Digital Gamechanger

Superhelden im Unternehmensmantel

8. Januar 2021, 11:34 Uhr | Autoren: Helga Pattart-Drexler und Martin Giesswein / Redaktion: Diana Künstler

Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Von Selbstvermarktern, Verhinderern und Performern

„Bei genauerer Betrachtung kristallisieren sich – mit wenigen Ausnahmen – drei Gruppen von Führungskräften heraus“, sagt Martin Giesswein. „Die einen fordern Autonomie, ignorieren aber das Alignment und betreiben dann oberflächliche Digitalisierung, die der Selbstvermarktung dient.“ Die tatsächlichen digitalen Gamechanger und Innovatoren „sind nach drei Jahren noch an der umfassenden Digitalisierungsstrategie dran.“ Die Verhinderer würden selbst mit Unterstützung den Weg ins 21. Jahrhundert verweigern. Und schließlich die Performer, die sich wiederum zu stark auf das Tagesgeschäft fokussieren und die Innovation zu sehr hintanstellen.

Als Faustregel gilt: Je nach Branche und Größe benötigen Unternehmen zwischen fünf und 20 Prozent digitale Gamechanger in den mittleren Führungsebenen, um eine Digitalisierungsstrategie erfolgreich umzusetzen. „In der Mitte der Hierarchie liegt die größte Gestaltungs- und Umsetzungsmacht“, sagt Martin Giesswein. „Das Topmanagement muss die Digitalen Gamechanger aber unterstützen, sonst ist der Gegenwind für sie zu groß“, ergänzt Helga Pattart-Drexler. Diese acht Leadership-Stärken zeichnen echte Digital Gamechanger (DG) aus:

1. DG stärken das digitale Mindset im Unternehmen

„Man ist jahrelang in seiner Komfortzone, weiß, wie das eigene Geschäft erfolgreich läuft und dann soll man plötzlich alles anders machen. Viele Menschen verstehen das Neue als Abwertung der alten Arbeits- und Führungsweise und nehmen es persönlich“, sagt Helga Pattart-Drexler. Daher ist Offenheit und Bewusstsein für neue Geschäftsstrategien und Geschäftsfelder, neue Arbeitsweisen und digitale Technologien die Basis, um erste Schritte gehen zu können. Dabei helfen Trainings, e-Learning, Podcasts, Meetings und Events zum Thema. Martin Giesswein rät dazu, in „virtuellen Meetings und auf internen Tagungen das derzeitige Mindset im Unternehmen zu beleuchten: Wo stehen wir in Sachen Digitalisierung und wohin wollen wir die nächsten fünf Jahre?“ Gleichzeitig sei es auch wichtig, nicht mehr als drei Projekte pro Jahr zu initiieren, um das eigene Team nicht zu überfordern.

2. DG nehmen eine Dosis Digitalökonomie intravenös

Führungskräfte benötigen einen digitalökonomischen und geopolitischen Überblick: Welche Unternehmen im Plattform-Business reüssieren gerade? Was haben sie gemacht, um erfolgreich zu sein? Was können wir von ihnen lernen? Inhalte zu digitalen Geschäftsmodellen, Data Usage, Plattform-Logiken, etc. „Apple beispielsweise hat ein geschlossenes Ökosystem mit seinen Partnern und Mitbewerbern etabliert, das ihnen erlaubt, den Konsumenten mit verschiedenen Produkten und Dienstleistung „zu umzingeln“. Ein Aussteigen aus diesem digitalen Ökosystem ist teuer und mühsam“, so Giesswein.

3. DG lernen von Blaupausen – und adaptieren sie

„Wir bringen unseren Teilnehmern in den Workshops die größten Learnings der 30 erfolgreichsten Digitalisierungsunternehmen nahe“, sagt Martin Giesswein. „Mit diesen Blaupausen beschäftigen sie sich zwei bis drei Tage intensiv und können sie dann für ihr Unternehmen sofort adaptieren und umsetzen.“ Auf diese Weise kann das eigene Risiko minimiert, Fehler vermieden und der Innovationserfolg erhöht werden.

