Deutschland verschenkt durch die unvorteilhaften Jobvoraussetzungen für weibliche Fachkräfte im Bereich IT und Digitalwirtschaft große Potenziale. Nicht zuletzt werden deutsche Unternehmen dadurch auch weiterhin im internationalen Vergleich abgehängt werden. Dabei scheint der Wunsch ein anderer zu sein: 90 Prozent der Befragten sind sich einig, dass Männer und Frauen im Job gleichbehandelt werden sollen. Als Top-3-Maßnahmen werden hier eine entsprechende Unternehmenskultur, die Chancengleichheit fördert, objektive Leistungsbewertungen und flexible Arbeitstaggestaltung genannt. Das Bewusstsein für Gleichberechtigung ist also vorhanden – auch die wirksamsten Hebel für einen grundlegenden Wandel wurden erkannt. Umso erschreckender, dass die Hälfte der Befragten der
Meinung ist, dass Frauen nur eingestellt werden, um eine Quote zu erfüllen. Letztlich braucht es nach wie vor Veränderungen in vielerlei Hinsicht, die sich nicht von heute auf morgen umsetzen lassen. Es bedarf eines grundlegenden kulturellen Wandels.
Gewisse Ansätze der Kulturveränderung lassen sich durch die derzeitige Krise bereits beobachten. In zahlreichen virtuellen Meetings durften wir via Live-Schaltung Einblicke in private Lebensbereiche unseres Gegenübers werfen. Die Remote-Work-Situation hat ein Gefühl des Miteinanders hervorgebracht. Dank digitaler Infrastrukturen ließen sich private Momente in einem sonst rein professionellen Kontext miterleben: Man bekam mit, dass der Postbote klingelte, sah, wie sich Haustiere an ihre Besitzer schmiegen und nicht selten bekam man auch die lebhaften Emotionen der Kinder mit, die sich ja in gewisser Weise auch im Homeoffice befanden. Diese unschärferen Grenzen zwischen Arbeits- und Privatleben führten nicht nur dazu, dass wir uns alle ein Stück besser kennenlernen, sondern auch zu einer stärkeren Toleranz gegenüber alternativen Arbeitsmodellen. In Zukunft könnten gerade berufstätige Eltern von dieser Entwicklung profitieren.
Wachsende Flexibilität und die Möglichkeit zur Selbstorganisation spielen jenen, die trotz Familie ihre beruflichen Ziele verfolgen, in die Karten. Besonders Frauen, die sich bewusst für Kinder entschieden haben, waren bislang zumeist dazu gezwungen, ihre Karriere gegen ein reduziertes Teilzeitarbeitsverhältnis einzutauschen. Für sie könnten sich jetzt ganz neue Möglichkeiten des „Sowohl als auch“ ergeben. Dabei gilt es jedoch ebenso, die Kehrseite der Medaille zu bedenken: Tendenzen der Verschmelzung von Berufs- und Privatleben bergen erhöhte Risiken der Selbstausbeutung. Deshalb ist es wichtig zu betonen, dass virtuelle Teamarbeit, agile Prozesse und flexible Gestaltung des Arbeitsortes allein noch lange kein Garant für erfolgreich gelebte New-Work-Kultur sind.
Jakob Kobabe ist Senior Sales Team Manager bei Computer Futures, einem Geschäftszweig von SThree
Gleichberechtigung als Geheimrezept gegen den Gender Gap in der IT-Branche? |
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IT-Expertinnen sollten mutig ihren Weg gehen, während die Führungsebene die Voraussetzungen dafür schafft. So leicht ist das in der Realität oft nicht, aber eine gewisse Wahrheit steckt doch in diesem Satz. Grundsätzlich sollten sich Frauen von diesem männerdominierten Bereich auf keinen Fall abschrecken lassen, sondern selbstbewusst ihre berufliche Laufbahn im IT-Umfeld starten. In dieser Branche wird Leistung großgeschrieben und wer Karriere machen will, muss mit fachlichem Know-how, Soft Skills wie Kommunikationsstärke und Einsatzbereitschaft überzeugen – alles Kriterien, die letztlich unabhängig vom Geschlecht der Kandidaten sind. Auch die aktive Pflege eines beruflichen Netzwerks ist zu empfehlen. In der Regel sorgen diese Kontakte für den entscheidenden Karriere-Boost. Doch nicht nur für IT-Expertinnen und solche, die es werden möchten, gilt es jetzt aktiv zu werden. Um über Jahrzehnte gewachsene Strukturen zu verändern, müssen Impulse für mehr Gleichberechtigung von der Führungsebene kommen. Nur wenn eine entsprechende Kultur von oben vorgelebt wird, kann sich diese Offenheit und Diversität im gesamten Unternehmen entwickeln. Damit sich potenzielle Kandidatinnen wohlfühlen, sollten Werte wie Transparenz, gegenseitiger Respekt und Vertrauen geschaffen werden. Die Voraussetzung für echte Gleichberechtigung ist schließlich, dass wir uns alle noch viel mutiger der Frage stellen: Behandeln wir wirklich alle gleich? |