Die ITK-Branche hat agile Methoden bereits in den 1990er-Jahren eingeführt und profitiert seither von Modellen wie Scrum-Teams, DevOps-Ansätzen und Continuous Delivery. Doch lassen sich diese Modelle auf andere Branchen übertragen?
Die praktische Anwendung zeigt sowohl Potenzial als auch Grenzen. Kundenorientierung und iterative Prozesse sind branchenübergreifend von zentraler Bedeutung. Allerdings stehen produzierende Unternehmen vor spezifischen Herausforderungen durch regulatorische Vorgaben und etablierte Produktionsprozesse. Während ITK-Unternehmen Veränderungen agil umsetzen können, benötigen traditionelle Industrien wie der Automobilsektor längere Entwicklungszyklen. Auch die Führungsstrukturen unterscheiden sich grundlegend: ITK-Unternehmen praktizieren flache Hierarchien, während klassische Industrien oft hierarchisch organisiert sind.
Der Finanzsektor und öffentliche Dienst stehen vor ähnlichen Transformationsherausforderungen. Banken und Versicherungen implementieren zunehmend agile Praktiken, um ihre Marktreaktionsfähigkeit zu verbessern und kundenzentrierte Lösungen zu entwickeln. Im öffentlichen Sektor bieten agile Grundsätze besonders in der Softwareentwicklung und Prozessdigitalisierung Vorteile, müssen jedoch mit rechtlichen Rahmenbedingungen in Einklang gebracht werden.
Trotz dieser Unterschiede gibt es viele Ansätze, um agile Methoden auch in anderen Sektoren zu implementieren. IT-Dienstleister setzen verstärkt auf DevOps-Praktiken, um IT-Services flexibler und effizienter bereitzustellen und binden ihre Kunden stark in den Entwicklungsprozess ein, um passgenaue Lösungen zu schaffen.
In der Industrie können agile Prinzipien dabei helfen, Produktionsprozesse anzupassen und schneller auf veränderte Marktanforderungen zu reagieren. Ein agiler Coach ist dabei ein Sparringspartner für die Entwicklung einer passenden Unternehmenskultur. Organisationen müssen eine offene Kommunikation etablieren und Teams zu eigenverantwortlichem Handeln befähigen. Führungskräfte entwickeln sich dabei zu agilen Coaches, die ihre Teams unterstützen und begleiten.
Der Schlüssel zum Erfolg liegt in der individuellen Anpassung agiler Praktiken an branchenspezifische Anforderungen. Ein hybrider Ansatz, der klassische Projektmanagement-Methoden mit agilen Prinzipien kombiniert, kann in regulierten Branchen eine praktikable Lösung sein. Beispielsweise könnten CIOs in Handelsunternehmen agile Methoden nutzen, um digitale Marktplätze schneller an Kundenbedürfnisse anzupassen, während Netzbetreiber agile Modelle zur Optimierung ihrer Infrastrukturprojekte einsetzen.
Die agile Transformation ist komplex, folgende Maßnahmen können dabei helfen:
Die ITK-Branche bietet als Vorreiter wertvolle Erkenntnisse für Unternehmen, die agile Methoden adaptieren möchten. Allerdings sollten diese an die jeweiligen Rahmenbedingungen und die spezifischen Bedürfnisse der jeweiligen Branche angepasst werden. Eine vollständige „Blaupause“ oder ein universeller Ansatz existiert daher nicht. Vielmehr sollten Unternehmen die Prinzipien der Agilität an ihre individuellen Anforderungen, Unternehmenskultur und Struktur anpassen.
Stephen Wilde ist Gründer und Geschäftsführer der Wilde-IT GmbH in Ludwigsburg