funkschau: Gibt es bereits erste konkrete Produkte/Lösungen, die aus der Zusammenarbeit mit Start-ups entstanden sind?
Gerres: Da gibt es eine ganze Menge. In der „Mindbox“ in Berlin, wo wir bereits seit Anfang 2015 Gründer begleiten, besteht bereits Kontakt zu über 400 Start-ups. Mit etwa 20 davon werden zurzeit konkrete Produktinnovationen in unserem Kerngeschäft, der Eisenbahn, eingeleitet. Eines der Gründerteams hat einen Sensor entwickelt, mit dem Weichen vorausschauend instandgehalten werden können. Der Sensor hat das Potenzial, die Pünktlichkeit deutlich zu erhöhen. Ein anderes Start-up arbeitet an einer neuen Soundtechnik, die die Ansagen in Bahnhöfen verständlicher macht. Aber es wird auch an Leuchtbeton für Bahnsteige, an Mooswänden, die die Luft rein halten oder an neuen Apps für nahtloses, ticketloses Reisen gearbeitet. Die Bandbreite ist groß, die Anwendungsfelder der DB dennoch längst nicht ausgeschöpft. Darüber hinaus sind Start-ups verstärkt Kooperationspartner in unseren wichtigen digitalen Zukunftsfeldern. Die ersten autonom fahrenden Busse, die wir 2016 in Berlin und Leipzig ins Rollen gebracht haben, wurden von Start-ups entwickelt.
funkschau: „Digitalisierung = Fortschritt für den Kunden“, so das Credo der DB im Zuge des konzernweiten Transformationsprozesses. Doch was bedeutet das konkret für die Kunden der Deutschen Bahn? Was genau ändert sich sowohl für Reisende als auch Industriekunden?
Gerres: Da knüpfe ich gern noch mal an die selbst fahrenden Busse an. Das autonome Fahren wird den Mobilitätsmarkt gewaltig verändern. Der motorisierte Individualverkehr (MIV) und der öffentliche Verkehr (ÖV) werden künftig zum individuellen öffentlichen Verkehr (IÖV) verschmelzen. Mobility on demand – das ist die Zukunft. Autonom fahrende Autos und Busse werden auch die Anbindung an die Schiene weiter verbessern. Die digitale Vernetzung der Verkehrsmittel wird für den Kunden die Wege einfacher, schneller und bequemer machen.
Gleiches gilt für die Logistik. Deshalb setzen wir zugleich auf vernetzte, selbst fahrende LKW. Die ersten Tests im sogenannten Platooning, bei dem mehrere autonom gesteuerte LKW jeweils im Windschatten einem vorausfahrenden LKW hinterher fahren, werden bereits vorbereitet. Das wird den Warentransport für unsere Industriekunden effizienter, verlässlicher und nachhaltiger machen.
funkschau: Nicht alle Kunden sind digitalen Technologien gegenüber offen aufgeschlossen. Wie holt man die „nicht Online-affinen Nutzer“ ab?
Gerres: Eines ist klar: Wir digitalisieren unsere Produkte und Prozesse nicht um der Digitalisierung willen, sondern weil wir den Bedürfnissen unserer Kunden gerecht werden wollen. Digitale Angebote werden ja nachgefragt. Das heißt aber nicht, dass dadurch alles nicht-digitale verschwindet. Ganz im Gegenteil: Auch wenn immer mehr Reisende ein Handy-Ticket nutzen, wird es weiterhin den persönlichen Service im DB-Reisezentrum geben. Und wenn unsere Kunden mit dem Smartphone im ICE irgendwann freiwillig selbst online einchecken, hat unser Bordpersonal mehr Zeit für den persönlichen Service am Platz. Unser Anspruch ist, die Digitalisierung gerade dazu zu nutzen, unsere Angebote auf die individuellen Bedürfnisse der Menschen hin maßzuschneidern – ganz gleich ob das die Gruppe der Digital Natives ist oder derjenigen, die weniger digital konsumieren.