Funk im Smart Building

Nicht kopflos kabellos

23. März 2022, 7:00 Uhr | Autorin: Diana Künstler

Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Verschiedene Standards für unterschiedliche Anwendungen

Martin Graham, EnOcean Alliance
Graham Martin, Chairman und CEO der EnOcean Alliance, einer 2008 gegründeten Non-Profit-Organisation mit mittlerweile mehr als 400 Mitgliedsunternehmen. Der EnOcean-Standard bezeichnet einen vor allem in der Überwachung und Steuerung von Haus- und Gebäudetechnik genutzten herstellerübergreifenden Standard für batterielose Funksensorik. „In einem smarten Einfamilienhaus sind etwa 200 bis 250 Produkte installiert. Kabelgebunden ist dabei mehr als unpraktisch. Es macht das System zudem unflexibel und teuer. Und auch batteriebetriebene Produkte sind keine zufriedenstellende Alternative. Ist es doch meist so, dass die Batterien in den ungünstigsten Momenten leer werden, wie beispielsweise der Rauchmelder, der mitten in der Nacht anfängt zu piepen.“
© EnOcean Alliance

Welcher Funkstandard in einem Gebäude letztlich zur Anwendung kommt, hängt vom jeweiligen Einsatzzweck ab. Zur Verfügung stehen dabei unter anderem 5G, Bluetooth/BLE (Bluetooth Low Energy), EnOcean, KNX RF, LoRa, NB-IoT, Sigfox, Thread, WLAN/Wi-Fi, ZigBee/ZGP (ZigBee Green Power) und Z-Wave. Katharina Mattes, Manager & Lead IoT Chapter bei der Unternehmensberatung mm1, empfiehlt, bei der Auswahl der geeigneten Funktechnologie verschiedene Kriterien zu berücksichtigen wie Datenrate, Reichweite, Standardisierung, Echtzeitkommunikation (also geringe Latenzzeit) sowie Energie- und Kosteneffizienz. „Wichtig zu wissen: Smarte Gebäude können auch mit energieeffizienten und datenarmen Funktechnologien operieren“, sagt Mattes. Demnach würden sich NB-IoT und LoRa eignen, wenn Energieeffizienz und eine längere Batterielebensdauer gefordert sind, da nur zu bestimmten Zeitpunkten Daten übertragen werden. So im Falle Smart Parking oder Smart Metering. Zudem zeichnet sich LoRa durch eine gute Gebäudedurchdringung aus, was für das Auslesen von Zählerdaten aus Kellerräumen wie bei Wasser-, Gas- und Stromzähler von Vorteil ist. LTE Cat. M1 und NB-IoT eignen sich, um sehr viele Geräte parallel anzubinden. Klassische Beispiele wären hier Sensornetzwerke, Aufzüge und Verbrauchszähler. „In diesem Bereich findet aktuell ein rasantes Wachstum statt, durch die anhaltende Pandemie sind viele Unternehmen gezwungen, ihre Prozesse schnell zu digitalisieren“, ergänzt Ewald Kern. LoRaWAN werde dabei auch zum Aufbau kompletter Sensornetzwerke außerhalb von Gebäuden verwendet und komme zunehmend in Anwendungen mit sehr geringen Anforderungen an Datenrate und Latenz zum Einsatz. „LoRaWAN kann aufgrund seiner guten Gebäudedurchdringung auch in Kellerbereichen genutzt und unkompliziert nachgerüstet werden und zwar unabhängig von der Verfügbarkeit eines Mobilfunknetzes“, ergänzt Mattes von mm1. Darüber hinaus sei es von Vorteil, dass keine netzgebundene Stromversorgung benötigt wird, da die Energieversorgung mittels Batterie erfolgen kann.

