Mit Big Data ist es möglich, Entscheidungen auf einer großen Datenbasis zu treffen. Trotzdem spielen das Bauchgefühl, Befindlichkeiten und Unternehmenskultur eine nicht zu unterschätzende Rolle.
Big Data ist in deutschen Unternehmen eines der tonangebenden Themen: Der Digitalverband Bitkom interviewte letztes Jahr im Sommer Manager aus 604 deutschen Unternehmen mit mehr als 20 Mitarbeitern. Nach den Technologien gefragt, die diese Unternehmen bereits nutzen oder deren Einsatz geplant ist, stand Big Data an erster Stelle (siehe Grafik). Ein ähnliches Bild zeichnet der DSAG-
Investitionsreport 2019 der Deutschen SAP-Anwendergesellschaft. Auch bei den dort Befragten ist das Thema mit 46 Prozent Spitzen-reiter – gefolgt vom Internet of Things (43 Prozent) und Künstlicher Intelligenz/Machine Learning (32 Prozent).
Doch wie weit sind die Unternehmen tatsächlich beim Thema Big Data – und was ist eigentlich so neu daran? Schließlich wurden Daten auch früher schon gesammelt und ausgewertet, man denke an Business Intelligence oder Data Warehousing.
Social-Media-Postings = Daten
Den Unterschied macht Constantin Gonzalez, Principal Solutions Architect bei AWS, im Gespräch mit funkschau darin aus, „dass wir es heute mit anderen Qualitäten von Daten zu tun haben: Denn es geht dabei nicht mehr nur um solche, die sauber strukturiert aus Datenbanken kommen. Stattdessen haben wir es in vielen Fällen mit unstrukturierten Daten zu tun.“ Gonzalez nennt als Beispiel Postings in sozialen Medien wie Twitter. Aus diesen lassen sich Erkenntnisse ziehen, in welcher Weise sich die jeweilige Social-Media-Community über ein Unternehmen oder ein spezielles Produkt äußert. „Aber auch der Aspekt, wie man mit der Datenmasse umgeht, spielt eine wichtige Rolle; insbesondere wenn sich das Datenvolumen plötzlich verzehnfacht oder verhundertfacht“, so Gonzalez weiter.
Aktuell sind viele Unternehmen allerdings noch in der Anfangs- oder Experimentierphase. So erklärt Steffen Pietsch, Vorstand Technologie bei der DSAG, gegenüber funkschau, dass Unternehmen zwar Relevanz und Chancen von Big Data erkannt und erste Erfahrungen in Proof of Concepts oder mit Pilotprojekten gesammelt hätten. Auch sei Big Data „in einigen Branchen ein essenzieller Bestandteil der Geschäftsprozesse, dazu gehören zum Beispiel Banking und Retail und in zunehmendem Maße auch IoT“. Von einer flächendeckenden Big-Data-Reife oder durchgängig datengetriebenen Entscheidungen seien die Unternehmen jedoch noch weit entfernt.
Von bauch- zu datengetrieben Entscheidungen
Gründe, die hemmend wirken, gibt es viele. Im Gespräch mit Experten kommen einige davon eher nebenbei zur Sprache. Beispielsweise, dass viele Entscheidungen eben nicht datengetrieben sind, sondern – sozusagen im Gegenteil – „bauchgetrieben“. So drückt es Ulrich Wenz, Senior Sales Director DACH bei Datameer, aus. Das auf Big-Data-Analyse spezialisierte Unternehmen hat neben Standorten in den USA auch ein Entwicklungsbüro in Halle (Saale). Wenz höre bei seinen Gesprächen in Unternehmen immer wieder, dass Entscheidungen oftmals nicht datenbasiert erfolgen, sondern auf dem Bauchgefühl beruhen. Habe aber das Management die Notwendigkeit verstanden, dass gehandelt werden müsse, sei schon viel gewonnen. Allerdings: Auch die IT-Abteilung muss mit im Boot sein – und das kann zur Herausforderung werden. Wenz hat es des Öfteren erlebt, dass er einen Termin mit dem Budgetverantwortlichen subjektiv als gut beziehungsweise erfolgversprechend empfunden hatte.
In der Folge haperte es dennoch an der Umsetzung, weil die IT-Abteilung des Kunden nicht mitzog. Wenz kommt zu der Erkenntnis, dass er „von Anfang versuchen muss, diese beiden Fraktionen in ein Alignment zu bringen. Das Silodenken löst sich dann auf, wenn jemand aus der höheren Führungsebene, beispielsweise ein Chief Data Officer, das Thema wirklich vereinheitlichen und interne Barrieren niederbrechen will.“
Auch gewisse Unterschiede zwischen den Branchen spielen eine Rolle. Stefan Ebener, Manager Customer Engineering – Machine Learning, EMEA bei Google Cloud verdeutlicht dies: Während in der Retailbranche Daten durch Tools wie Google Analytics automatisch bereitgestellt würden, sei das im Manufacturing-Bereich anders. „Dort muss man sich die Daten selbst beschaffen, indem man Daten der Maschinen abruft. Viele dieser Maschinen sind bereits seit 20 Jahren im Dienst, machen aber noch immer einen 1-A-Job. In so einem Fall werden sie nicht ausgetauscht, nur weil sie nicht connected sind, sie lassen sich aber nachrüsten“, so Ebener. Hier müssten sich Unternehmen dann Gedanken machen, wie sie vorgehen wollen.