Bei der Elektrifizierung von Geschäftswagen haben Unternehmen meist ihren CO2-Fußabdruck und die Reduktion von Emissionen im Blick. Vielen ist jedoch nicht bewusst, dass Elektroflotten im Rahmen von bidirektionaler Ladetechnologie noch weitere Vorteile bieten.
Sechs Prozent der Dienstwagen in Deutschland sind laut einer HRI-Studie1 im Auftrag von Ford Pro Deutschland bereits rein elektrisch betrieben. Das ist zwar zu wenig, um die durch den Fuhrpark verursachten klimaschädlichen CO2-Emissionen signifikant zu reduzieren. Andererseits zeigen die Zahlen der Studie „Game Changer - Elektrifizierung und Digitalisierung werden Fuhrpark- und Flottenmanagement verändern“, dass Unternehmen in puncto Elektromobilität durchaus eine Vorreiterrolle einnehmen. Denn gemäß Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) sind von den insgesamt 48,8 Millionen Pkw in Deutschland bislang 1.013.009 Pkw rein elektrisch betrieben (BEVs)2. Das entspricht einer Quote von zwei Prozent. Damit ist die Voll-Elektrifizierungsquote bei Flottenfahrzeugen fast dreimal so hoch wie generell. Entsprechend schneiden Unternehmen bei BEV-Neuzulassungen gut ab. Fast die Hälfte entfiel hier laut KBA im Jahr 2022 auf gewerbliche Kunden. Bei der Elektrifizierung von Geschäftswagen haben Unternehmen meist ihren CO2-Fußabdruck und die Reduktion von Scope-1-Emissionen3 im Blick (siehe auch Grafik weiter unten).
Vielen ist jedoch nicht bewusst, dass Elektroflotten im Rahmen von bidirektionaler Ladetechnologie noch weitere Vorteile bieten. Beispielsweise durch mehr Unabhängigkeit vom Stromnetz oder der Realisierung von Einsparpotenzialen im Hinblick auf die Energiekosten.
Bidirektionales Laden gilt als eine Schlüsseltechnologie im Kontext der Energiewende. Sie ermöglicht, dass Elektrofahrzeuge (EVs) nicht nur Energie aus dem Stromnetz aufnehmen, sondern auch zurückspeisen können. Das ist wichtig für die Versorgungssicherheit. Denn dem – unter anderem wegen der Elektromobilität – zunehmenden Strombedarf steht eine schwankende Stromkapazität aus erneuerbaren Energiequellen gegenüber. Je nach Wetterlage variiert die verfügbare Grünstrommenge. Bei sogenannten Dunkelflauten kann es sogar vorkommen, dass keine oder nur sehr wenig elektrische Energie erzeugt wird. Vor dem Hintergrund des künftig immens steigenden Strombedarfs stellt diese Volatilität der Grünstromverfügbarkeit eine Herausforderung für die Versorgungssicherheit dar. So werden in Deutschland etwa täglich 1.300 Gigawattstunden Strom verbraucht4. Einen Großteil davon benötigen die Unternehmen; ihr Anteil am Stromverbrauch liegt bei circa 70 Prozent5. Besonders hoch ist der Strombedarf in der Industrie aber auch die IT-Branche ist auf eine verlässlich verfügbare Stromkapazität angewiesen. Laut einer Bitkom-Studie6 werden allein für IT-Installationen und Rechenzentren jährlich etwa 16 Milliarden Kilowattstunden benötigt. Es ist kaum vorstellbar, was passieren würde, wenn plötzlich nicht mehr genügend Strom verfügbar wäre. Daher ist es wichtig, die volatile Stromversorgung durch erneuerbare Energiequellen beispielsweise durch Stromspeicher abzusichern. Vielversprechend erscheint in diesem Zusammenhang die Nutzung bereits vorhandener Batteriekapazitäten in Form von EVs.
Bislang galt die Stromversorgung in Deutschland als sicher. So mussten Strombezieher pro Jahr im Durchschnitt 10,73 Minuten ohne Strom auskommen7. Großflächige langanhaltende Stromausfälle – sogenannte Blackouts – gab es nicht. Aber die jüngste Energiekrise und der Krieg in der Ukraine haben gezeigt, dass die Verfügbarkeit von Energie und Strom keine Selbstverständlichkeit ist und das Stromversorgungssystem auch mal aus dem Gleichgewicht geraten kann.