4. DG planen in Szenarien

Ein Digitalisierungsprojekt in Meilensteinen bis zum Zeitpunkt X abarbeiten – das ist ein hehrer Wunsch so mancher Unternehmen, „er funktioniert nur leider in der Praxis nicht“, so Giesswein. Dazu ist die Digitalisierung zu mehrdimensional und komplex. Digitalisierungsvorhaben solle man maximal drei Jahre planen und dabei stets mehrere mögliche Szenarien – durchaus längerfristig für zehn bis 20 Jahre – entwickeln, auf die man sich vorbereiten könne.

5. DG setzen echte Strategien um – und tun das iterativ

„Die Digitalisierungsprojekte müssen in der Gesamtstrategie verankert und vom Topmanagement mit- und vorgelebt werden“, sagt Helga Pattart-Drexler. Denn: Die Digitalisierung sei kein Nebenschauplatz und auch nichts, was man irgendwann wieder ad acta legen kann. „Leider sind die Digitalstrategien in manchen Unternehmen recht oberflächlich geraten“, gibt Helga Pattart-Drexler zu bedenken. Das Geschäftsmodell von Grund auf neu auszurichten und die KPIs auszubauen, sei nicht einfach und brauche Zeit und Kontinuität. Rein punktuelle Digitalisierungsprojekte reichen jedenfalls nicht. „Die Gefahr besteht zu sagen: das Pilotprojekt hat punktuell nicht funktioniert, also lassen wir es.“ Damit man nicht am Bedarf vorbei entwickelt, sei die Umsetzung in iterativen Schleifen notwendig. Alle zwölf Monate sollten bisherige Digitalisierungsprozesse beleuchtet und die nächsten Schritte wieder von Null weg geplant und umgesetzt werden. Die Rückschau solle demnach der Vorschau dienen.

6. DG kommunizieren transparent und ständig

Wesentlich sei eine klare und durchgehende Kommunikation mit den Mitarbeitern: „Das Top-Management darf keinen Zweifel daran aufkommen lassen, dass die Digitalisierung oberste Priorität hat und muss auch dafür Sorge tragen, dass sie auch als Strategie in allen Geschäftsbereichen implementiert wird“, so Giesswein.

7. DG halten durch und enttarnen Hypes

„Im zweiten Jahr einer Digitalisierungsinitiative erkennt man in der Regel, wenn das Top-Management nicht mehr mit Überzeugung dahintersteht“, sagt Martin Giesswein. Das passiere oft aus einem Aktionismus heraus, stets das neueste Tool oder den nächsten Ansatz haben zu wollen. Wesentlich sei es, die Veränderung auch durchzuhalten: „Es ist kontraproduktiv, den Fokus jedes Jahr auf neue Hypes und Tools zu setzen.“

8. DG kalkulieren stets das Innovationsrisiko mit ein

„Nicht jeder Prototyp, nicht jedes Minimal Viable Product wird erfolgreich sein“, sagt Martin Giesswein. So funktioniert Innovation eben nicht. Sie birgt immer auch ein Risiko in sich. Wenn ein Projekt oder Produkt scheitert, sei es wichtig, ergebnisorientiert zu bleiben: „Suchen Sie die Ursachen, nicht die Schuldigen“, rät er. Grobe Fehler seien allerdings zu vermeiden: „Die halbherzige Umsetzung der Digitalisierung – wie etwa einen Chief Digital Officer zu installieren, aber sonst nichts für Digitalisierung zu tun, das Negieren des heute datengetriebenen Business oder fehlendes Verständnis für digitale Business-Modelle – würde ich als grob fahrlässig bezeichnen. Auf diese Weise ist ein Digitalisierungsprojekt a priori zum Scheitern verdammt“, so Giesswein.

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