Herausforderungen für Energieversorgung

KI-Revolution: Warum Halbleiter allein nicht ausreichen

23. Oktober 2024, 11:30 Uhr | Autor:innen: Alan Priestley und Menglin Cao / Redaktion: Diana Künstler
© hakule – stock.adobe.com

Schon heute führt die Menge an Rechenleistung, die für den Betrieb großer Sprachmodelle erforderlich ist, zu einem rasanten Anstieg des Stromverbrauchs. Als Hoffnungsträger für die angespannte Situation mit begrenzter Energie gilt die Halbleitertechnologie. Warum dieser Ansatz allein nicht genügt.

Der Betrieb großer Sprachmodelle (Large Language Models, LLMs) treibt den Energieverbrauch in bisher ungeahnte Höhen. Mit der Rechenleistung, die für diese fortschrittlichen Anwendungen erforderlich ist, gelangt auch die verfügbare Energieinfrastruktur an ihre Grenzen. Kurz: Immer leistungsstärkere Modelle verursachen einen exponentiell wachsenden Energiebedarf – in Rechenzentren ebenso wie in Unternehmen anderer Branchen. Organisationen, die auf KI-Anwendungen angewiesen sind, sehen sich dadurch mit erheblichen Herausforderungen konfrontiert.

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Energiebedarf wächst enorm

Einer aktuellen Gartner-Studie zufolge1 wird der Energiebedarf für KI-Infrastrukturen bis zum Jahr 2027 auf etwa 500 Terawattstunden (TWh) jährlich anwachsen – das entspricht dem 2,6-fachen des Verbrauchs im Jahr 2023. Diese Entwicklung stellt nicht nur eine Belastung für die Energieverfügbarkeit dar, sondern erhöht auch den Kostendruck für Rechenzentrumsbetreiber erheblich. Gleichzeitig steigen die Anforderungen an die Rechenleistung der Server weiter, und erhöhen damit den Druck auf Unternehmen, ihre Energieeffizienz kontinuierlich zu verbessern. Gefragt sind innovative Lösungsansätze, um die steigenden Energiekosten in den Griff zu bekommen und potenzielle Engpässe in der Stromversorgung vermeiden zu können.

Halbleitertechnologie als Teillösung

Als Hoffnungsträger für die angespannte Situation mit begrenzter Energie findet häufig die Halbleitertechnologie Erwähnung. So versprechen Fortschritte in der Chiplet-Technologie und in der modernen Verpackung von Halbleitern eine signifikante Senkung des Energieverbrauchs in Rechenzentren. Klar ist aber auch: Diese Technologien allein werden nicht ausreichen, um die wachsende Energienachfrage langfristig decken zu können. Unternehmen im KI-Umfeld müssen vielmehr breitere Innovationsstrategien entwickeln und verfolgen, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Zudem wirft die steigende Nachfrage nach „KI-Energie“ Fragen zum Thema Nachhaltigkeit auf. Schon heute stehen viele Rechenzentren unter Druck, ihre CO2-Emissionen zu senken und auf erneuerbare Energien umzusteigen. Gleichzeitig zwingt der Bedarf an immer leistungsfähigeren Servern Data Center, ihre Nachhaltigkeitsziele mit den Anforderungen der KI-Modelle in Einklang zu bringen. Wie also lässt sich die Energieeffizienz maximieren, ohne dabei die Nachhaltigkeitsziele zu gefährden?

Grüne Software als Hebel zur Effizienzsteigerung

Ein häufig übersehener, aber entscheidender Faktor zur Reduzierung des Energieverbrauchs ist die Effizienz von Software. In der Gartner-Studie1 unter 31 Technologieanbietern aus dem Halbleitersektor erklärten 65 Prozent der Befragten, dass Lösungen über die Halbleitertechnologie hinaus erforderlich seien, um das Energieproblem mit dem KI-Boom bewältigen zu können. Rund ein Drittel der interviewten Unternehmen betonte, dass die Optimierung der Software von entscheidender Bedeutung sei.

Tatsächlich kann effiziente Software den Energieverbrauch erheblich senken, indem sie die Rechenleistung optimiert und unnötige Prozesse eliminiert. Unternehmen sollten daher vermehrt auf „grüne Softwareentwicklung“ setzen, bei der der Energieverbrauch bereits in der Entwicklungsphase berücksichtigt wird. Eine systematische Analyse der Energieverbräuche von KI-Anwendungen und ihrer Infrastrukturen sowie die Identifikation der energieintensivsten Komponenten sind essenziell, um gezielt Effizienzsteigerungen zu realisieren. Mit dieser Strategie schlagen Organisationen zwei Fliegen mit einer Klappe: Sie senken nicht nur die Energiekosten, sondern tragen auch zur Erreichung von Nachhaltigkeitszielen bei.

Einschränkungen für IT-Organisationen

Neben den finanziellen Herausforderungen wird die Verfügbarkeit von Strom in den kommenden Jahren für viele Rechenzentren zu einem limitierenden Faktor. Gartner schätzt, dass bis 2027 etwa 40 Prozent der bestehenden KI-Rechenzentren aufgrund von Stromengpässen an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen werden. Dies könnte Unternehmen dazu zwingen, ihre Entwicklungspläne zu überdenken und alternative Lösungen zu finden. Zusätzlich stellt die zunehmende Wärmeerzeugung, die mit der Nutzung leistungsstärkerer Chips einhergeht, eine wachsende Problematik dar. Die hohe Verarbeitungsdichte führt zu einer verstärkten Wärmeabgabe, die nicht nur die Lebensdauer der Halbleiter verkürzt, sondern auch das Risiko von Systemausfällen in Rechenzentren erhöht. Die Folge: Die Zuverlässigkeit der Server beeinflusst damit die Verfügbarkeit von KI-Anwendungen negativ.

Regulatorische Herausforderungen und Nachhaltigkeit

Neben technischen Hürden sehen sich Unternehmen allerdings zunehmend auch mit regulatorischen Anforderungen konfrontiert, die den Energieverbrauch ihrer Rechenzentren einschränken sollen. So hatte die Europäische Union kürzlich eine Verordnung erlassen, die ein System zur Bewertung der Nachhaltigkeit von Rechenzentren etablieren soll2. In den kommenden Jahren ist mit weiteren Vorschriften zu rechnen, die sowohl den Energieverbrauch als auch die CO2-Emissionen dieser Infrastrukturen weiter regulieren werden.

Unternehmen, die KI-Infrastrukturen betreiben, müssen ihre Energieeffizienz also nicht nur aus wirtschaftlichen, sondern auch aus regulatorischen Gründen verbessern. Der verstärkte Einsatz erneuerbarer Energien wird dabei eine Schlüsselrolle spielen. Schon seit geraumer Zeit haben Rechenzentren damit begonnen, den Anteil erneuerbarer Energien in ihrem Energie-Mix zu erhöhen. Für ältere Einrichtungen, die bereits jetzt an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen, wird die Modernisierung der IT-Infrastruktur zugunsten energieeffizienter Verbräuche jedoch eine besondere Herausforderung darstellen.

Alan Priestley ist VP Analyst. Menglin Cao ist Director Analyst, beide bei Gartner.

1 https://www.gartner.com/en/documents/5649523
2 https://energy.ec.europa.eu/news/commission-adopts-eu-wide-scheme-rating-sustainability-data-centres-2024-03-15_en


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