Mit fortschreitenden Impfungen und niedrigen Infektionszahlen holen Unternehmen immer mehr Beschäftigte aus dem Homeoffice zurück. Firmen versuchen, den Normalbetrieb wiederherzustellen und tüfteln an flexiblen Arbeitsmodellen. Dabei zeigt sich: Das Büro spielt weiter eine zentrale Rolle.
Ungeachtet des Trends zum Homeoffice wird das Büro vorerst nicht aus dem Arbeitsalltag verschwinden. Zwar halten sich Unternehmen in Deutschland noch etwas bei der Anmietung neuer Flächen zurück, doch eine Abkehr vom Büro im großen Stil bleibt bislang aus. Ökonomen, Makler und Immobilienexperten erwarten, dass Corona die Arbeitswelt mit mehr Homeoffice umwälzen wird, einen Abgesang auf das Büro aber halten sie für verfrüht.
Vor rund eineinhalb Jahren wechselten Millionen Arbeitnehmer wegen der Corona-Pandemie quasi über Nacht ins Homeoffice, mittlerweile ist eine stetig wachsende Mehrheit der Beschäftigten wieder im Unternehmen tätig. Im Juli arbeitete nur noch gut ein Viertel zumindest zeitweise zu Hause, schätzte das Münchner Ifo-Institut. Die Ökonomen führen das nicht nur auf das Ende der Homeoffice-Pflicht für Unternehmen zurück, gegen die sich Wirtschaftsverbände vehement sperrten. „Die Menschen suchen wieder häufiger den persönlichen Kontakt im Büro“, sagte Ifo-Wissenschaftler Jean-Victor Alipour.
Überdurchschnittlich oft in den eigenen vier Wänden arbeiten noch Beschäftigte in Dienstleistungsberufen – Tendenz fallend. In der Industrie, im Handel und am Bau, wo das Homeoffice ohnehin nur beschränkt möglich ist, sind Heimwerker nur eine kleine Minderheit.
Dass Unternehmen das Büro nicht abgeschrieben haben, zeigt auch die Widerstandskraft der Büromärkte – trotz des Wirtschaftseinbruchs in der Pandemie. Verzeichnete der Großmakler Jones Lang LaSalle (JLL) bei den Vermietungen im Krisenjahr 2020 eine Abnahme von über einem Drittel in den sieben größten deutschen Städten, blieben seither große Rückgänge aus. Im ersten Halbjahr verbuchte JLL bei stabilen Spitzenmieten einen Flächenumsatz von 1,31 Millionen Quadratmetern – ein Minus nur von einem Prozent zum Vorjahreszeitraum.
Auch wenn das Vorkrisenniveau noch nicht erreicht ist: „Der Markt hat sich schnell gefangen“, sagt Stephan Leimbach, Chef für Bürovermietungen bei JLL Deutschland. Dank der Staatshilfen seien Insolvenzen im großen Stil ausgeblieben und auch der Arbeitsmarkt sei robust. Die meisten Mietverträge laufen ohnehin über Jahre. Für die zweite Jahreshälfte erwartet JLL eine Belebung der Vermietungen und 2021 ein Plus von fünf Prozent zum Vorjahr. Konkurrenten wie Colliers und BNP Paribas Real Estate erwarten ebenfalls bessere Geschäfte.
Auch bei Investoren stehen Büroimmobilien in Top-Lagen hoch im Kurs. So kaufte die Allianz mit der Bayerischen Versorgungskammer das Bürohochhaus „T1“ im Frankfurter Bankenviertel für die Rekordsumme von 1,4 Milliarden Euro. Vier Jahre vor Eröffnung sind zwei Drittel der Flächen an Mieter aus der Banken- und Beratungsbranche vergeben.
Für Unternehmen sind die Einsparmöglichkeiten durch weniger Büroflächen verlockend, doch einige Chefs legen Wert darauf, ihre Mitarbeiter im Büro zu haben. „Wenn es einen gesetzlichen Anspruch auf Homeoffice geben würde, dann bräuchte ich garantiert 50 Prozent mehr Leute, weil die Effizienz leiden würde“, sagte Wolfgang Grupp, Chef des Textilherstellers Trigema, jüngst dem „Spiegel“.