Cherry hat die Umsatzprognose für das dritte Quartal gerissen. Schuld ist laut CEO Oliver Kaltner die Kaufzurückhaltung in Deutschland. Ein Restrukturierungsprogramm soll Kosten senken. Der Bereich „Gaming & Office Peripherals“ wird umgebaut, Leiter René Schulz muss gehen. Kaltner übernimmt.
Die Kaufzurückhaltung der deutschen Consumer wie auch des Mittelstands haben dem Peripherie-Spezialisten Cherry die Quartalsbilanz gründlich verhagelt. Wie der Hersteller mitteilt, seien die Umsatzziele für das 3. Quartal nicht mehr zu erreichen und damit wohl auch die Ziele für das Gesamtjahr in Gefahr.
Cherry SE erwartet laut Mitteilung nur noch ein Umsatzniveau von rund 22 Millionen Euro im dritten Quartal 2024 und liegt damit deutlich unter den prognostizierten 35 Millionen Euro.
Als Gründe für die massive Abweichung nennt Cherry die deutlich negative Konjunkturentwicklung und rezessive Wachstumsaussichten in Deutschland. „Sowohl im B2B- als auch im B2C-Bereich registriert Cherry eine nennenswerte Kaufzurückhaltung bei Peripheriegeräten, basierend auf einem Rückgang der generellen Unternehmensinvestitionen und -ausgaben sowie einer erhöhten Sparquote bei den privaten Haushalten“.
CEO Oliver Kaltner verweist explizit auch auf die angespannte Situation im deutschen Mittelstand. „Die Cherry SE ist international aufgestellt, aber Deutschland ist unser wichtiger Heimatmarkt und somit trifft die schwache Konsumentennachfrage in Kombination mit fehlender volkswirtschaftlicher Wachstumsperspektive auch uns in deutlichem Umfang“. Um die Situation gerade der mittelständischen Firmen in Deutschland nicht noch weiter zu verschlechtern, fordert Kaltner von der Politik einen sofortigen Bürokratieabbau und eine umfassende Deregulierung: „Jedwede weitere Belastung, etwa durch Lieferkettengesetz oder Reportingpflichten, können wir nicht mehr leisten. Das ist die Voraussetzung für Sicherheit bei der Standortplanung. Die Verbraucher in Deutschland brauchen Orientierung, Perspektive und endlich auch wieder Zuversicht.“
Zum jetzigen Zeitpunkt geht der Cherry-Vorstand davon aus, dass sich der geringere Konzernumsatz auch negativ auf die bereinigte EBITDA-Marge für das dritte Quartal und damit für das gesamte Geschäftsjahr auswirken wird.
Basierend auf der im ersten Halbjahr erzielten bereinigten EBITDA-Marge von 4 Prozent und den Ergebnissen des dritten Quartals werde derzeit die Prognose für das vierte Quartal, berechnet, um den erwarteten Umsatz und bereinigte EBITDA-Marge für das Gesamtjahr zu ermitteln. Angesichts der erheblichen Unsicherheiten und der sich rapide verschärfenden Rezession im deutschen Heimatmarkt will sich die Gesellschaft zur Prognose 2024 äußern, sobald eine verlässliche Einschätzung möglich ist.
Notfallprogramm für Gaming- und Peripheriebereich
Während der Geschäftsbereich Digital Health & Solutions laut Cherry weit über dem vergleichbaren Vorjahresquartal liege, sieht das Unternehmen sofortigen Handlungsbedarf im Bereich Gaming & Office Peripherals. Dort wurde mit sofortiger Wirkung ein Kosteneinsparungsprogramm aufgelegt, das bis Jahresende mindestens 3,5 Millionen Euro ergebniswirksam erzielen soll.
Außerdem soll der Geschäftsbereich umgebaut werden und dafür muss René Schulz gehen, der seit April 2022 für den Bereich verantwortlich war. Laut Cherry hat die Sparte seit Ende 2022 Schwierigkeiten, ihre internen Struktur- und Wachstumspläne zu erfüllen.
Cherry SE habe bereits einen konkreten Nachfolgeplan entwickelt, betont Kaltner. „Wir werden die Zeit bis zum Eintritt eines Nachfolgers in die Cherry SE effizient nutzen, um diesen wichtigen Geschäftsbereich zu restrukturieren und auf den geplanten Wachstumspfad zu führen. Nach der erfolgreich abgeschlossenen Sanierung des Geschäftsbereiches Components sowie der vollständigen Neuorganisation des Finanzbereichs und einer damit gesteigerten Transparenz werden sich das Managementteam und ich persönlich in Interim-Verantwortung nun auf Gaming & Office Peripherals fokussieren.
Neuausrichtung des Channelvertriebs
Die ersten Maßnahmen stehen schon fest. So soll der EMEA-Vertrieb über Distributions- und Retail-Partner stärker direkt auf Konsumenten (B2C) ausgerichtet werden. Cherry will sich künftig auf die europäischen Kernmärkte Frankreich, UK, Spanien, Italien und Portugal konzentrieren. Deutschland wird bei den Planungen als Folge der schwachen Wirtschaftsentwicklung und somit niedriger Konsumentennachfrage weniger stark gewichtet.
Außerdem plant CEO Kaltner eine Neuausrichtung der B2B-Geschäftsbeziehungen mit den etablierten Distributions- und Systemhauspartnern. Cherry werde ein neues Dealterm- und Margenmodell vorstellen, welches einerseits einen etwaigen Graumarkt austrockne, und andererseits Aktivitäten auf gesteuerte Sell-Out-Maßnahmen fokussiere und dadurch für mehr Profitabilität sorgen soll.
„Überdies streben wir eine stärkere Ausrichtung auf das B2C-Geschäft und die Aktivierung der jungen Geschäftsbeziehungen mit den neuen Vertriebspartnern Amazon, MediaMarkt, ELGIGANTEN, Dixons und FNAC DARTY an. Entsprechend werden wir unseren Vertrieb auch personell umstellen. In diesem Zusammenhang werden wir auch unser EMEA-Vertriebsteam entsprechend umstrukturieren“, so der CEO.