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Digitalisierung

Politik und Wirtschaft stärker vernetzen

Dr. Kai Höhmann, Geschäftsführer, TÜV Rheinland Consulting • 30.9.2015 • ca. 2:30 Min

Prognostizierte jährliche Steigerungsrate der Bruttowertschöpfung durch Industrie 4.0 in ausgewählten Branchen in Deutschland im Zeitraum von 2013 bis 2025.
Prognostizierte jährliche Steigerungsrate der Bruttowertschöpfung durch Industrie 4.0 in ausgewählten Branchen in Deutschland im Zeitraum von 2013 bis 2025.
© Bitkom/Fraunhofer IAO/Statista 2015

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Aus Sicht von TÜV Rheinland, der als Prüf- und Infrastrukturdienstleister auch auf dem IT-Gipfel der Bundesregierung vertreten ist, ist es erforderlich, nicht nur Bereiche und Branchen, sondern auch Politik und Wirtschaft stärker zu vernetzen, um den ICT-Standort Deutschland weiter zu stärken, denn das Zukunftsfeld Digitalisierung betrifft alle Politikfelder und alle Wirtschaftsbereiche. Estland beziehungsweise Tallinn ist ein leuchtendes Beispiel für den optimalen Schulterschluss zwischen Politik und Industrie, abstrahiert man davon, dass sich die strukturellen Ausgangsvoraussetzungen deutlich von denen in Deutschland unterscheiden. Festzuhalten bleibt, dass der digitale Wandel in Deutschland weder eine komplett hoheitliche Aufgabe sein, noch von der Privatwirtschaft allein gestaltet werden kann. Es handelt sich gleichermaßen um eine umwälzende industriepolitische Entwicklung und um eine der komplexesten betriebswirtschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit.

Im Gegensatz zu anderen Ländern Europas setzt Deutschland – abgesehen von gezielten Förderprogrammen – noch relativ stark auf das Eigenengagement der Unternehmen. Die Initiativen der deutschen Wirtschaft weisen inzwischen in die richtige Richtung. Die Bundesrepublik hat bereits sehr viele Pilotprojekte und Entwicklungen gerade im Bereich Industrie 4.0 und Machine-2-Machine-Communication gestartet. Auch die Branchen Energie und Verkehr arbeiten mit Hochdruck daran, die Potenziale der digitalen Transformation sinnvoll zu nutzen. Beispielhaft sind sektor- und grenzüberschreitende Arbeitsgemeinschaften mit anderen Ländern, wie Deutschland sie unter anderem mit Frankreich und mit den Niederlanden praktiziert. In einem Strategiepapier "Investitionen stärken – Europa voranbringen" haben beide Länder ihre Absicht zu gemeinsamen Investments in intelligente digitale Netze bekräftigt, auch Breitbandinitiativen in unterversorgten Regionen entlang der deutsch-französischen Grenze sowie Breitband-Pilotprogramme unter anderem in den Bereichen E-Health, E-Learning und E-Mobilität sind geplant. Mit dem Nachbarn Niederlande betreibt Nordrhein- Dr. Kai Höhmann, Geschäftsführer, TÜV Rheinland Consulting Westfalen eine gemeinsame Breitbandberatung in der deutsch-niederländischen Grenzregion. Bereits heute zeichnet sich insbesondere der Mittelstand durch zahlreiche innovative Lösungen aus. Die Zahl der Unternehmen, die sich mit ihrem Portfolio auf Industrie 4.0 einstellen, wächst. Es könnten allerdings noch viel mehr Innovationen zur Marktreife gelangen, würden ihre Erfinder bereitstehende nationale und internationale Forschungs- und Förderprogramme nutzen. Erfolgreiche Beispiele gibt es längst: TÜV Rheinland hat bereits viele Unternehmen und Behörden durch nationale und internationale Förderprogramme begleitet. Zu einem der aktuellen Projekte gehört ein Pilot rund um die Datensicherheit der vernetzten Mobilität.

Fazit
Viele Weichen sind richtig gestellt, aber Deutschland sollte seine digitale Transformation beschleunigen. Jetzt geht es darum, neben dem Ausbau auch auf der Anwender-Ebene die PS auf die Straße zu bringen, denn der Mehrwert des digitalen Wandels besteht nicht nur aus Leitungen und Geschwindigkeit. Viele wegweisende Projekte in den Bereichen Industrie 4.0, E-Learning, E-Health oder Assisted-Living sind noch nicht öffentlich sichtbar, befinden sich aber in einer intensiven Entwicklungsphase.

Megatrends wie Big-Data, Mobile-Collaboration und das Internet der Dinge sind bereits Teil unserer Gegenwart, ihre eigentliche Dynamik werden sie noch entfalten. Es sollte in aller Interesse sein, diese Entwicklung aktiv zu gestalten, statt zu riskieren, von den Folgen überrascht zu werden und nur reagieren zu können. Deutschland hat gute Chancen, innerhalb der nächsten fünf Jahre konstruktive Lösungen auch in Bezug auf Datenschutz und Datensicherheit zu finden und damit eine der Hürden zu nehmen, die insbesondere im Mittelstand noch hemmend auf den digitalen Fortschritt wirkt. Es wird ein Grad an digitaler Vernetzung erreicht, der das Leben privat und beruflich in vieler Hinsicht verbessern, neue geschäftliche Chancen eröffnet und betriebliche Kosten senken kann. Auf jeden Fall werden sich Geschäftsmodelle und Lieferantenbeziehungen verändern. Je früher man sich damit auseinandersetzt, desto besser.