Fluges nach München 500 Stunden HD-Videokonferenz durchführen, rechnete er vor.
Als positive Entwicklung konstatierte Lobo eine Haltungsänderung zu Remote Work: Man habe im Mai 2020 – also während des Corona-Lockdowns – gemerkt: Es geht ja doch via Videokonferenz! Diese Haltungsänderung könne im Zusammenspiel mit Technologie etwas bewirken, „wenn die entsprechenden Rahmenbedingungen da sind“, so Lobo weiter. So entscheide bei der „Generation Fachkräftemangel“ mitunter die Home-Office-Option über die Wahl des künftigen Arbeitgebers.
Die Wahrnehmung der Digitalisierung wird – und muss – sich laut Gräfensteiner wandeln: „Die Zeiten von On-Demand-Delivery – also heute bestellt, morgen geliefert – sind erst mal auf absehbare Zeit vorbei.“ Von Unternehmen – wie auch im Privaten – erfordere die aktuelle Lage eine vernünftige mittel- und langfristige Bedarfsplanung. Hier gelte: „An Digitalisierung geht kein Weg mehr vorbei, wenn ein Unternehmen erfolgreich sein will“, so die Cisco-Managerin. Uwe Peter pflichtete bei: Digitale Services hätten sich bislang „angefühlt wie Pizza-Bringdienste“. Doch das seien nicht die Hauptaufgaben der Zukunft: „Die Digitalisierung muss dafür sorgen, dass wir die echten Probleme lösen,“ forderte er.
Vor diesem Hintergrund hat Cisco Deutschland sein 2016 gestartete Investitionsprogramm „Deutschland Digital“ nachjustiert. „In unserem Plan sind die Initiativen verankert, die Deutschland für mehr Digitalisierung und Nachhaltigkeit braucht“, so Jutta Gräfensteiner. „Deutschland Digital“ umfasst jetzt laut Cisco-Angaben drei Säulen: erstens „moderner Staat“, also die Digitalisierung von Bildung, Verwaltung und Gesundheitswesen; zweitens „starke Wirtschaft“, somit das allgegenwärtige Thema „digitale Transformation“, das von der Prozessoptimierung über 5G-Mobilfunk bis zum Betrieb und der Absicherung kritischer Infrastruktur reicht; und drittens „soziale Verantwortung“: Hier bemühe sich Cisco um die Förderung von Chancengleichheit, Wohlstand und Nachhaltigkeit.
Man kann den Bemühungen Ciscos für zügigere Digitalisierung nur die Daumen drücken. Vielleicht klappt’s damit ja noch, dass Deutschland – trotz einer Energiewende, die ähnlich zähflüssig dahinkriecht wie die Pandemiebewältigung und die Digitalisierung der Behörden – seine Klimaziele für 2030 erreicht. Und vielleicht kann man sich, wenn der Fortschritt forsch fortschreitet, eines Tages sogar in Berlin Mitte beerdingen lassen, während die Friedhofsverwaltung ihre Software aktualisiert. Doch vorerst gilt für das friedhöfliche Update jenes Vorgehen, mit dem der Nachrichtenkanal rbb24 einen Sprecher der Berliner Bestattungsinnung zitiert: „Bei Erdbestattungen müssten die Verstorbenen so lange in Kühlhäusern lagern.“ Tja, dit is Berlin. Oder eben das Symptom einer bislang nur unterkühlt umgesetzten Digitalisierung.