Für Perpetual Guardian ist aus einem Experiment Arbeits- beziehungsweise Freizeitalltag geworden. Und auch Microsoft scheint den Gedanken weiterspinnen zu wollen. Der US-Konzern plant in Japan einen weiteren Testlauf der Vier-Tage-Woche. Doch bevor die Freitags-frei- oder Nie-wieder-Montag-Euphorie noch aus dem Ruder läuft, muss das durchaus umbrüchlerische Konzept auch einer kritischen Betrachtung standhalten. Immerhin gibt es einige – nicht ganz unberechtigte – Befürchtungen, dass mit einer abrupten und weitläufigen Umsetzung der Vier-Tage-Woche in der Wirtschaft das Arbeitsvolumen schlagartig einbrechen und dieser drastische Schritt somit den Wohlstand gefährden könnte. Auch stellt sich die Frage, wie lange die positiven Produktivitätseffekte tatsächlich anhalten oder ob sich diese nach einer gewissen Gewöhnungsphase wieder abflachen. Erste Erfahrungen zeigen bereits, dass auf das Hoch ohne eine geeignete Strategie schnell ein Tief oder zumindest ein Rückgang des Fleißsprungs folgen kann. Und nicht zuletzt dürfte der sich zuspitzende Fachkräftemangel ein gewichtiges Zünglein an der Waage sein, um in Chefetagen Jubelstürme zu verhindern, wenn das Thema Arbeitszeitreduzierung auf den Tisch kommt.
Doch allen Unkenrufen zum Trotz: Die stetig lauter werdende Diskussion um die Notwendigkeit einer weitreichenden Arbeitszeitumstrukturierung ist mehr als gerechtfertigt, ja, in Zeiten von Digitalisierung und Automatisierung absolut notwendig. Die vorschnelle Umsetzung einer Vier-Tage-Woche in größeren Teilen der Wirtschaft als in Berliner Start-up-Kreisen wäre aber allenfalls kosmetisch, wenn nicht sogar brenzlig. Vielmehr ist zuvor ein Neudenken des Konzeptes Arbeit notwendig. Prozesse müssen geprüft und optimiert, Mitarbeiter geschult und die Wirtschaft langfristig auf diesen durchaus radikalen Umbruch vorbereitet werden. Denn ein zusätzlicher freier Tag wird nur wenige Effekte zeigen, wenn sich das Postfach dennoch füllt, Stress wird nicht reduziert, wenn Mitarbeiter die Aufgaben von fünf an nur noch vier Tagen erledigen sollen und kein Unternehmen wird sich für die Vier-Tage-Woche begeistern, wenn damit auch nur vier Fünftel des Umsatzes einhergehen.
So positiv neue und vor allem flexible Konzepte zu bewerten sind und so bewundernswert der Pioniergeist von Microsoft und Perpetual Guardian ist: Entscheidend für den Erfolg mitarbeiterzentrierter Arbeitszeitmodelle ist nicht die Stundenzahl auf dem Papier, sondern vor allem ein neues Mindset in Unternehmen sowie der gesamten Wirtschaft, das sich traut, sich vom reinen Schneller-höher-weiter-Leistungsprinzip zu lösen, das trotz vieler progressiver Entwicklungen nach wie vor die Regel ist.