Trotz der Fürsprecher steht Huawei unter Druck. Der fehlende Zugang zu Halbleiter-Technologien bedroht die Smartphone-Produktion, der erzwungene Verzicht auf Android dürfte vor allem der Nachfrage in europäischen Ländern einen Dämpfer verpassen. Zwar hat der Hersteller vor wenigen Wochen angekündigt, 2021 Smartphones-Modelle mit dem eigenen Betriebssystem Harmony OS 2.0 ausrüsten zu wollen. Er spricht von der ersten »echten Alternative zum derzeitigen App-Universum seit zehn Jahren«. Wie schnell und wie erfolgreich sich ein nahezu neues Ökosystem neben den dominierenden Google- und Apple-Angeboten aber außerhalb des chinesischen Marktes etablieren kann, muss sich erst noch zeigen.
Huawei hat eine rasante Entwicklung hinter sich, innerhalb weniger Jahre hat sich der Hersteller nicht nur in China, sondern auch in Europa und den USA zu einem führenden Anbieter vieler Technikbereiche aufgeschwungen, dessen Produkte nahezu überall dort vertreten sind, wo Connectivity eine Rolle spielt. Es sind wohl der rasante Erfolg und die starke Marktposition, die das Unternehmen jetzt in den Fokus verschiedenster politischer Interessen rücken. Ob Huawei mit diesem Gegenwind den sportlichen Wachstumskurs der vergangenen Jahre beibehalten kann, ist fraglich. Darüber hinaus steht noch die Entscheidung aus, ob der chinesische Ausrüster eine Rolle im 5G-Ausbau in Deutschland spielen wird und darf.
»Kein Lippenbekenntnis«
Auch wenn sich Huawei bisher nur bedingt in die Karten schauen lässt, mit welcher Strategie man im Detail auf die vielen Herausforderungen reagieren möchte, zeigt sich der Hersteller alles andere als eingeschüchtert – im Gegenteil: der Weg führt nach vorne. »Europa wird im kommenden Jahrzehnt eine wichtige Rolle für Huawei einnehmen. Deshalb engagieren wir uns, hier eine marktführende Position einzunehmen«, bekräftigt Walter Ji, President der europäischen Consumer Business Group im Rahmen der IFA 2020. Das Unternehmen sei bereits ein fester Bestandteil der Wachstums- und Erfolgsstrategie des Kontinents. Unter anderem soll jetzt aber die Präsenz in Spanien, Frankreich, Belgien, Italien, Deutschland und Großbritannien noch weiter ausgebaut werden, bis Ende des Jahres will der Anbieter acht neue Flagship Stores sowie 42 »Experience Stores« eröffnen. Ji betonte aber vor allem auch: »All unsere Produkte und Services sind so entwickelt, dass Sicherheit und Datenschutz im Mittelpunkt stehen. Wir werden niemals freiwillig Kundendaten weitergeben. Und das ist kein Lippenbekenntnis.«
Ohne Frage, Huawei hat eine Offensive in Europa gestartet, die Endkunden und Unternehmen für die Produkte begeistern und etwaige Bedenken ausräumen sollen. Der chinesische Hersteller will sich mit Zuversicht gegen die weitreichenden und teils drastischen Einschränkungen stemmen. Wie leicht diese Strategie umzusetzen sein wird, könnte sich dann aber zumindest zu einem Teil auch mit der Präsidentschaftswahl in den USA am 3. November entscheiden.