Dennoch wäre es sowohl unfair als auch zu kurz gedacht, Apple angesichts der zu erwartenden gewinne durch den wachsenden Vertrieb einzelner Netzteile gleich Gier zu unterstellen. Denn die liegt deutlich besser kaschiert an ganz anderer Stelle. Wohl nicht ganz zufällig fällt das Weglassen der Zubehörteile mit der Einführung von »Magsafe« zusammen. Damit baut Apple ein neues Zubehör-Ökosystem auf, dass zwar mit einigen typischen Apple-Eigenheiten glänzt, nicht jedoch mit wahrer Ökologie. Denn hier schafft Apple ganz bewusst einen Anreiz, vorhandene Peripherie wie drahtlose Ladegeräte durch Magsafe-Varianten zu ersetzen. Dabei verdient das Unternehmen dank der notwendigen Zertifizierung sogar am Zubehör von Drittherstellern kräftig mit. Letztlich dürfte der Verkauf von Magsafe-Zubehör Apple deutlich mehr Geld in die Kassen spülen als der Verkauf klassischer Netzteile.
Angesichts all dieser Einwände bleibt am Ende der Rechnung wohl nicht mehr allzu viel von der beworbenen ökologischen Wundertüte beim iPhone 12 übrig. Sie ist nicht viel mehr als hohles Marketinggetöse. Völlig anders sieht das jedoch beim Gewinn aus, denn tatsächlich bedeutet jeder einzelne dieser Punkte unter monetären Gesichtspunkten betrachtet das Gleiche: Apple verdient mehr. Insofern klingt es selbst übertrieben, hier von einer Win-Win-Situation für Apple und die Umwelt zu sprechen. Und wer es wirklich ernst meint mit der CSR, sollte sich so leicht zu durchschauende Feigenblätter lieber sparen.
Selbst die zu Recht viel gescholtenen Süßwarenproduzenten kämen wohl nicht auf die Idee, beispielsweise die Verkleinerung einer Packungsgröße ohne Preisanpassung in ähnlicher Weise als soziale und ökologische Wohltat zu bewerben – weil damit CO2-trächtige Transportwege entfallen und die Kunden beim Verzehr der kompletten Tüte Chips, Gummibärchen und Co. weniger Kalorien und Fett zu sich nehmen.