Um aus Daten Mehrwert zu ziehen, ist das Know-how von Data Scientisten essenziell. In Zeiten des Fachkräftemangels für dieses noch junge Berufsbild geeignete Kandidaten zu finden, ist jedoch eine Herausforderung. Pietsch sieht die besondere Qualifikation einerseits darin, „mit analytischen Methoden umgehen zu können und andererseits die notwendige technische Expertise aufzuweisen. Der Data Scientist versteht Prozesse, Informationstechnik und Mathematik. Gleichzeitig ist Kontextwissen und Businessverständnis extrem wichtig.“ Als Beispiel führt er eine Maschine an, die eine 80-prozentige Wahrscheinlichkeit einer auftretenden Störung meldet. Ob nun 80 Prozent ein Grund sind, einzugreifen oder nicht, das müsse der Data Scientist bewerten. Auch Gonzalez von AWS beobachtet bei Kunden, dass sie „zunehmend Data Scientisten ausschreiben und einstellen. Das ist eine neue Rolle, die in den Unternehmen immer stärker wird. Allerdings gibt es noch nicht so viele Data Scientisten, die es auch aus Business-Sicht verstehen, aus diesen Daten Mehrwerte zu schöpfen.“
Glück hatte da Ulrike Meyer, Leiterin Digitale Lösungen bei Willenbrock Fördertechnik, einem Komplettdienstleister in der Intralogistik-Branche. Ihre Abteilung entwickelt digitale Lösungen für Kunden. Sie und ihre Kollegen beschäftigen sich viel mit Sensoren. Die Menge an Daten, die diese Sensoren liefern, brachten Meyer an ihre Grenzen mit der Verarbeitung. Die Lösung war die Einstellung einer Datenanalystin. Gefunden hat Meyer ihre neue Kollegin letztlich durch einen Tipp aus dem Bekanntenkreis. Den Arbeitsalltag der Datenanalystin bei Willenbrock beschreibt Meyer so: „Meistens arbeitet sie an ein bis zwei Programmen für verschiedene, längerfristig angelegte Abfragen“. Doch wie in anderen Jobs auch, kommen akute Abfragen dazwischen, die die Datenanalystin dann kurzfristig bearbeitet. „Die größten Insights, die wir gewinnen konnten, resultierten immer zu gleichen Teilen aus der Stärke der Analystin, hunderttausende Datensätze verarbeiten zu können, und dem Kollegen, der aus diesen Informationen die richtigen Schlüsse ziehen kann.“ Bei Willenbrock Fördertechnik kann aktuell jede Abteilung Fragen einreichen. Die Datenanalystin greife direkt auf die Datenbanken der Firmensoftware zu und kann „jeden x-beliebigen Datensatz untersuchen. Es ist spannend, zu sehen, auf welche Ideen zur Abfrage die Kollegen kommen“, so Meyer.
Stichwort Unternehmenskultur
Haben es nun Digital-Native-Unternehmen leichter als solche, die traditionell und über viele Jahre gewachsen sind? Unterschiede gibt es in jedem Fall in den Kulturen. „Viele Unternehmen reden offen darüber, dass der digitale Wandel einen Mentalitätswechsel in der Belegschaft erfordert. Das ist in jedem Fall eine Reise“, so Gonzalez. Auch Steffen Pietsch sieht neben der höheren Technologieaffinität bei Digital-Native-Unternehmen weitere Charakteristika, die den Einstieg ins Thema Big Data erleichtern können. So hätten diese „eine konstruktive Fehlerkultur, agile Vorgehensweisen und das unerschrockene Experimentieren in ihrer DNA.“ Gewachsene und gegebenenfalls größere Unternehmen haben möglicherweise „weitreichendere finanzielle Mittel zur Verfügung, um Big-Data-Initiativen konsequent umzusetzen“, so Pietsch. Doch letztlich sei „eine auf datengetriebene Entscheidungen ausgelegte Unternehmenskultur und eine Offenheit für Veränderung“ wichtiger als das Alter des Unternehmens. Zumal die Angst zu scheitern durch die Cloud ohnehin zu einem guten Teil abgenommen hat. „In der Cloud können Sie ein komplettes Big-Data-System innerhalb von Minuten starten und sofort anfangen, Mehrwerte zu schöpfen“, so Gonzalez. „Wenn man bemerkt, dass es nicht der richtige Ansatz war, nimmt man einfach eine Kurskorrektur vor.“ Das sei ein signifikanter Unterschied zu früheren Zeiten, als ein Big-Data-Projekt Hardware und deren Verkabelung erforderte sowie Software, die erst einmal installiert werden musste. „Das hat Monate gedauert, bis Unternehmen so weit waren, ein erstes Big-Data-Projekt zu starten“, erinnert sich der Experte von AWS.
Ulrike Meyer von Willenbrock Fördertechnik zieht in jedem Fall ein positives Resumee: „Wir haben neuronale Netzwerke erstellt, die einen Visualisierungsgrad haben, den ich zuvor nicht für möglich gehalten hätte.“ Und auch so manchen Kunden von Ulrich Wenz gehen die Augen auf, wenn sie erkennen, dass sich datengestützt Wege ergeben, durch die sich mehrere Millionen Euro einsparen lassen. Ulrike Meyers Rat in puncto Big Data wäre in diesen Fällen dann wohl das Gebot der Stunde: „Unbedingt machen!“