Auch außerhalb einer höheren Stromnetz-Versorgungssicherheit bietet Elektromobilität und bidirektionales Laden für Unternehmen Vorteile, die je nach Rückspeisungsszenario variieren können. Bidirektionales Laden beinhaltet unterschiedliche Rückspeisungsmöglichkeiten. Möglich ist beispielsweise die Rückspeisung an Geräte, welche an das EV angeschlossen sind (Vehicle to Load, V2L). Die technologischen oder regulatorischen Umsetzungshürden sind hier besonders niedrigschwellig. Anspruchsvoller gestaltet sich die Stromrückspeisung ins Gebäude (Vehicle to Building, V2B) oder öffentliche Stromnetz (Vehicle to Grid, V2G).
Dank V2B können Unternehmen im Falle eines Blackouts insofern profitieren, als sie den Betrieb essenzieller Geräte mittels ihrem bidirektionalen Flottenkraftwerks aufrechterhalten können. Hier fungiert der Elektrofuhrpark als eine Art Back-up-Stromquelle. Bidirektionale Flottenkraftwerke sind ein Förderschwerpunkt des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK)8, was die Bedeutung dieser Ladetechnologie unterstreicht. Natürlich hat das BMWK vor allem die strommarkt- und systemdienliche Steuerung von Ladevorgängen im Blick, letztlich dienen V2L und V2B aber auch einer höheren Resilienz der Produktions- und Unternehmensprozesse hinsichtlich möglicher Stromnetzengpässe.
Besonders attraktiv sind für Unternehmen mögliche Kosteneinsparungen im Zusammenhang mit bidirektionalem Laden. Diese sind auf unterschiedlichen Ebenen denkbar. So können Flottenkraftwerke beispielsweise Spitzenlasten oberhalb der maximalen Anschlussleistung abfedern und damit eine gegebenenfalls notwendige und teure Erhöhung der Anschlussleistung entbehrlich machen. Einsparpotenziale ergeben sich auch im Rahmen flexibler oder dynamischer Stromtarife, deren flächendeckende Einführung durch das kürzlich verabschiedete Gesetz zum Neustart der Digitalisierung der Energiewende (GNDEW) beschlossenen wurde. Mithilfe von EV-Stromspeicherkapazitäten können Unternehmen gezielt Niedrigpreisphasen im Tagesverlauf nutzen, indem sie Strom dann beziehen, wenn dieser günstig ist. Auf diese Weise können Unternehmen von der Volatilität der Börsenstrompreise profitieren. Hier tendieren die Preise regelmäßig gegen Null und können sogar negativ werden. Besonders hohe Einsparpotenziale ergeben sich für Unternehmen mit Solarparks. Die zusätzliche Speicherkapazität der Elektroflotte ermöglicht es, den Anteil des kostengünstigen eigenproduzierten Stroms am Gesamtverbrauch zu steigern.
Die Königsdisziplin von bidirektionalem Laden ist V2G. Hier wird der Elektrofuhrpark in das Stromnetz integriert und kann Strom direkt ins Netz einspeisen. Momentan ist das regulatorisch noch nicht ohne Weiteres möglich. Perspektivisch ergeben sich für Unternehmen aber attraktive Verdienstmöglichkeiten im Rahmen von Arbitrage-Stromverkäufen durch optimierte Ladevorgänge.
Daniel Utges ist Head of Product bei Wallbox Chargers
1 https://media.ford.com/content/fordmedia/feu/de/de/news/2022/10/31/ford-pro-studie--e-mobilitaet-und-telematik-services-warten-im-d.html
2 https://www.kba.de/DE/Statistik/Fahrzeuge/Bestand/bestand_node.html
3 https://ghgprotocol.org/corporate-standard
4 https://www.bundesnetzagentur.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2023/20230104_smard.html
5 https://www.gasag.de/magazin/nachhaltig/stromverbrauch-deutschland
6 https://www.bitkom.org/Presse/Presseinformation/Hohe-Strompreise-belasten-Rechenzentren-Digitalwirtschaft
7 https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/klimaschutz/stromausfall-blackout-2129818
8 https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Pressemitteilungen/2022/07/20220705-80-millionen-euro-fur-forschung-und-entwicklung-in-der-e-mobilitat-schwerpunkt-bidirektionales-laden.html