5G wird hingegen für „High Speed“-Datenübertragung benötigt, weshalb es laut Mattes im Gebäudebereich dem Luxussegment zugeordnet werden könne. „Ein Beispiel hierfür sind Zutrittskontrollen via Gesichtserkennung in Echtzeit“, so die mm1-Managerin. Wi-Fi hingegen ist wichtig für die Datenübertragung von E-Mails, Videos und für Streamingdienste. Auch für Überwachungskameras ist das ein geeigneter Funkstandard. Smartphones greifen zu Hause ebenso darauf zurück. „Wi-Fi ist zwar allgegenwärtig für Verbindungen mit hoher Bandbreite zu einem Telefon oder Laptop“, gibt Marc Pégulu von Semtech zu bedenken, „doch neigt es auch dazu, für batteriebetriebene Sensoren zu stromhungrig zu sein.“ Zudem erfordere es ein Netzwerk von Repeatern und Routern, dessen Installation teuer und komplex sein kann.

Wenn es um die Steuerung und Kontrolle von Licht, HLK (Heizung, Lüftung, Klimatechnik) und auch um Sicherheitssysteme geht, sieht EnOcean-CEO Graham Martin kabellose Funkstandards im Vorteil, die auch batterielos funktionieren. Neben EnOcean ermöglichen Bluetooth und ZigBee ebenfalls batterie- und kabellosen Funk für zu Hause. „Es müssen keinerlei  Batterien gewechselt und auch keine Wände für Kabel aufgebrochen werden. Das spart nicht nur Arbeitszeit, sondern ist auch noch gut für unsere Umwelt“, so Martin. Außerdem hätten Sensoren für smarte Gebäude, die auf drahtlosen Technologien mit großer Reichweite basieren, aufgrund des hohen Energiebedarfs dieser Standards eine deutlich geringere Batterielebensdauer. „Diese kann in vielen Fällen nur wenige Monate betragen und liegt bei den meisten Sensoranwendungen für die Gebäudeautomation bei weniger als zwei bis drei Jahren“, gibt er zu bedenken. Und auch für die Gebäudeautomation und -steuerung seien laut Martin Standards wie EnOcean, Bluetooth und ZigBee prädestiniert. „Die beste Reichweite erzielen in der Gebäudesteuerung und -kontrolle Frequenzen im Sub-1-GHz-Bereich wie der EnOcean-Funkstandard“, ist der Chairman und CEO der EnOcean Alliance überzeugt. Sie könnten mit einer doppelt so großen Reichweite wie Systeme im 2.4 GHz-Bereich (Bluetooth, ZigBee und Wi-Fi) punkten. Zudem würden Sub-1-GHz-Frequenzen besser durch Wände funken.

Das passende Mittel zum Zweck: Lieber mit dem Fahrrad zum Bäcker

Eignungsvergleich funkbasierter Übertragungsprotokolle im Smart Building
© Trends im Umfeld von ,Smart Buildings‘ sowie Eignungsvergleich funkbasierter Übertragungsprotokolle“, IGT – Institut für Gebäudetechnologie, 2021

Anfang 2021 hat das Institut für Gebäudetechnologie (IGT) einen umfangreichen Vergleich zwischen den unterschiedlichen Funktechnologien durchgeführt. Wichtig war dabei, die Anforderungen an die Funktechnologie festzulegen. „Denn erst wenn die Anforderungen klar sind, kann man diese als Grundlage für eine Bewertung verwenden“, führt IGT-Leiter Michael Krödel aus. Dabei sei zu beachten, dass im Gebäude nur kleine Datenpakete versendet werden. In Konsequenz habe man „mächtige“ Übertragungsprotokolle wie 5G oder WLAN sehr schnell ausgeschlossen. „Diese zur Übermittlung eines Tastendrucks oder eines Helligkeitswertes zu nutzen, wäre ähnlich ineffizient, wie wenn man am Wochenende mit einem 7,5t-Transporter zum Bäcker um die Ecke fahren würde, um ein paar Frühstücksbrötchen zu kaufen“, so Krödel. Für die Anforderungen im Gebäude würden flinke, schlanke Protokolle benötigt, die so gut wie keine Energie für den Betrieb und die Kommunikation benötigen. In Summe habe sich daher EnOcean als das Protokoll herausgestellt, das für die Anforderungen smarter Gebäude am geeignetsten sei. Die gesamten Ergebnisse des Vergleichs stehen als Whitepaper im IGT-Blog kostenlos zur Verfügung.


  1. Nicht kopflos kabellos
  2. Verschiedene Standards für unterschiedliche Anwendungen
  3. Die Herausforderungen
  4. Nicht blind planen

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