Das Geschäft mit Schaltern und Tasten ist noch immer Kerngeschäft und trägt rund 50 Prozent zum Umsatz bei. Darauf lag auch das Hauptaugenmerk beim Börsengang 2021. Daran konnte der neue CEO im Jahr darauf zwar nichts mehr ändern.
2023 war jedoch ein Transformationsjahr. „Wir haben angefangen, das Geschäftsmodell um 180 Grad zu drehen“, berichtet Kaltner. Mit chinesischen Massenfertigern zu konkurrieren, sei für den letzten europäische Hersteller von Schaltern sinnlos. „Wir müssen aus dem Massenmarkt raus, das können die chinesischen Hersteller besser und billiger“, hat Kaltner erkannt.
Die Geschäftsentwicklung bestätigt Kaltners Einschätzung. Im Geschäftsjahr 2022 und von Januar bis September 2023 ging Cherrys Schalter-Geschäft um 62,5 Prozent beziehungsweise 48 Prozent zurück. Als Gründe nennt das Unternehmen „zu geringe Absatzmengen mit zu niedrigen Stückmargen im Schalter-Geschäft“, die Fixkosten seien in Folge der signifikante Kapazitätsunterauslastung zu hoch.
Ende 2023 wurde daher eine substanzielle Neuausrichtung des Schaltergeschäfts vorgenommen. Die Produktion von MX2-Schaltern für Partner-Produkte, wurde an einen Partner in China ausgelagert. Die firmeneigenen Standorte Auerbach und Zhuhai sollen zu globalen Innovationscentern umgebaut werden. Dort will Cherry Engineering Competence für Gaming-Produkte mit lokalen Entwicklungsteams und Start-ups aufbauen. Für die Neustrukturierung werden bis 30. März 2024 allerdings auch 100 der 455 Arbeitsplätze wegfallen.
Einige Stellschrauben im Vertrieb gedreht
Langfristig sollen alle Unternehmensbereiche wieder wachsen, aber profitabel, wie Kaltner betont. Für den Geschäftsbereich „Components“ erwartet er durch die Maßnahmen eine positive Konsolidierung und Rückführung in die Gewinnzone noch im laufenden Jahr 2024 vor.
„Schalter werden immer 15 bis 20 Prozent ausmachen, aber nicht mehr die Hälfte des Geschäfts“, so Kaltner. Deutlich interessanter findet er aber die anderen Geschäftsbereiche „Peripherals für Office und Gaming“ sowie „Digitalisierung Gesundheitswesen“. Die seien intakt und mit guten Wachstumschancen 2024.
Auch im Geschäft mit PC-Peripherie wurden einige Stellschrauben gedreht. Kaltner hat organisatorische und vertriebliche Änderungen vorgenommen und seitdem laufe es „richtig gut“. So wurden in einigen Länder Distributionspartner ausgetauscht und die Portfolios bereinigt. Cherrys Vorteil sei die eigene Produktion, da könne man auch kleine Stückzahlen individuell customizen und das werde entsprechend höher bezahlt. Im Gaming gebe es da durchaus Nachfrage. „Aber wir machen nicht mehr jede Kleinserie für jeden lokalen Markt“, sondern nur noch für große Zielmärkte“, erläutert der CEO.
Auch der Gaming-Bereich laufe gut, seitdem Cherry im vergangenen Jahr den schwedischen Hersteller von Gaming-Peripherie, Xtrfy, übernommen und den neuen Gaming-Brand „Cherry Xtrfy“ gelauncht hatte.
Hoffnungsträger Healthcare
Hoffnungsträger ist für den CEO jedoch das Healthcare-Geschäft. Cherry ist einer von zwei Herstellern von E-Terminals, die in vielen Arztpraxen und Apotheken zum Einsatz kommen. Und hier tut sich laut Kaltner durch die Einführung des E-Rezepts ein Riesenmarkt auf. Der Markt sei erst in den Anfängen, in Deutschland gebe es einen Riesen-Nachholbedarf bei der Digitalisierung des Gesundheitssektors. Und dabei gehe es bei Cherry nicht nur um Hardware, betont Kaltner: „Cherry ist keine Hardware Company, sondern Hardware und Software. Es gibt kein entkoppeltes Hardware-Geschäft mehr. Wir wollen Teil der Digitalisierung sein“
Langfristig werde das E-Terminal nur ein Device sein, um weitere Services zu nutzen. Denn Healthcare sei prädestiniert für Cloud-Services. Cherry soll daher künftig nicht mehr nur die Terminals verkaufen, sondern Lösungen und Services.
Durch zwei Übernahmen – Active Key 2021 und Theobroma 2020 – sieht Kaltner das Unternehmen gut aufgestellt. Vor allem deren Entwicklerressourcen müssten besser genutzt werden.
Auch vertriebsseitig sieht er Nachholbedarf. Wie Cherrys Peripheriegeschäft laufe auch das Medizingeschäft über ein dreistufiges Vertriebsmodell mit klassischer Distribution, Retailern und Etailern. Ärzte und Physiotherapeuten hätten im Praxisalltag aber keine Zeit, sich mit IT zu beschäftigen. Sie brauchten vielmehr eine schnelle Einführung.
Vor allem Systemhäuser seien hier gefordert, die nötigen Trainings aufzusetzen. Mit sechs arbeitet Cherry in diesem Segment bereits zusammen und speziell Bechtle, aber auch Cancom machten hier einen super Job. Das Potenzial sei riesig, müsse aber jetzt angegangen werden, bevor es zu spät sei. Dabei müssten im Vertrieb eben auch mal neue Wege beschritten werden. Hier sieht er vor allem die Systemhäuser in der Pflicht: „Die müssen jetzt aktiv werden“.